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Er hat überlebt – Odesson Alves Ferreira wurde durch das hochradioaktive Cäsium-137 stark verstrahlt.

© Norbert Suchanek

Internationales Uranium Festival: Die unsichtbare Gefahr

Am Mittwoch startet in der Kulturbrauerei das Internationale Uranium Film Festival. Gründer Norbert G. Suchanek über Atomkraft, den verheerenden Uranbergbau und Hoffnungen auf einen Wandel.

Herr Suchanek, warum haben Sie das Uranium Film Festival gegründet?

Angefangen hat es mit einem Film, den meine Frau und ich 2006 über die Guarani-Indianer in Brasilien gemacht haben. Auf deren Gebiet standen damals schon zwei Atomkraftwerke. 2010 wurde der Bau eines dritten Atomkraftwerks und von bis zu 40 anderen angekündigt. Und der GAU in Tschernobyl war vergessen. Da wollten wir etwas dagegen setzen. Die Idee für das Festival hatte ich bei einem internationalen Treffen der indigenen Völker, die vom Uranbergbau betroffen sind, dem Indigenous World Uranium Summit. Dort wurden mehrere Filme über den Uranbergbau gezeigt. Das waren wunderbare Filme, die man niemals im Fernsehen sehen konnte. Die wollten wir ins Kino bringen.

Was ist das Ziel des Festivals?

Es geht darum, Aufmerksamkeit schaffen, das Thema unter die Leute zu bringen und zu zeigen, dass Atomkraft mit Uran zusammenhängt. Die meisten Menschen in Brasilien oder in Deutschland wissen ja nicht, dass der Kernbrennstoff Uran ist und dass man den irgendwo abbauen muss. Wir in Deutschland müssen den aus Australien holen oder aus Namibia, ein Teil kommt auch aus Kanada. Inzwischen hat sich das Festival aber erweitert auf alle Gefahren der Atomkraft, auf den gesamten Komplex vom Uranbergbau bis zum nuklearen Grab, dem Endlager.

Was ist das Problem beim Uranbergbau?

Dabei werden riesige Flächen radioaktiv verseucht. Und bei der ersten Aufbereitungsstufe des Urans zum sogenannten Yellow Cake verbraucht man unheimliche Mengen von Wasser. Das ist vor allem in Ländern wie Namibia ein Problem, weil das Land an Wasserknappheit leidet. Eine Mine dort verbraucht mehr Wasser als eine ganze Stadt. Das große Problem von Uranbergbau, Kernkraft und Endlagern ist außerdem, dass der Stoff unsichtbar ist. Strahlung kann man nicht sehen, sie hat keinen Geruch und keinen Geschmack. Wenn man hier eine Kiste Atommüll hinstellen würde, würden wir es nicht merken. Erst morgen wären wir dann tot oder schwer strahlenkrank.

Um so einen Fall geht es in drei Filmen beim diesjährigen Festival. Thema ist der größte Strahlenunfall in Lateinamerika, der sich vor genau 30 Jahren ereignet hat. Was ist damals passiert?

In der Stadt Goiânia wurde ein Krebskrankenhaus verlagert und das alte Gebäude abgerissen. Nur ein Raum mit einem Strahlenbehandlungsgerät blieb erhalten. Über zwei Jahre lang haben dort Obdachlose gewohnt und direkt neben dem Gerät geschlafen. 1987 dann fanden zwei junge Arbeitslose das Gerät und haben es zu einem Schrotthändler gebracht, um es zu Geld zu machen. Das war mitten in einer Stadt mit einer Million Einwohnern. Das Gerät wurde aufgebrochen und radioaktives Cäsium wurde freigesetzt. Hunderte von Menschen wurden verstrahlt.

Der Film „Balkan Cancer“ beschäftigt sich mit der Nutzung von Atommüll in Munition. Worum geht es da?

In der Natur kommt Uran in einer Mischform vor: Als Uran 235, das man für die Atomkraftwerke braucht, und als Uran 238. Uran 235 ist hoch radioaktiv und muss in einem chemischen Prozess konzentriert werden. 238 ist schwach radioaktiv und der Abfallstoff dieses Prozesses. Aber Uran 238 selbst ist auch ein Gift und Schwermetall. Und diesen Abfallstoff der Konzentration verwenden die USA und mehrere weitere Länder in Uranmunition. Wegen der hohen Dichte des Urans haben die Geschosse eine hohe Durchschlagskraft und werden gegen Panzer und Bunker eingesetzt. Im Irak und im Balkan wurden Tausende Tonnen verwendet. Man macht das auch deshalb, weil man den Stoff ja sonst irgendwo deponieren müsste. So kann man ihn verschießen. Diese ganze Bandbreite wollen wir mit dem Festival zeigen.

Wie hat sich das Festival im Lauf der Zeit verändert?

Das Festival wächst ständig. Schon nach dem ersten Mal in Rio haben wir die Einladungen nach Indien und in die USA bekommen. Berlin war dann auch sofort dabei. Mit mehr Sponsoren könnten wir das Festival in jeder Hauptstadt des Planeten machen. Nächstes Jahr sollen wir nach Schottland kommen – als Teil der schottischen Bewegung gegen England. Sie haben dort zwei Atomkraftwerke, die von der Regierung in London gebaut wurden.

"Ich hoffe, dass es nicht zu einem Dritten Weltkrieg kommt"

Norbert G. Suchanek lebt als Journalist in Brasilien und schreibt über Umwelt und indigene Völker.
Norbert G. Suchanek lebt als Journalist in Brasilien und schreibt über Umwelt und indigene Völker.

© Susanne Ehlerding

Die thematische Nische ist auf Dauer also nicht zu klein?

Die Nische ist sehr groß. Wir bekommen jedes Jahr rund 70 neue Filme. Ich hoffe, dass irgendwann ein Film über die Bestrahlung von Lebensmitteln kommt. Das ist auch ein Thema, das uns alle angeht. Hier in Deutschland ist bloß die Bestrahlung von Gewürzen erlaubt, in Brasilien darf man vom Hähnchenschlegel bis zur Kokosnuss alles bestrahlen.

Dann halten sich die Lebensmittel länger.

Das ist die Frage. Optisch ja. Aber sind das noch die Lebensmittel, die wir wollen?

Die Angst vor einem Dritten Weltkrieg und einem vernichtenden Atomschlag spielt nach dem Ende des Kalten Kriegs keine große Rolle mehr. Wie ist das in den Filmen?

Es spielt schon noch eine Rolle. Vor allem in Hiroshima und Nagasaki. Bis heute wachsen neue Generationen heran, die Opfer des Abwurfs der Atombomben auf diese beiden Orte sind. Wie wissen bisher nicht, wie weit die genetischen Schäden gehen, ob in die vierte, fünfte oder sechste Generation. Beim diesjährigen Festival erzählt der Monumentalfilm „All that remains“ die Geschichte des Samurais und Arztes Takashi Nagai, der sich für die Opfer der Atombombe einsetzte. Das ist eine der deutschen Premieren im Festival.

Wie beunruhigt sind Sie über den Konflikt zwischen Nordkorea und den USA?

Ich hoffe, dass es nicht zu einem Dritten Weltkrieg kommt – aber es ist das Thema! 1983 wurde der Dritte Weltkrieg von Stanislaw Petrow verhindert, einem sowjetischen Offizier, der den roten Knopf in der Hand hatte. Als der Computer damals gesagt hat, die Amerikaner greifen euch an, hätte er den Knopf drücken müssen. Das hat er nicht gemacht. Leider ist Stanislaw Petrow vor ein paar Wochen verstorben. Vergangenes Jahr hat der Film über ihn noch einen Preis bekommen. Ich wünsche mir, dass wir einen neuen Petrow bekämen, der im Ernstfall den Krieg zwischen Nordkorea und den USA verhindert.

Die Elektrizitätswerke Schönau sponsern die deutsche Ausgabe des Festivals. Schönauer Bürger haben nach Tschernobyl ihr Stromnetz gekauft und vertreiben jetzt bundesweit Ökostrom. Ein Zeichen für das Ende des Atomzeitalters?

Ja, ganz sicher. Die erste Regel ist aber, Energie einzusparen. Den Rest, den wir dann noch brauchen, kann man mit Sonne, Wind und kleinen Wasserkraftwerken erzeugen. Nicht mit Großwasserkraftwerken. Das ist weltweit ein Riesenproblem. Sie sind auf keinen Fall die Lösung. In Brasilien erzeugen sie nur Katastrophen für die lokale Bevölkerung und extreme ökologische Veränderungen.

Manche Forscher sagen, wir bräuchten die Atomkraft, um den Klimawandel zu verhindern.

Diesen Menschen rate ich immer: Kommt zu unserem Festival und schaut euch die Filme über den Uranbergbau an. Die meisten Energieexperten, die pro Atomkraft sprechen, schauen nur auf das Atomkraftwerk. Aber für den Uranbergbau werden Löcher von zehn oder mehr Quadratkilometern Größe mehrere hundert Meter tief in den Boden gegraben. Da wird mit schweren Maschinen gearbeitet, die alle mit Erdöl betrieben werden. Riesige Dämme für das Abwasser werden gebraucht. Atomkraft produziert also in der gesamten Produktionskette große Mengen an Kohlendioxid. Natürlich erzeugt sie insgesamt weniger CO2 als bei der Erdölverbrennung, aber es genügt, um den Klimawandel mit anzuheizen.

Norbert G. Suchanek hat mit seiner Frau Márcia Gomes de Oliveira hat er das Uranium Film Festival gegründet. Das Gespräch führte Susanne Ehlerding.

Uranium Film Festival: Tickets und mehr

Kulturbrauerei

Wann: 11. bis 15. Oktober
Wo: Kino in der Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36 / 10435 Berlin – Prenzlauer Berg

Mittwoch, 11.10., 18 Uhr: Präsentation der Fotoausstellung „Brasiliens Tschernobyl 1987“ mit Odesson Alves Ferreira aus Brasilien. 19 bis 22 Uhr: Eröffnung u.a. mit Klaus Mindrup (MdB)

Eintrittspreise Filmvorführungen:

Einzelticket: sieben Euro – Schüler/Studenten/Behinderte fünf Euro

Festivalpässe: Auf Anfrage / Vorverkauf im Kino
Kartenreservierung

Telefon: 0172/8927879, E-Mail: uraniumfilmfestivalberlin@gmx.de

Zeiss-Großplanetarium

Prenzlauer Allee 80, 10405 Berlin
Freier Eintritt zur Fotoausstellung „Hibakusha weltweit“ und zu Sonderveranstaltungen.

Dienstag, 10.10., 19 Uhr: Ausstellungseröffnung und Kurzfilme im Kino des Planetariums.

Kontakt Festivalorganisation:
info@uraniumfilmfestival.org

Mehr Infos im Internet: www.uraniumfilmfestival.org

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