zum Hauptinhalt
Wer ist die Beste? Für ihre Rolle als ehrgeizige Ballerina Nina erhielt Natalie Portman am Sonntag einen Golden Globe als beste Darstellerin. Ninas Tanz ist blutleer, sie soll wilder leben, sagt ihr Choreograf. „Black Swan“ kommt am Donnerstag ins Kino.

© Tw. Century Fox

Ballettfilm: "Black Swan": Genug trainiert

Tanzen oder Leben? Darren Aronofsky setzt in seinem Ballettfilm "Black Swan" weniger auf den Tanz als auf das Schauspiel. So wird Natalie Portman in den Tanzszenen zur Dame ohne Unterleib.

Dass die Perfektion nicht nur mit Kontrolle, sondern auch mit Loslassen zu tun habe, ist eine der weiseren Weisheiten, die in diesem Film ausgesprochen werden. Und vielleicht ja auch eine, die nicht nur fürs Tanzen gilt. Hauptsächlich aber geht es der Tänzerin Nina (Natalie Portman) um die absolute Beherrschung des eigenen Körpers bis in die Spitzen der Extremitäten hinein, denn nur wenn ihr dies gelingt, so denkt sie, kann sie Primaballerina sein und darf im „Schwanensee“ eine Doppelrolle tanzen.

Regisseur Darren Aronofsky hat sich schon in seinem letzten, mit dem Goldenen Löwen von Venedig ausgezeichneten Film „The Wrestler“ (2008) dafür interessiert, was der menschliche Körper an Strapazen aushalten kann. „The Wrestler“ war ein Triumph für Mickey Rourke, der mit seinem vielfach operierten Gesicht und dem zu unnatürlichen Proportionen trainierten Leib die ideale Besetzung für den alternden Show-Wrestler war. Ein raffiniertes doppeltes Spiel: Wie der Wrestler stand auch Rourke am vermeintlichen Ende seiner Karriere und musste überlegen, wie es weitergehen soll.

Fast wirkt „Black Swan“ nun wie ein Prequel zu „The Wrestler“: Seine Protagonistin Nina könnte in einer Zukunft jenseits des Films das gleiche Schicksal ereilen. Und Natalie Portman spielt wie ihre Figur um ihr Leben, am Sonntag erhielt sie einen Golden Globe dafür und gilt als aussichtsreiche Kandidatin für einen Oscar.

Nina, so beginnt es, drangsaliert ihren Körper. Der Zuschauer sieht ihre durchs Training malträtierten Füße und Schultern; ihre Fingernägel hat sie vor Nervosität blutig gebissen: eine vor innerer Anspannung starre junge Frau, die einen schwanenflaumweißen Schal um den Hals trägt, und die, wenn sie vom Training nach Hause kommt, von der ebenso starrsinnigen, ehrgeizigen Mutter (Barbara Hershey) überversorgt wird – um sich anschließend inmitten einer Kompanie von Stofftieren zum Schlafen zu legen.

Dieses Steife, das allein dem Streben nach Perfektion geschuldet ist, bemerkt auch der Ballettdirektor und Choreograf Thomas (Vincent Cassel). Er fordert seine Schülerin auf, loszulassen, zu leben, die versteckten Seiten ihrer Persönlichkeit zutage zu fördern. Und in dem Maße, in dem Nina sich darauf einlässt – ausgerechnet zusammen mit ihrer Rivalin Lily (Mila Kunis), gleitet die Inszenierung ins Horror- und Fantasy-Genre hinüber. Nina halluziniert – und dem Zuschauer drängen sich Erinnerungen an „Der Student von Prag“ über „Der Exorzist“ bis zu „Die Klavierspielerin“ auf – von anderen Ballettfilmen zu schweigen.

„Black Swan“ erfüllt viele Bedingungen des Tanzfilms: Figuren, Handlungsmotive und Dramaturgie entsprechen den Standards, die etwa Michael Powell und Emeric Pressburger mit „Die roten Schuhe“ (1948) setzten und die Robert Altman in seiner großartigen Ballett-Hommage „The Company“ (2003) verfeinerte, einer Mischung aus Dokument und Fiktion. Tanzfilme faszinieren hauptsächlich durch die Darstellung des eigentlichen Balletts, der Proben und mindestens einer Aufführung, die das große Finale bildet. Man muss sich also entscheiden: Entweder man dreht einen Tanzfilm mit Tänzern und nimmt Einbußen beim Schauspiel in Kauf – oder man trifft, wie im Fall von „Black Swan“, die umgekehrte Wahl.

Natalie Portman beherrscht das Portde-bras, die fließenden Bewegungen der Arme, und sie tanzt auch selber im Film, aber eine Tänzerin ist sie nicht. Weshalb die Kamera es vermeidet, ihre Beinarbeit zu zeigen. So bleibt Nina in den Tanzszenen eine Dame ohne Unterleib – was wiederum dem Vorwurf des Ballettmeisters entspricht, sie habe keinen Sex und keinen Sex-Appeal. Zum Ausgleich hat sich Darren Aronofsky andere Attraktionen ausgedacht: gealbträumte und tatsächliche Bedrohungen, Erotik zwischen Frauen, Splatterszenen, Spiegelkabinette, spektakuläre körperliche Symptome. Das ist effektvoll, teils auch überraschend, aber kein Ersatz für den fehlenden Tanz.

Den kann man im Kino zurzeit noch in Frederick Wisemans Dokumentation „La Danse“ in Augenschein nehmen. Und man kann sich freuen auf Wim Wenders’ ersten 3-D-Film „Pina“ über und für Pina Bausch und ihr Tanztheater Wuppertal, der auf der Berlinale seine Premiere feiern wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false