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Chefarchäologie Khaled Asaad vor einem antiken Sarkophag aus Palmyra.

© Gamma-Rapho via Getty Images

IS köpft Archäologen Khaled Asaad: Der Hüter von Palmyra

Khaled Asaad, lange Jahre Direktor der Antikenverwaltung in der syrischen Wüste, wurde vom "Islamischen Staat" brutal ermordet, weil er seine Stadt nicht im Stich lassen wollte und ihre Schätze nicht preisgab.

Im Mai, nach der Einnahme von Palmyra, richteten IS-Terroristen Angehörige der syrischen Armee mit Kopfschuss hin. Die Kriegsgefangenen wurden auf die Bühne des antiken Theaters geführt und von Jugendlichen ermordet. Auf den Rängen des kleinen Amphitheaters saßen Zuschauer, die ihr Gesicht verbargen, und andere, die mit der schwarzen IS-Fahne wedelten. Ein Video mit diesen Szenen tauchte im Netz auf, es wurde von westlichen Experten als echt eingestuft.

Nun haben die IS-Leute in Palmyra eine weitere grausame Tat begangen, die sogleich ein weltweites Echo fand. Sie enthaupteten den Archäologen Khaled Asaad auf dem Platz vor dem Museum, vor Zuschauern. Das Opfer war 82 Jahre alt. Khaled Asaad galt in der syrischen Wüstenstadt mit den berühmten Altertümern als gelehrte Eminenz. Von 1963 bis 2003 war er Direktor der antiken Stätten von Palmyra und Leiter des Museums.

Maamoun Abdulkarim, Chef der Antiken- und Museumsbehörde in Damaskus, war von Asaads Familie über die unaussprechlichen Vorgänge informiert worden. Wie verstörend wirkungsvoll die IS-Horrorpropaganda funktioniert, lässt sich an Details erkennen. In einigen Berichten heißt es, Asaads Leiche sei an einer römischen Säule aufgehängt worden. Nach anderen Berichten hätten die Mörder ihn auf einer Verkehrsinsel zur Schau gestellt. Öffentlich demonstrierte Brutalität zählt zu den Waffen des IS. Sie richtet sich nach innen – und an das Ausland.

Warum es den alten Mann traf, einen Pensionär, darüber kann man nur spekulieren. Vor vier Wochen ist er verhaftet worden. Der IS wollte von ihm Auskunft erzwingen über angebliche Goldschätze und den Verbleib antiker Skulpturen. Diese sind rechtzeitig vor dem Eintreffen des IS in Richtung Damaskus gebracht und versteckt worden.

„Götzenbilder“ sollten zerstört oder verkauft werden

Nach der primitiven Koran-Auslegung des IS handelt es sich um „Götzenbilder“, die zerstört werden müssen. Oder verscherbelt: Mit Antiken macht der IS auch Geld auf dem illegalen Kunstmarkt. Es heißt, Asaad sei viele Jahre ein Repräsentant des Assad-Regimes gewesen. Und er sei einmal im Iran gewesen, im Land des schiitischen Todfeinds, und habe mit „Ungläubigen“ konferiert.

Das Drama zeigt, wie schwer Vorgänge in Syrien einzuschätzen sind. Unstrittig sind Khaled Asaads Verdienste um Palmyra. Er arbeitete mit polnischen, japanischen und deutsch-österreichischen Grabungsteams zusammen. In den Sechzigerjahren war die große Marktstraße von Palmyra freigelegt worden, mit all ihren historischen Schichten, die von vorrömischer Zeit bis in die islamische Phase reichen. Asaad kannte sich auch auf diesem Gebiet gut aus, arbeitete über frühislamische Kunst und die berühmten Wüstenschlösser in der Nähe Palmyras.

Der IS hat Palmyra bisher verschont

Die Hauptstraße mit ihren Kolonnaden: Das ist das Bild, das die Welt von Palmyra hat. Es ist ein majestätisches Bild von großer Schönheit. Der IS hat die Ruinenstätten bisher verschont, nicht aber die Menschen der Stadt, die sich heute Tadmur nennt. Es heißt allerdings auch, die Ruinenfelder seien vermint, für den Fall, dass Assad-Truppen auf Palmyra vorrücken. Im Mai waren sie geflohen.

„Palmyra ist ein besonderer Ort. Hier haben sich in der Antike iranisch-irakisch-syrische Welten getroffen. Es war Teil des Römischen Reichs und ist Teil unserer Geschichte. Der IS errichtet kein neues Reich, er verwandelt Syrien in eine leere Wüste, menschlich, intellektuell, kulturell. Da ist nichts mehr“, sagt Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Weber schätzt die jahrzehntelange Arbeit Khaled Asaads in Palmyra hoch ein – unter den nicht einfachen Umständen, die in Syrien schon immer herrschten.

Vor dem Bürgerkrieg gab es in Palmyra einen bescheidenen Tourismus. Die Stadt war allerdings nicht nur wegen der neben Baalbek großartigsten römischen Antiken des Orients bekannt. Es gab dort eines der schrecklichsten Gefängnisse des Assad-Regimes, unweit der herrlichen Ruinenwelt, die Khaled Asaad bei den internationalen Kollegen viel Prestige brachte.

Asaad: "Ich bin aus Palmyra und ich bleibe hier"

Hafiz al Assad schwang sich 1970 zum Diktator Syriens auf. Sein Sohn, der jetzige Präsident Baschar al Assad, dessen Macht immer mehr schwindet, wurde 1965 geboren. Das beschreibt den historisch zu nennenden Zeitraum, in dem der ermordete Khaled Asaad in Palmyra über die Altertümer wachte – seit 1963. In Damaskus sagte Maamoun Abdulkarim, Khaled Asaad habe sich in großartiger Weise aktiv an der Rettung von 400 antiken Artefakten beteiligt. Er habe ihn mehrmals aufgefordert, Palmyra zu verlassen. Ich bin aus Palmyra und ich bleibe hier, habe er gesagt, und wenn sie mich umbringen. So berichtet „France Info“. Dort wird er als der „Hüter Palmyras“ gefeiert. Dass die Stadt im Bewusstsein der Welt eine so große Bedeutung hat, ist auch Khaled Asaad zu verdanken. Die IS-Männer haben ihn ermordet, weil er seine Stadt nicht im Stich lassen wollte und ihre Schätze nicht preisgab.

Der Archäologe Khalil Hariri, Asaads Schwiegersohn, erklärte AP zufolge in Homs, der IS wolle mit dieser „systematischen Kampagne“ Syrien in die Steinzeit zurückversetzen. Doch das werde nicht gelingen. Asaad hinterlässt sechs Söhne und fünf Töchter.

Hariri ist mit der Tochter verheiratet, die Zenobia heißt. Zenobia war Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. die Herrscherin von Palmyra. Sie legte sich mit den Römern an und rief ein unabhängiges Reich aus. Um ihre Biografie ranken sich Legenden und Horrorgeschichten. Wie und wo sie starb, ist unklar.

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