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Facettenreich. Die Tänzerin Joy Alpuerto Ritter.

© Mike Wolff

Joy Alpuerto Ritter eröffnet Tanztage Berlin: Von Monstern und Masken

Spiel mit verschiedenen Identitäten: Joy Alpuerto Ritter eröffnet Mit „Alter Egos“ die Tanztage Berlin 2018 in den Sophiensälen.

Von Sandra Luzina

Fragt man Joy Alpuerto Ritter, wo sie herkommt, antwortet sie: „Was meinst du damit?“ Bei ihr ist das nämlich ein bisschen komplizierter, fügt die Tänzerin lächelnd hinzu: Geboren wurde sie 1982 in Los Angeles, ihre Eltern stammen aus den Philippinen. Als ihre Mutter in zweiter Ehe einen Deutschen heiratet und nach Freiburg zieht, nimmt sie die vierjährige Tochter mit. Joy Alpuerto Ritter hat immer noch einen amerikanischen Pass, „aber ich fühle mich mehr deutsch“. Versiert in unterschiedlichen Stilen sind heutzutage viele Tänzerinnen, aber so vielseitig wie Joy Alpuerto Ritter ist kaum eine. Sie realisiert kleinere Projekte in der Berliner Tanzszene und tourt durch die Welt mit Produktionen des Londoner Star-Choreografen Akram Kahn und des deutsch-französischen Choreografen-Duos Wang Ramirez. Ihre Wandlungsfähigkeit beweist sie nun im Solo „Alter Egos“, mit dem sie die Tanztage Berlin in den Sophiensälen eröffnet.

Sich zwischen den verschiedenen Kulturen zu bewegen, ist sie von klein auf gewöhnt. Noch bevor sie als Kind mit dem Balletttraining anfing, erlernte sie philippinische Tänze. Ihre Mutter hatte in Freiburg eine Tanzgruppe gegründet. Mit 17 Jahren begann sie eine professionelle Tanzausbildung an der Palucca Schule in Dresden. Andere Ballettschulen hatten sie zuvor abgelehnt, weil sie in den Augen der Lehrer nicht die perfekte Ballettfigur hatte. „Am Ende war ich froh, dass die anderen Schulen mich nicht genommen haben. Da wäre ich nicht glücklich geworden.“ In Dresden lernte sie den modernen Tanz kennen, die Laban- und Graham-Technik. Klassisches Ballett stand aber auch jeden Tag auf dem Stundenplan. Wenn sie sich nach einem kleinen Ausbruch sehnte, ging sie abends zum Tanzen in einen Hip-Hop- Club: „Ich wollte den ganzen Druck und die Anspannung im Körper etwas lockern“, erzählt Ritter.

Als es nach der Ausbildung mit einer Anstellung am Theater nicht klappte, beschloss sie, etwas Neues auszuprobieren. Sie nahm Hip-Hop-Kurse, entdeckte das Voguing für sich – und bewegte sich nun in einer ganz anderen Szene. „Das war schon ein krasser Gegensatz zur akademischen Ballettausbildung, weil man sich im Hip-Hop ganz frei ausdrücken kann. In der Schule wird dir gesagt, was du zu tun hast; hier kommt alles von dir. Dieser Wechsel war nicht einfach, aber sehr befreiend.“

Ritter liebt es, sich zu verwandeln

Nun ging es darum, sich in der männerdominierten Kultur des Hip-Hop Respekt zu verschaffen. Oft war Ritter die einzige Frau im Trainingsraum. „Das störte mich nicht, aber ich war auch froh, wenn andere Mädels da waren“, erzählt sie. Später gründete sie eine rein weibliche Hip- Hop-Crew, mit dabei war auch ihre Freundin Honji Wang, die heute mit ihrer Compagnie Wang Ramirez Erfolge feiert, sowie Georgina Leo Melody, die damals die Crew gegründet hat und heute eine Vogue Pionierin in Deutschland ist.

Ritter ist eine Kämpferin, das spürt man rasch. Und sie sucht sich immer neue Herausforderungen. „Ich mag einfach diese verschiedenen Ausdrucksformen. In jeder Kultur gibt es Regeln, und zu wissen, wie man sie benutzen und in einen anderen Kontext setzen kann, finde ich spannend.“

Zu den beglückendsten Erfahrungen ihrer Laufbahn gehört die Zusammenarbeit mit dem Choreografen Akram Kahn. Bei dem gefeierten Stück „Until the lions“ war sie am kreativen Prozess beteiligt. Akram habe seinen beiden Tänzerinnen bei der Gestaltung der Charaktere viel Freiraum gegeben, erzählt Ritter. Sie hat einen starken Auftritt als Krieger Shikandi, bei dem es sich um die Reinkarnation einer Frau handelt. Gerade dieser Aspekt der Transformation hat sie besonders interessiert, denn sie liebt es, sich zu verwandeln.

Den Kampf mit sich selbst darstellen

Das beweist sie nun auch bei den Tanztagen mit „Alter Egos“. In dem Solo zettelt sie ein Spiel mit unterschiedlichen Identitäten an. „Ich denke oft an Donald Trump“, erzählt sie lachend. „Diese Maske, die er trägt, diese extremen Gesichter!“ Anfangs überlegte sie sogar, mit einer Maske zu arbeiten, doch nun manipuliert sie ihr eigenes Gesicht, wechselt blitzschnell den Ausdruck, zeigt das Antrainierte unseres Verhalten – und auch das, was wir hinter der Maske verbergen. „Die Emotionen, die man verstecken will, die andere Seite, die man nicht kontrollieren kann – diesen Kampf mit sich selbst versuche ich auf spielerische Weise darzustellen.“

Joy Alpuerto Ritter ist eine Künstlerin mit vielen Facetten. Fragt man sie nach ihren Wünschen für das neue Jahr, sagt sie: „Ich würde mich gern als Choreografin etablieren, das ist der nächste Schritt, den ich gehen will.“ Doch sie fügt rasch hinzu: „Aber ich will so lange tanzen, wie es geht!“

Die Tanztage Berlin finden vom 4. bis 14. Januar in den Sophiensälen statt.

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