zum Hauptinhalt
Die Junge Sinfonie Berlin.

© Stefan Röhl

Junge Sinfonie Berlin: So klingt angriffslustig

Wüsste man es nicht, man würde es nicht hören, dass hier ein Nachwuchsorchester spielt: Die Junge Sinfonie Berlin mit Mahlers 9. Symphonie.

Dass dies ein bemerkenswerter Abend werden würde, wird schnell klar, schon an den ersten Tönen: ein aus dem Pianissimo heranwehendes Cello, dem eine empfindsame Harfe antwortet, bevor das Wogen der Streicher einsetzt. Die Junge Sinfonie Berlin, ein 1989 gegründetes Nachwuchsorchester, spielt Gustav Mahlers letzte vollendete Symphonie, die neunte. Und wie! Mit untrüglichem Gespür für das Stauchen und Loslassen der musikalischen Energien im Andante comodo, dem ersten Satz, mit prägnanten Soli, die Mahler mit Vorliebe an den Umschlagpunkten der Partitur einsetzt, mit garstig-elefantös entstelltem Ländler und Walzer im zweiten Satz.

Günder und Dirigent Marc Piollet ist eine feldherrenhafte Erscheinung, groß, schlank, bügelbrettgerade, was sich aber hervorragend verträgt mit seiner tänzelnden Gestik. Mit sehr dezidierten, eindeutigen Einsätzen kitzelt er das Beste aus den jungen Musikern heraus. Dass hier ein Nachwuchsorchester spielt, würde man kaum hören, wüsste man es nicht. Von Abstimmungs- oder Intonationsschwächen und anderen Unsicherheiten keine Spur, nie verlieren die Musiker die Myriaden von Fäden, die Mahler auslegt, nie lassen sie sich im Fortissimo zu sehr mitreißen, immer halten sie bis zum Schluss einer Phrase die Spannung.

Schmerzhaft überdehnte Tonalität

Angriffslustig, in zügigem Tempo, so gelingt auch die Rondo-Burleske, ein gewaltiges Tongemälde, in dem Mahler mit schmerzhaft überdehnter Tonalität in die Zukunft blickt und gleichzeitig virtuos barocken Kontrapunkt einsetzt. Dann das fast dreißigminütige Adagio als Weltabschiedsgesang, als Zerfall aller Musik: Hier klingt es, mit markant-schönen Akzenten des Horns, vital und weltzugewandt. Als würde sich jemand entfernen, indem er rückwärts geht und dabei die Zurückbleibenden anlächelt. Was aber zugleich wohl auch einzige Schwachstelle des Abends ist. Noch scheint es den Musikern schwerzufallen, die Gebrochenheit, das Durchscheinende, die Transzendenz dieses Satzes zu empfinden; fast unglaubwürdig optimistisch gerät das Adagio. Bedauerlich auch, dass zu viele Menschen in der Philharmonie nicht mal in den finalen fünf Minuten, in denen sich letzte Gewissheiten verflüchtigen und aller Klang erstirbt, winterliche Huster zurückhalten können und in die Stille tröten. Eine Diesseitigkeit, die aber zu dem eben Gehörten fast schon wieder passt.

Zur Startseite