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Langzeitbuddies. Bernd Kurtzke, Peter Baumann, Arnim Teutoburg-Weiß, Torsten Scholz und Thomas Götz (v.l.)

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Interview mit den Beatsteaks: „Wir wollten durchknallen“

Die Beatsteaks spielen Rock, unpoliert: Sänger Arnim Teutoburg-Weiß und Gitarrist Peter Baumann über Ostsprache, Rückenschmerzen und das neue Album der Berliner Band.

Herr Baumann, Herr Teutoburg-Weiss, Sie haben das neue Album der Beatsteaks nach Ihrer Band benannt. Das macht man ja sonst eher beim ersten und nicht beim siebten Album. Wie kam’s?
TEUTOBURG-WEISS: Wir sind Spätzünder.
BAUMANN: Hätte ich jetzt auch gesagt (lacht).
TEUTOBURG-WEISS: Wir haben das Album für unsere Verhältnisse sehr schnell aufgenommen – in 20 Tagen. Als dann die Namensfindung anstand, ist uns nichts Cooles eingefallen. „Thriller“ war schon weg und „Nevermind“ war uns zu heiß, da haben wir es „Beatsteaks“ genannt.

Produzent war wieder Moses Schneider?
TEUTOBURG-WEISS: Ja, letztes Jahr im Juni ging’s los. Wir haben ein halbes Jahr geschrieben und Moses dann 17 Demo- Titel vorgespielt. Er hat elf ausgesucht und meinte, lass uns mal ins Studio gehen. Die Laune war extrem gut.

Es ist das erste Album nach dem Unfall von Drummer Thomas Götz, der 2012 einen Schädelbasisbruch erlitt. Inwiefern hat die schwere Zeit, durch die er und die Band gegangen sind, die Platte beeinflusst?
TEUTOBURG-WEISS: Es macht alles klarer, wenn man so knapp vorbeischrammt.
BAUMANN: Es wird deutlich, dass alles zeitlich begrenzt ist, dass jederzeit etwas passieren kann. Deshalb versucht man, den Moment zu nutzen und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.

Das Album beginnt mit drei schnellen, knalligen Stücken, die alle weniger als drei Minuten lang sind. Das wirkt sehr programmatisch.
TEUTOBURG-WEISS: Unsere Alben sind immer eine Reaktion auf das Album davor. „Boombox“ war sehr durchdacht, sehr produziert. Diesmal wollten wir mehr aus dem Bauch heraus agieren und so schnell wie möglich auf „Record“ drücken. Ich höre Fehler, die wir vor vier Jahren weggeschminkt hätten. Einmal eiere ich mit der Gitarre ziemlich rum, aber die anderen meinten: Das lassen wir jetzt so.
BAUMANN: Oft nehmen wir ein Lied auf und verbessern es so lange, bis der Zauber weg ist. Dieses Mal haben wir gesagt: Egal, wenn es mal klappert, wir wollen den Schwung und das Freie behalten.
TEUTOBURG-WEISS: Heute kann man mit Computern ja alles gerade ziehen. Wir wollten aber ein bisschen durchknallen und so ungehobelt klingen, wie die Band auf dem Cover aussieht.

Fünf Männer in historischen Badeanzügen sitzen auf einem Steg. Einer hat einen Baseballschläger ...
TEUTOBURG-WEISS: ... einer schaut in die Zukunft, einer guckt ganz entspannt. Man kann gut die verschiedenen Stimmungen der Platte ablesen.

Und spürt eine gewisse Ausgelassenheit.
TEUTOBURG-WEISS: Die Band ist ja auch ein super Spielplatz für Väter. Wir führen ganz normale Familienleben, aber bei den Beatsteaks können wir Quatsch machen. Es ist wie ein Ventil. Man muss nicht über alles ewig nachdenken. Eine Band soll Musik machen oder ein Bier trinken gehen, aber nicht ewig reden.

Wenn Sie einen stressigen Tag mit Ihrer kleinen Tochter hatten, gehen Sie in den Proberaum, und dann ...
TEUTOBURG-WEISS: ... kommt dabei so ein Lied wie „Wicked Witch“ raus (lacht). Nein, damit ist natürlich nicht meine Tochter gemeint. Wir übertreiben in den Texten, die sind nicht autobiografisch. Ich bin ja nicht Bob Dylan.

Oft weiß man bei Ihren Texten gar nicht so richtig worum es geht. Wovon handelt etwa die Single „Gentleman Of The Year“?
TEUTOBURG-WEISS: Da geht es um mehrere Gentlemen und um ein Mädchen, aber mehr wird nicht verraten. Ich wollte, dass der Text etwas Skurriles hat, um ein Gegengewicht zur Poppigkeit der Musik zu setzen. Einen Lovesong-Text hätte ich da nicht drübersingen können.

Es gibt einen Chor und Glockenspiel. Da müssen einige Fans sicher schlucken.
TEUTOBURG-WEISS: Das sind wir ja gewohnt. Es gefällt mir auch, wenn die Leute sagen: Was soll das denn jetzt? Dann machen wir alles richtig. Wir sind gerne ein bisschen schräg.

Queens Of the Stone Age haben ihre Spuren hinterlassen

Langzeitbuddies. Bernd Kurtzke, Peter Baumann, Arnim Teutoburg-Weiß, Torsten Scholz und Thomas Götz (v.l.)
Langzeitbuddies. Bernd Kurtzke, Peter Baumann, Arnim Teutoburg-Weiß, Torsten Scholz und Thomas Götz (v.l.)

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Der Song „Creep Magnet“ beginnt mit einem Tagebuchzitat, in dem es heißt: „Ich mache beim Electric Boogie erhebliche Fortschritte“. Wer liest das vor?
TEUTOBURG-WEISS: Das ist ein Sample aus der Dokumentation „Here We Come“ über die Breakdance-Kultur in der DDR. Und da gibt es einen süßen Breakdancer aus Leipzig, der diesen tollen Satz sagt. Hat bei uns Ost-Heinis voll eingeschlagen.
BAUMANN: Diese Ostsprache ist uns sehr vertraut. Leider stirbt sie aus. Deshalb wollten wir das irgendwo festhalten.
TEUTOBURG-WEISS: Da steckt keine Message dahinter. Aber wir müssen grinsen. Außerdem passte das gut vor den Beat von „Creep Magnet“.

Und was ist ein „Creep Magnet“, so heißt ja auch Ihre Tournee?
TEUTOBURG-WEISS: Das Wort habe ich in einem Film aufgeschnappt. Es bezeichnet Frauen, die auf Partys immer nur die schrägen Typen anziehen. Davon habe ich ein paar im Freundeskreis und denke oft: Was suchst du dir bloß immer für Typen aus?

Ist das Lied als Warnung für diese Frauen gedacht?
BAUMANN: Ja, schon.
TEUTOBURG-WEISS: Ja, denn hinterher, wenn es wieder nicht geklappt hat, beschweren sie sich natürlich. Sie sollten lieber mal mit dem Typen mitgehen, der rüberschaut, aber sich nicht traut, sie anzusprechen, statt mit dem, der sie die ganze Zeit volllabert.

Hoffentlich verstehen die Damen das.
BAUMANN: Das ist einer unserer eindeutigsten Texte!

Der Song „Up On The Roof“ erinnert ziemlich an die Queens Of The Stone Age. Gibt es da einen Einfluss?
TEUTOBURG-WEISS: Wenn man in einer Rockband spielt, ist es relativ wahrscheinlich, dass man Queens Of The Stone Age mag. Die haben Spuren hinterlassen. Und bei dem Stück war es in der Tat so, dass ich beim Aufnehmen des Demos dachte, dass die anderen sicher sofort sagen: Ah, Queens Of The Stone Age, und das wegschießen. Aber sie waren begeistert.
BAUMANN: Das war so schön simpel. Wir wollten es genau so lassen und nicht noch 20 Gitarrenspuren dazuknallen.
TEUTOBURG-WEISS: Es ist aber das einzige Stück der Platte, das auf einen Einfluss verweist.
BAUMANN: Mich erinnert „Creep Magnet“ an die frühen Stones. Das Allein-auf- weiter-Flur-Riff klingt irgendwie alt.

Die Rockmusik scheint in einer Krise zu stecken, sieht man von Ausnahmen wie den Black Keys ab. Nach dem letzten großen Gitarrenband-Revival vor zehn Jahren mit Franz Ferdinand, The Strokes oder Bloc Party ist nicht viel nachgekommen.
TEUTOBURG-WEISS: Damals hatten ja auch wir unseren Durchbruch und die größte Band der Welt waren die Strokes. Da hat sogar RTL2 drüber berichtet. Aber das bleibt eben nicht ewig so. Junge Leute sagen heute: Ach nee, das hört meine Mutter. Für die ist jemand wie Skrillex spannender. Aber da kommt auch wieder eine andere Welle. Ich glaube, wir haben eine ganz geile Rock-Platte gemacht. Die ist nicht glatt. Anders als die vielen Alben, die so tun, als sei das Rock, bei denen aber alles im Sitzen eingespielt ist. Da schwitzt gar keiner.

Sie schwitzen ja vor allem bei Ihren Konzerten extrem viel. Herr Teutoburg-Weiss, Sie sind gerade 40 geworden. Knirscht es da ab und zu schon ein bisschen?
TEUTOBURG-WEISS: Ja, beim Training für die anstehende Tour merke ich das jeden Tag. Bei der Probe ist es schon manchmal wie im Lazarett Beatsteaks. Da heißt es dann: Oh, der Rücken tut mir weh, oder ah, diese Knieschmerzen.
BAUMANN: (lacht) Man fragt die anderen: Was nimmst du dagegen, was gibt es dafür?
TEUTOBURG-WEISS: Aber wir sind immer noch gut unterwegs. Zwar nicht mehr mittendrin, aber ungefähr in der 60. Minute, wir führen 2:1 und ziehen jetzt durch.

Wenn Sie an die Beatsteaks aus der Zeit Ihres Debütalbums denken und an die Beatsteaks von heute: Würden die sich verstehen?
TEUTOBURG-WEISS: Die würden sich jeweils total toll finden.
BAUMANN: Auf jeden Fall. Es hat sich einerseits viel verändert bei uns, andererseits auf komische Weise gar nichts. Der Ansatz blieb gleich. Man hofft fast, dass es nicht rauskommt. Alles beginnt mit Luft. Aus einer Laune heraus entstehen Lieder. Und nur weil wir mal loslassen, kaufen später Leute Tickets für eine Tour. Das ist immer noch faszinierend.

Das Gespräch führte Nadine Lange.

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