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Kinodrama: "Miral": Wüste, Waisen, Wut

In "Miral" verfilmt Julian Schnabel das gleichnamige Buch der Palästinenserin Rula Jebreal. Doch sein Blick auf den Nahost-Konflikt aus Frauensicht schafft keine eigene Wirklichkeit.

Manchmal liest ein Regisseur ein Buch und weiß: Das muss ein Film werden, mein Film! Manchmal kennt der Regisseur sogar die Autorin und ist sich nun erst recht sicher. Julian Schnabel, Sohn amerikanischer Juden, las das Buch der Palästinenserin Rula Jebreal „Miral – Die Straße der Blumen“ über ihre Kindheit, und es war ihm, als ob er neu sehen lernte. Sollte nicht der ganze israelisch-palästinensische Konflikt in einen Film passen, wenn man ihn nur aus der Perspektive der palästinensischen Frauen erzählt? Um es gleich zu sagen: Der Konflikt sträubt sich. Und er rächt sich: Er macht aus den Bildern dieses sensiblen Bildermachers zuletzt Bebilderung. Er macht aus dem Subjektivisten einen ohnmächtigen Quasi-Objektivisten.

Und doch sollten wir es uns nicht zu einfach machen mit „Miral“. Den ewigen Ideologen ist allein schon die Perspektive verdächtig. Dürfen wir mit palästinensischen Augen sehen? Palästinensischen Kinderaugen, Mädchenaugen, Frauenaugen? Am 9. April 1948 liegt der Rauch des Kampfes noch in der Luft, als die Palästinenserin Hind Husseini (Hiam Abbass) durch ihr Ost-Jerusalemer Viertel geht. Sie begegnet verängstigten, verstörten Kindern, die aus ihrem Dorf in die nahe Stadt geflüchtet sind: Überlebende des Angriffs auf Deir Yasin. Der Anführer derer, die ihre Eltern umbrachten, hieß Menachem Begin, und er wird immer bekennen, dass es ohne die Siege vom Frühjahr 1948 niemals einen Staat Israel gegeben hätte. Das sagt der Film nicht.

Er sagt auch nicht, dass der Aufruhr von arabischer Seite begann. Ein Film ist kein historisches Seminar. Er ist mit dem Leben solidarisch. Und was hätten die Kinder von Deir Yasin denn begreifen sollen? Dass sie nun zu Recht keine Eltern mehr hatten? Auch Husseinis Waisenhaus, das noch heute existiert, hätte es nie gegeben ohne das Frühjahr 1948. Das große Anwesen ihrer Familie aus dem 19. Jahrhundert ist ein Hauptschauplatz des Films, eine Enklave des Friedens. Seit 1967 nimmt es nur noch Mädchen auf, zu denen bald auch Miral (Freida Pinto) gehören wird.

Sie kommt in die Schule der Hind Husseini und ihre Jugend wird in die Zeit des Flüchtlingselends der großen Lager fallen. Was wird aus einem Volk, in dem jede Generation ein neues Trauma trifft? Angesichts der Lager empfindet Miral das eigene relative Behütetsein als Lüge. Niemand hält die Hand über ihr Volk. Freida Pinto, Bollywoods Shooting star, spielt Miral und sie ist mehr als nur schön. Man hat Schnabel diese Besetzung übel genommen. Warum eigentlich?

Der Mut zum fremden Blick ist groß in diesem Film, der doch kein großer Film geworden ist. Denn seine eigene Wirklichkeit schafft er nicht.

In fünf Berliner Kinos.

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