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Undercover. Naomi Watts spielt die CIA-Agentin Valerie Plame. Sie wurde enttarnt, als ihr Mann, der Ex-Diplomat Joe Wilson (Sean Penn), Bushs Regierung öffentlich der Irakkriegslüge bezichtigte.

© Tobis

"Fair Game": Eine Unbestechliche und eine wahre Geschichte

Kriegslügen und Wahrheitsliebe: Im Politthriller „Fair Game“ zeigt Doug Liman durchaus mutiges Unterhaltungskino. Besonders überzeugend: die Schauspielerin Naomi Watts

David gegen Goliath. Einer gegen die Mafia. Allein gegen den Rest der Welt. Klassische Helden bewegen sich gern in solchen Spielanordnungen. Der amerikanische Regisseur Doug Liman, seit der „Bourne“-Trilogie Experte für klandestine Identitäten und die aus deren Dilemma resultierende Spannung, hat das Muster auch seinem Thriller „Fair Game“ zugrunde gelegt, seiner ersten Verfilmung eines explizit politischen Stoffs.

Die Geschichte ist so wahr wie atemberaubend. Valerie Plame (Naomi Watts), glücklich verheiratete Mutter zweier Kinder, arbeitet als Topagentin der CIA. Nicht einmal die engsten Freunde ahnen, dass ihre Jetset-Existenz als Finanzmaklerin reine Tarnung ist. Nach den Attentaten vom 11. September 2001 erhält sie einen Spezialauftrag: Sie soll das Atomprogramm des Irak ausspionieren – George W. Bush und sein Vize Dick Cheney brauchen einen Kriegsgrund. Während Valerie nach irakischen Atomphysikern fahndet, wird ihr Mann, der Ex-Diplomat Joe Wilson (Sean Penn), nach Niger gesandt, um zu klären, ob Saddam Hussein dort 500 Tonnen Yellow Cake gekauft hat, Material zur Herstellung von Atomwaffen. Aus seiner Zeit als Botschafter hat Wilson noch beste Kontakte nach Afrika.

Bei den Recherchen stellt das Ehepaar fest: Es gibt keine Uranerzlieferungen und erst recht keine Massenvernichtungswaffen im Irak. Als Außenminister Powell das Gegenteil publik macht und Amerika Saddam den Krieg erklärt, veröffentlicht Joe Wilson im Juli 2003 in der „New York Times“ einen Artikel „Was ich in Niger nicht gefunden habe“. An prominenter Stelle stellt er die Verlautbarungen der Regierung infrage. Worauf seine Frau in einer Kolumne enttarnt wird, ohne Rücksicht auf die Sicherheit ihrer Familie und ihrer Informanten in aller Welt. Außerdem wird sie vom Dienst suspendiert, mit sofortiger Wirkung.

Ein Racheakt der Staatsmacht? Der Fall kam in die Schlagzeilen und vor Gericht. Das Paar Plame-Wilson klagte sich durch die Instanzen, einzig Dick Cheneys Stabschef Lewis „Scooter“ Libby wurde verurteilt, aber der Präsident erließ ihm die Haftstrafe. Bis heute ist nicht endgültig geklärt, wer die Mär von Saddams Atomwaffen lancierte, wer wen manipulierte oder hinters Licht führte, was Libby und Chefberater Carl Rove wussten, was Cheney oder gar Bush selbst veranlassten oder wissentlich duldeten.

„Plamegate“ oder Die Wahrheit als das erste Opfer des Kriegs. Der Irakkrieg selbst, der Krieg der Lügen, der Argumente für und wider den Militärschlag. Der Nervenkrieg des Weißen Hauses gegen das Paar. Die juristische Fehde. Und der Ehekrieg der beiden über die Frage, ob sie den schier aussichtslosen Kampf gegen die Regierung um die Wahrheit aufnehmen sollen. Einen Kampf, an dem die Familie und die Liebe beinahe zerbricht: Joe agitiert in der Öffentlichkeit, Valerie schweigt – und bangt um die Kinder.

Doug Liman mischt all das zu versiertem, durchaus mutigem Unterhaltungskino (auch wenn inzwischen alle Welt schon immer gegen den Irakkrieg gewesen sein will), mischt Action und Melodram, Glamour und Zeitgeschichte. Die rasante, vom Regisseur selbst geführte Kamera fliegt von Schauplatz zu Schauplatz, mit hyperagiler, fiebriger Wachsamkeit, als sei sie selbst in geheimer Mission unterwegs.

Das Beste an „Fair Game“ ist Naomi Watts. Attraktiv wie die echte Valerie Plame, tritt sie als kluge, unerschrockene Frau auf, die doch eine Spur Skepsis ausstrahlt, eine kaum merkliche, aber existenzielle Nervosität, noch wenn sie mit ihren ahnungslosen Freundinnen schwatzt. Bei aller Professionalität haftet ihr etwas Schutzloses an – und das Wissen darum. Als die Enttarnung Plames Patriotismus und politische Identität erschüttert, übersetzt Watts auch das nicht in dramatische Posen, sondern spielt es mit minimalistischer Präzision und Intensität.

Doug Liman hat sich mit Genre-Blockbustern, Komödien und Spionagefilmen einen Namen gemacht, er arbeitete als Werbefilmer für Levi’s oder Nike und drehte 2009 Wahlkampfspots für Barack Obama. In „Fair Game“, der dieses Jahr in Cannes uraufgeführt wurde, mischt er nicht nur Privates und Weltpolitik, sondern auch Fakt und Fiktion. Längst gilt als wahrscheinlich, dass nicht Kriegstreiber, sondern Kriegsgegner für die Indiskretion über Plames CIA-Tätigkeit verantwortlich sind. Die Sache ist also komplizierter als die simple David-gegen-Goliath-Dramaturgie. So neigt der echte Wilson zu Verschwörungstheorien und ist ein wohl noch eitlerer Macho als Sean Penn im Film. Auch der Film-Wilson schmaucht selbstherrlich Zigarre und stilisiert sich zum Weltverbesserer, zum Prediger der wahren Wirklichkeit. Aber er versorgt lässig und freundlich die Kinder, wenn seine Frau im Dienst ist, und er tritt nun mal in Gestalt von Sean Penn auf, jenes coolen, sympathischen Stars, dessen liberale Haltung und politisches Engagement der Kinozuschauer spätestens seit „Milk“ nicht vergessen kann, seit seiner Rolle als erster offen schwuler US-Politiker. Sean Penn, der mit der Organisation „Not In Our Name“ gegen Amerikas aggressive Außenpolitik protestiert, der nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans half und in Haiti ein Flüchtlingscamp gründete, in dem er arbeitet und teilweise lebt: Er personifiziert das linke Hollywood geradezu, egal wen er spielt.

Ein Rollentausch. Am Ende unterwirft sich Valerie nach einer kurzen Unterredung mit ihrem Vater, einst Lieutenant der Air Force (Sam Shepard), Joes Mission. Nun ziehen sie gemeinsam gegen die Mächtigen ins Feld. Männer sind halt doch mutiger, an ihrer Seite ist auch der Spionin nicht mehr bang. Valeries Zerrissenheit war glaubwürdiger.

Man mag das als Verrat des Films an seiner Protagonistin ansehen, als unlautere Vereinfachung. Aber Mut gehört trotzdem dazu. Mut, den zahlreichen, an der Kasse meist nicht erfolgreichen Irakkriegsfilmen (trotz des Oscars für Kathryn Bigelows „Tödliches Kommando“) einen weiteren folgen zu lassen. Mut, in einem Genrefilm nicht auf den Schauwert von Kampfhandlungen zu setzen, sondern auf die Explosivkraft der Worte. Und den Mut, zwei aufrechten Bürgern den Kinoheldenstatus zu verleihen, weil sie alles riskierten, um die Lügen der Weltmacht Amerika aufzudecken.

Ab Donnerstag in 13 Berliner Kinos. OmU: Kino in der Kulturbrauerei, OV: Cinestar Sony-Center

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