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Die australische Liedermacherin Jen Cloher.

© Tajette OHalloran

Jen Cloher live in Berlin: Ein Lied von Ruhm und Einsamkeit

Lange stand die australische Liedermacherin Jen Cloher im Schatten ihrer Partnerin Courtney Barnett. Jetzt eröffnete sie ihre erste Europatour in Berlin.

Vor den überdimensionierten Fenstern des Monarch lauert die herbstliche Nacht. Das hereinflackernde Blaulicht zeugt vom Katz- und Mausspiel zwischen Polizei und Dealern am Kottbusser Tor. Drinnen hingegen ist es erdrückend heiß und stickig. Zigarettendunst vernebelt die Sinne. Knapp 100 Menschen schieben sich in der schlauchförmigen Bar zusammen, um einem historischen Ereignis beizuwohnen.

Für die Australierin Jen Cloher ist das Konzert die Premiere auf europäischem Boden, zudem war sie noch nie in Deutschland. Umso erstaunlicher, dass auf einem Schild an der Kasse „Ausverkauft“ zu lesen ist – lange bevor die 44-jährige Musikerin die Bühne betritt. Am Andrang dürfte auch Clohers prominente Partnerin Courtney Barnett nicht ganz unschuldig sein. Sie ist an diesem Abend als Leadgitarristin und Background-Sängerin in der dreiköpfigen Begleitband dabei.

Der Ruhm als harte Probe

Das Paar betreibt in Melbourne seit Jahren das Label „Milk! Records“, auf dem auch Clohers viertes, selbstbetiteltes Werk im August erschienen ist. Doch die Partnerschaft auf Augenhöhe wird 2015 auf eine harte Probe gestellt. In jenem Jahr erlebt Courtney Barnett mit ihrem Album „Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit“ einen kometenhaften Aufstieg.

Während die gefeierte Slackerfrau mit ihrer Band um die Welt tourt, bleibt Cloher für lange Zeit allein. Der Ruhm von Barnett macht ihr schwer zu schaffen, offen spricht sie in ihren Songtexten über neidvolle Gedanken, auch wenn sie ihrer 14 Jahre jüngeren Freundin den Erfolg selbstverständlich gönnt.

Emotionale Tiefe und feministischer Anspruch

Diese Ambivalenz ist der Ausgangspunkt für ihre Arbeit an ihrem aktuellen Album. Schon aus den ersten Zeilen des offenherzigen Eröffnungsstücks „Forgot Myself“ spricht die Wehmut: „You’d been gone so long you could have been dead“. Die emotionale Tiefe trifft bei Cloher auf ein poetisches Auge für die Details des Alltags und ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein. Diese Verschmelzung kommt besonders dann zum Tragen, wenn sie ihre eigene Lebensgeschichte mit gesellschaftlichen Missständen verwebt. In ihrem Lied „Strong Woman“ singt sie über ihr Aufwachsen als lesbische Frau in einer patriarchalen, katholisch geprägten Gesellschaft und stellt ernüchtert fest: „This world it wasn’t made for women.“

Ihre Musik ist eine Mischung aus Shoegaze, Blues und Anleihen des Classic Rocks. Der Gesang der Australierin erinnert an PJ Harvey, zuweilen gar an Patti Smith. Auf der Bühne wirkt das zu Beginn noch etwas steif, die Sängerin ist sichtlich nervös. Doch wie in ihren Texten geht sie auch live offen mit ihrer Unsicherheit um und gewinnt so die Sympathien des Publikums. Mit jedem Song kommen die rhythmusorientierten Gitarrenlicks besser an: Die Beine wollen nicht mehr stillhalten, jeder Zentimeter Tanzfläche ist hart umkämpft. Am Ende folgt frenetischer Jubel. Vielleicht sitzt ja bald schon Courtney Barnett allein zu Hause und trauert Jen Cloher nach.

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