zum Hauptinhalt
Absurde Komik. Samuel Beckett gehört zu den größten Humoristen, hier eine Szene aus seinem berühmten Stück "Warten auf Godot", aufgeführt in den Hamburger Kammerspielen.

© dpa / picture-alliance / Wolfgang Langenstrassen

Komik in Literatur und Philosophie: Das Lächeln der fünf Muskeln

Kann eine Maschine Humor haben? Und was hat Goethe gegen den Witz der Berliner? In der Kolumne "Fundstücke" geht es diesmal um das Menschheitsthema Komik.

Das Komische kann erlösend und rettend sein, auch wenn Scherz und Schmerz wie bei allen großen Humoristen, bei Kafka oder Beckett, bei Buster Keaton oder Woody Allen, sich schneiden können wie die Klingen einer eben noch weit geöffneten Schere.

Ich war vor gut dreißig Jahren zurzeit jenes chinesischen Tauwetters, das dann 1989 mit dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz endete, nach Peking eingeladen und sollte einen Vortrag über das deutsche Theater und unsere Kulturszene vor Studenten der Theaterhochschule in Peking halten. Die Chinesen hatten wohl vorab eine schriftliche Fassung erwartet und waren überrascht, dass ich auf der Basis nur von Notizen eher frei sprechen wollte. Und natürlich ging es dabei auch um (künstlerische, kulturelle) Freiheit als Selbstverständnis.

Ins Chinesische übersetzt wurde die Rede nun jeweils konsekutiv nach einigen Sätzen. Weil aber mein Übersetzer, ein älterer Germanist, als Überlebender der Kulturrevolution, ein etwas eingeschüchtert wirkender Herr war, formulierte ich höflich und sanft, wollte aber zugleich wissen, ob das, was ich sagte, einigermaßen korrekt wiedergegeben würde. Nur, wie das kontrollieren, wenn man selbst kein Chinesisch spricht?

Interdisziplinäres Handbuch der Komik

Chinesen, das ist mehr als nur ein Stereotyp, lachen recht gerne. Deswegen hatte ich in meine Rede zwei oder drei überraschende Witze eingebaut, und weil die Übersetzung ja spontan und unvorbereitet gleich nach dem gerade Gesagten erfolgte, war das ein Test. Und siehe da, die vielen hundert in einem damals eiskalten Hörsaal in dicken Daunenjacken versammelten Studenten: Sie lachten. So konnte ich annehmen, dass der freundliche Übersetzer auch das Übrige zutreffend wiedergab.

Als nun vor einigen Monaten ein gewichtiges Werk unter dem Titel „Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch“ angekündigt wurde, herausgegeben von dem Gießener Kulturwissenschaftler Uwe Wirth (J. B. Metzler Verlag, Stuttgart, 415 Seiten, 69, 95 €), war ich sofort neugierig. Und ich wurde nicht enttäuscht, auch wenn dieser eng gedruckte Band natürlich nicht alle Aspekte eines Menschheitsthemas erschöpfend erfassen kann.

Von Philosophie bis Hirnforschung

Wobei das Wort „erschöpfend“ hier schon verräterisch klingt (auch bei dicken Anthologien von Witzen kann einem ja irgendwann das Lachen vergehen). Und apropos Menschheitsthema: Ganz am Ende stellt das von zahlreichen Experten in vielen Unterkapiteln geschriebene „Komik“-Handbuch auch die Frage: „Kann eine Maschine Humor haben?“ Das wirkt aktuell und wird wegen aller noch ungelösten technischen und kognitiven Probleme natürlich nicht wirklich beantwortet. Freilich fehlt hier die analog und biologisch doch näherliegende Frage, ob und inwieweit Tiere Humor haben.

Ansonsten ist von der Philosophie bis zur Hirnforschung in Stichworten und Kurzartikeln ungemein vieles angesprochen. Von der Religion bis zum Sex, von der Moral bis zur Macht (und dem Witz der Ohnmächtigen). Alles auch mit Blick auf die unterschiedlichen Medien, ob antike Komödie oder digitale Welten.

Das Komische im Angesicht der Katastrophe

Dabei bleibt der Blick wesentlich auf die westliche Hemisphäre konzentriert, es gibt kaum einen „komischen“ Dialog oder gar Konflikt der anderen Kulturen, obwohl einmal von „(post)kolonialen Figurationen“ oder auch „Szenen türkisch-deutscher Desintegration“ die Rede ist. Hinweise auf die Spannung zwischen Scharia und Scherz im Islam sind freilich sehr knapp, ebenso die auf den „lächelnden Buddha“.

Man erfährt dafür Lehrreiches, etwa aus dem Bereich der Physiologie: welche fünf verschiedenen Gesichtsmuskeln am menschlichen Lächeln mitwirken. Und im Fundamentalen geht es von Schopenhauer und Kierkegaard bis zu Freud mehrfach um die „Inkongruenz“, die kognitive Dissonanz, den Entlastungsaffekt, der dem Komischen als Volte im Angesicht des Katastrophischen oft zugrunde liegt. Eine hübsche Lesefrucht ist auch ein Goethe-Zitat zum ihm fremden Berliner Humor: „Viele sogenannte Berliner Witze und schnellen Erwiderungen“ zeugten doch nur „von einer höchst platten Lebensweise und einem Mangel an eigentlich geistiger Thätigkeit“.

Zur Startseite