zum Hauptinhalt
Sichtbar gerührt. Der US-amerikanische Dirigent James Levine zu Gast in Berlin.

© Thomas Bartilla

James Levine dirigiert die Staatskapelle: Mit der Faust

James Levine wurde als Musikchef der New Yorker Met zur Legende. In der Berliner Philharmonie lässt er die Staatskapelle Mahlers 3. spielen.

Er hat es tatsächlich geschafft, sich wieder ans Pult zurückzukämpfen, allen Gebrechen zum Trotz. James Levine ist durch seine fast ein halbes Jahrhundert andauernde, stilprägende Arbeit an der Metropolitan Opera in New York zur Legende geworden. Lange musste er sein Amt als Musikchef ruhen lassen, dann kehrte er zurück, inzwischen als Emeritus – im Spezialrollstuhl, per Hubpodium. Dass er nun in der Philharmonie vorsichtig eine Rampe hochfährt, um die Staatskapelle Berlin zu dirigieren, verdankt sich dem tiefen Respekt, den Daniel Barenboim für Levine empfindet. Viele Sommer verbrachten sie zusammen in Bayreuth, wo jeder die Proben des anderen besuchte. Barenboim, der Universalkünstler, und Levine, der Operndirigent par excellence mit über 2 500 Aufführungen alleine an der Met.

Sichtbar gerührt nimmt Levine den Applaus entgegen, bevor er sich den Taktstock in die Faust klemmt und ausholt, dass sein Rollstuhl zu wippen beginnt. Dieser einstmals so virile Maestro, der öffentlich Frotteehandtücher durchschwitzte, ringt nun seiner Parkinson-Erkrankung jede einzelne Geste ab. Es werden derer viele von ihm erwartet, denn Gustav Mahlers 3. Symphonie schwingt gewaltig aus. Ein sehr langer Abend beginnt, Levine verlängert zudem die von Mahler geforderte Zäsur nach dem ersten Satz zu einer ausgewachsenen Pause, wohl um seine Kräfte zu schonen. Und auch sonst geht es langsam voran, als müsse jede Wegstation einzeln passiert werden, ohne dass sich Bilder überlagern, ineinanderschieben, verzahnen können.

Der letzte Satz klingt nach Abschied

Die größte und schönste Überraschung gelingt Levine, als er die Lautstärke absenkt, im archaischen ersten Satz einen ungemein kultivierten Ton anschlägt, für kurze Zeit in ein „parlando“ gerät, das noch den großen Operndirigenten erahnen lässt (wie ja auch Mahler einer war). Doch diesem lichten Augenblick steht viel wenig belebte Klangmaterie gegenüber. Die Staatskapelle mit ihrem hingebungsvollen Konzertmeister Wolfram Brandl strengt sich an, um aufreißende Lücken zu schließen. Doch anders als an der Met kann Levine nicht darauf vertrauen, dass die Musikerinnen und Musiker intuitiv wissen, welcher Klang seinen Vorstellungen nahekommt. Der letzte Satz klingt nach Abschied, nach Mahlers Neunter, nur mühevoller. Ungewiss, ob wir Levine in Berlin noch einmal wiederhören.

Zur Startseite