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Daniel Barenboim dirigiert das Jubiläumskonzert zum 275. Geburtstag der Staatsoper Unter den Linden.

© Monika Ritterhaus

Konzert zum 275 Jahre Staatsoper: Ziel und Stil

Daniel Barenboim dirigiert das Geburtstagskonzert zum 275. der Staatsoper Unter den Linden.

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntag in der Komischen Oper eine launige Rede zum 70. Geburtstag des Hauses hielt, sagte er: „Man sieht ihr das Alter gar nicht an.“ Das war natürlich geschmeichelt, ist doch bekannt, dass Barrie Koskys Haus dringend ein technisch-architektonisches Lifting braucht. Ein paar hundert Meter weiter, in der Staatsoper, wären die präsidialen Worte am Donnerstag treffend gewesen. Denn obwohl offiziell Unter den Linden der Eröffnung des Hauses von 275 Jahren gedacht wurde, strahlt und blitzt das Haus wie neu. Mögen hinter den Kulissen noch Restbauarbeiten auszuführen sein, die Zuschauerbereiche sind jetzt wirklich fertig.

Schmeichelweich fühlt sich der grüne Stuckmarmor im Eingang an, die Gänge sind jetzt mit unbrennbaren Stofftapeten ausgestattet, auf den Schnitzereien an den Saaltüren liegt frischer Goldglanz. Und oben erinnert die zur Verbesserung des Raumklangs hinzuerfundene Akustik-Galerie an jene Netze, in denen Mangos im Supermarkt präsentiert werden.

Rokoko reloaded also. Doch Steinmeier ist nicht da am Donnerstag, er hat sich seiner Pflichten bereits am 3. Oktober entledigt. Michael Müller lässt sich wegen des SPD-Parteitags entschuldigen, Kultursenator Lederer hat seinen Staatssekretär geschickt. Joachim Gauck und Daniela Schadt sitzen als normale Zuhörer im Publikum, ebenfalls als Privatmann tritt Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert ans Mikrofon. Um den kulturpolitischen Weitblick Friedrichs II. zu loben, der seine Oper nicht als Hoftheater im Schlosskomplex bauen ließ, sondern freistehend, als Haus für die ganze Stadt. Wenn nun das „Heldenleben“ von Richard Strauss erklinge, resümiert Lammert, sei damit zweifellos der musikliebende Monarch gemeint – und ausnahmsweise nicht der Generalmusikdirektor.

Daniel Barenboim seinerseits lässt in seiner Grußadresse ans Publikum auch einen frechen Satz fallen: „Diejenigen von Ihnen, die vor 2010 hier waren und noch gut hören, werden den Unterschied merken.“ Den akustischen nämlich. In der Tat hat sich die Staatskapelle mittlerweile einfühlt und -gehört, weiß die Tücken des Saales zu meiden und die Vorteile zu nutzen. Im klassizistischen Scherzo aus Mendelssohns „Sommernachtstraum“ klingt das Orchester genauso feingliedrig wie bei der Maximalbesetzung in Pierre Boulez’ „Notations“. Und selbst bei den wuchtigsten Passagen des „Heldenlebens“ bleiben die einzelnen Stimmen stets identifizierbar.

Ist nur die Fremdel-Phase überwunden? Oder ereignet sich hier nicht doch Größeres? Es könnte sein, dass dieser Abend als Auftakt zu Barenboims Spätstil in die Annalen der Staatsoper eingeht. Weil der Maestro eine zenbuddhistische Gelassenheit an den Tag legt, die selbst den langjährigen Beobachter verblüfft. Dass er sich bei Mendelssohn ans Geländer seines Dirigentenpodests lehnt, als er merkt, dass es läuft, ist nur ein äußerliches Indiz dafür. Wie er es aber schafft, bei Boulez’ „Notations“ eine klangliche Selbstverständlichkeit herzustellen, wie er die komplexen Klanggebilde dem Ohr fast vertraut erscheinen lässt, das kommt Tief aus seinem Inneren. Sehr weich ist Barenboims Gestik, in nobelster Spielkultur folgen ihm die Musiker, schaffen eine Atmosphäre, in der Boulez’ Moderne als logische Fortentwicklung von Debussys Musiksprache erscheint.

Auch beim „Heldenleben“ dann wieder dieses In-sich-Ruhen, diese altersweise Selbstverständlichkeit, der feldherrenhafte Überblick über die Großform. Etwas Spontanes oder gar Riskantes hat dieses Musizieren nicht, dafür aber die Aura des Vollendeten.

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