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Kanye West.

© Reuters

Kanye West: "I am god"

Der US-Rapper hält sich für den „größten Künstler aller Zeiten“ und klagt über Schulden. Ein Porträt

Wie muss jemand drauf sein, dass er sich vor 20 000 Leuten im Madison Square Garden auf eine Bühne stellt und nichts weiter tut, als sein Laptop laufen zu lassen? Sicher, Steve Jobs hätte es ebenso gemacht, aber da wäre es immerhin um den Laptop gegangen.

Bei Kanye West drehte sich am vergangenen Donnerstag alles nur um ein neues Album und um die Mode-Kollektion des Rappers. Die Klamotten wurden von reglosen Models in einem Massentableau zur Schau gestellt, das die Performance-Künstlerin Vanessa Beecroft inszeniert hatte. In seiner unerbittlichen Bräsigkeit war das vermutlich der Kim-Jong-un-Moment eines Popstars, der sich für „den größten Künstler aller Zeiten“ hält. Mit dem Unterschied, dass die Sache nicht wie eine Rakete abging.

Seine Paranoia verschmolz mit der Befindlichkeit des Landes

Vielmehr scheint sich hier eine Entwicklung zum Größenwahn allmählich ins Groteske zu wenden. Sie setzte ziemlich genau mit dem Tod von Wests Mutter 2007 ein. Donda West hatte den Jungen alleine groß gezogen, was beide innig verband. Dann starb sie an den Folgen einer Schönheitsoperation, die ihr berühmter Sohn finanziert hatte. Sein Erfolg hat sie umgebracht, so sieht er es.

Bislang ging Kanye Wests Mischung aus großspuriger Arroganz und kindlicher Reizbarkeit immerhin mit phänomenaler Musik einher, die der Hip-Hop-Kultur in ihrer "enthusiastischen Unbeholfenheit" ("New Yorker") eine neue DNA verpasste. Es bedurfte keiner Beats mehr, keiner Melodien, wenn die Synthesizer-Riffs wie unter Isolationsfolter nur verzerrt genug kreischten. Seine Paranoia verschmolz mit der Befindlichkeit des Landes und gipfelte in der Feststellung: „I am a god.“

Das war der Endpunkt der Selbstermächtigung, mit der sich der „Yeezus“ von allen Besserwissern unabhängig gemacht und wohl auch davon erholt hat, vom US-Präsidenten als "Esel" abgekanzelt worden zu sein. Man darf das nicht mit Prahlerei verwechseln. Auch Muhammad Ali spielte damit, dass die Menschen ihn unterschätzten. Dass man ihm nicht zutraute, wahr werden zu lassen, was er so provokant angekündigt hatte, stachelte ihn an und machte aus ihm wirklich „The Greatest“.

Doch jeder, der nach Ali glaubte, dessen Methode auf seine eigene Agenda anwenden zu können, scheiterte kläglich. An diesem Punkt steht Kanye West. Mit seinem schändlichen Twitter-Machtwort "Bill Cosby unschuldig" hat er, ohne dass er über Fakten verfügen kann, eine große Zahl von Frauen verhöhnt, die dem Schauspieler schwerste sexuell Vergehen vorwerfen. Nun platzt er mit der Nachricht heraus, 47 Millionen Euro Schulden zu haben, und bittet potente Geldgeber wie Mark Zuckerberg über Twitter, ihn zu unterstützen. Sein Argument: „Ich bin der Disney dieser Generation.“

Ach, ja, denn ein Videospiel hat er auch noch programmieren lassen, des Titels "Only One". Im Trailer reitet seine verstorbene Mutter auf einem geflügelten weißen Pferd geradewegs in einen glühenden Auferstehungshimmel.

Ist der Appell an ein paar Internetmilliardäre nur eine raffinierte Art von Crowdfunding? Auch West weiß, dass manche Deals tot sind, sobald sie öffentlich diskutiert werden. Man sollte sich ohnehin von ihm fern halten. Sein Hilferuf steht für den Schuldkomplex, der ein Muttersöhnchen in die Superlative treibt.

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