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Ein paar neue Dinge für das Heim. Jasper Morrisons Hocker und Beistelltische aus federleichtem Kork.

© Bauhaus-Archiv

Jasper Morrison im Bauhaus-Archiv: Einfach schön

Britisches Understatement: Das Berliner Bauhaus-Archiv präsentiert die alltagstauglichen Objekte des Designers Jasper Morrison.

Jasper Morrison mag keine Kanten. Das wird klar, sobald man seine aktuelle Ausstellung im Bauhaus-Archiv gesehen hat. Die sanfte Rundung ist ein Markenzeichen seiner Arbeit, die „Thingness“ anschaulich rekapituliert. Seit zwei Jahren tourt die Retrospektive auf ebenso roh belassenen wie zarten Holzgerüsten um die Welt, mit Stationen in der Schweiz, Belgien und nun Berlin. Ihr Titel ist ein hübsches Wortspiel: Es geht um die Präsenz der Dinge, um Gedanken zur Gestaltung, um die Schönheit im everyday life. Wobei Morrison auch mit diesem Begriff seine Schwierigkeiten hat. Schön zu sein, das bedeutet für ihn, dass sich ein Gegenstand optisch in den Vordergrund zu spielen droht. Und Spektakuläres mag der britische Designer überhaupt nicht.

Morrison entwirft seit den achtziger Jahren, er gilt als einer der wichtigsten Protagonisten seiner Zunft, der mit namhaften Unternehmen kooperiert. Museen wie das Londoner Victoria and Albert Museum oder das Museum of Modern Art in New York haben seine Objekte in ihre Sammlungen aufgenommen. Im Portfolio des Designers – das Wort mag er ebenfalls nicht, denn mit Design verbindet Morrison die Idee möglichst verrückter Entwürfe, die auffallen wollen – sind Tische und Stühle, Toaster und eine Straßenbahn für Hannover, Telefone und Bushaltestellen.

„Atmosphäre entsteht aus der Harmonie der Objekte“

Sein Studio ist bis heute in London. Hier erlaubt er sich im eigenen Showroom ein Experiment und kombiniert Gegenstände aus dem Atelier mit anonymen Produkten, die seiner Ansicht nach ebenfalls tadellos gestaltet sind. Fans von Morrison erkennen seine Entwürfe dennoch sofort: die „Cork Family“, Hocker und Beistelltische aus federleichtem Kork, den leuchtenden „Glo Ball“ oder den „Low Pad“-Sessel, der in der Ausstellung mit einem giftgrünen Stoff bezogen ist. Es geht also doch auffälliger – dafür fällt der Rest des schmalen Sessels so zurückhaltend aus, das er sich nahezu überall fließend integriert.

Für andere Gestalter wäre dies ein Albtraum, für Morrison ist der leise Auftritt ein Beispiel gelungener Funktion. „Atmosphäre entsteht ja aus der Harmonie der Objekte“, lautet sein Credo. Ästhetisch sieht er sich in den achtziger Jahren sozialisiert, als mit der Memphis-Bewegung alle bis dahin gültigen Regeln über Bord geworfen wurden. Er selbst war von ihren postmodernen, bunt gemusterten Möbeln fasziniert und gleichzeitig abgestoßen. Heute erkennt der vielfach ausgezeichnete Designer in der Überwindung der Funktionalität von damals die Wurzeln jener superauffälligen Produkte, von denen wir geradezu überschwemmt werden. Kurzlebig, modisch, ersetzbar: Overkill selbst für eine Konsumgesellschaft.

Nachhaltig. Morrison hält nichts von der Wegwerfmentalität.
Nachhaltig. Morrison hält nichts von der Wegwerfmentalität.

© Bauhaus-Archiv

Schon 1988 entschloss sich Morrison für eine andere Strategie und propagierte „some new items for the home“. Ein Interieur mit wenigen Möbeln aus Holz. „Das war in dieser radikalen Normalität auch eine Provokation“, erinnerte er sich jüngst in einem Interview. Tisch, Stuhl, Garderobe, Regal und die Frage, „wie die Objekte mit dem Raum interagieren“. Dieses Minimalkonzept war Kern seiner Inspiration und ist es bis in die Gegenwart geblieben. Viel mehr als die Grundkomponenten zum Stehen, Sitzen oder Liegen braucht es Morrison zufolge auch nicht. Vielleicht noch einen Wasserkocher, wie er ihn vor knapp 15 Jahren für Rowenta entworfen hat. Und ein schnurloses Telefon aus dem Programm der Schweizer Firma Punkt.

Töpfe neben Schuhen, Geschirr neben großen Möbeln

Beides ist in der Ausstellung vertreten und beugt einem Missverständnis vor: Jasper Morrison ist, bei aller Reduktion, kein weltferner Asket. Er gestaltet technisches Equipment ebenso wie Etageren, die man zum Leben wirklich nicht braucht. Sein „Rotary Tray“ von 2014 bezieht die Form allerdings aus der Nutzbarkeit. Dass die zwei miteinander verbundenen schwenkbaren Schalen darüber hinaus gut aussehen, versteht sich von selbst. Die Objekte schreien ihre Herkunft aus dem Atelier eines der weltbesten Designer zwar nicht hinaus. Dennoch haben sie eine charakteristische Handschrift, die sie überall sofort wiedererkennbar macht. Einfach heißt nicht automatisch schmucklos. Morrison gestaltet eher fein, fließend und im Detail aufwendig. Seine Zusammenarbeit mit dem japanischen Industriedesigner Naoto Fukasawa legt nahe, dass er nicht zuletzt von fernöstlicher Ästhetik beeinflusst ist.

Ein Stuhl aus der „Low Pad“-Serie.
Ein Stuhl aus der „Low Pad“-Serie.

© Bauhaus Archiv

„Thingness“ reiht die wichtigsten Produkte und Projekte des 1959 Geborenen chronologisch auf. Ohne jede Hierarchie liegen sie auf jener Bühne, die man einmal abschreitet. Töpfe stehen neben Schuhen, Geschirr liegt neben dem Tisch oder anderen größeren Möbeln, ganz große Objekte wie die Tram sind fotografisch präsent. Zeichnungen und und Kopien aus dem Archiv ergänzen das Defilee der Produkte.

Ecology Award für seine langlebigen Objekte

„Supernormal“ nennt Morrison seine Entwürfe und treibt schon wieder ein doppeltes Spiel. „Super“ geht über die Normalität hinaus und kreiert eine Art Metaform, die das Grundsätzliche reflektiert. „Normal“, das waren für den Designer während eines Studienaufenthalts in den Achtzigern jene Berliner Läden, die Waren für den täglichen Gebrauch in ihren Schaufenstern reihten. Eine charmante Art der Präsentation, die heute kaum noch zu finden ist. Damals hat sie ihn tief beeindruckt und geprägt.

Dass Morrison jenen Dingen eine Bühne gibt, die Menschen jeden Tag brauchen und die nützlich sind, hat nicht zuletzt mit seiner Zeit in Berlin zu tun. „Design sollte eine Alltäglichkeit sein“, eine innere Notwendigkeit der Hardware, mit der wir uns umgeben. Was wir mögen, folgert der umtriebige Designer, wollen wir behalten. Den Ecology Award hat er wohl auch deshalb bekommen, weil seine Objekte langlebig sein wollen und keine Wegwerfprodukte. Es mag in jüngster Zeit mit Trends wie downsizing wieder Thema sein, wird von Jasper Morrison jedoch hingebungsvoll seit Jahrzehnten propagiert. Dass einer keine Kanten mag, heißt nicht, dass er keine hat.

Bauhaus-Archiv Berlin, Museum für Gestaltung, Klingelhöferstr. 14, bis 23.10., Mi–Mo 10–17 Uhr

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