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Installation von Joseph Beuys kommt nach Berlin: Kraft des Kapitals

Der Kunstsammler Erich Marx bringt das große Werk von Joseph Beuys nach Berlin. Es wird einmal das Glanzstück des neuen Moderne-Museums.

Der Platz ist gut gewählt. Durchs Fenster kann man die Zukunft sehen. Sie erscheint golden an diesem Morgen. Berlins Kunstmäzen Erich Marx hat Joseph Beuys’ Schlüsselwerk „Das Kapital Raum 1970–1977“ gekauft und überlässt es der Nationalgalerie.

Um diese Sensation zu verkünden, hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in die wegen Sanierung geschlossene Neue Nationalgalerie eingeladen und die Stuhlreihen so platziert, dass die Zuhörer durch die Glasfenster des Mies-van-der-Rohe-Baus direkt auf den geplanten Bauplatz des neuen Moderne-Museums schauen. Denn dort, in dem neuen Haus, für das die Bundesregierung kürzlich ein Budget von 200 Millionen Euro bewilligt hat, soll „Das Kapital“ 2020 seinen Platz finden. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung, spricht von „Sammlerglück“. 2014 schenkte Egidio Marzona den Museen 300 Werke, die zuvor Leihgabe waren, Anfang 2015 gab Friedrich Christian Flick 104 Werke an die Nationalgalerie, den Sammlern Pietzsch kann die Stiftung bald ein neues Museum der Moderne bieten. Und nun setzt Marx noch ein Highlight drauf.

Die raumgreifende Installation, die seit 1984 in den Hallen für Neue Kunst im Schweizer Ort Schaffhausen beheimatet war, ist nicht nur in ihren Dimensionen enorm. 100 Quadratmeter Raum nimmt sie ein, acht Meter Luft nach oben sind notwendig. Es ist eine Bilanz des Beuys’schen Schaffens, ein „Monument für die Zukunft“ hat er selbst es genannt, ein Kraftfeld, das imstande ist die Sinne zu berühren und die Gesellschaft zu transformieren. „Kreativität = Kapital“ lautete Beuys’ Credo.

Im Moderne-Museum ist das Werk eingeplant

Kulturstaatsministerin Monika Grütters berichtet von Planungsfortschritten beim Moderne-Museum. Ins Raumanforderungskonzept, das bis Mitte 2015 fertig sein soll, wird die Unterbringung des Werks gleich mitgeplant. Sogar Erich Marx, 94 Jahre alt und scheu bei öffentlichen Präsentationen, ist in die Nationalgalerie gekommen. Dort wurde seine Kunstsammlung 1982 erstmals in Berlin vorgestellt. Spitzenwerke von Joseph Beuys, Andy Warhol, Cy Twombly und Robert Rauschenberg, die der Unternehmer Marx unter einer Bedingung an die Spree brachte: ein angemessenes Haus. So gab er den Anstoß für den Hamburger Bahnhof, der 1996 als Museum für Gegenwartskunst wiedereröffnete.

Beuys Fans. Kunstsammler Erich Marx und Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Pressekonferenz in der Neuen Nationalgalerie.
Beuys Fans. Kunstsammler Erich Marx und Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Pressekonferenz in der Neuen Nationalgalerie.

© Tim Brakemeier/dpa

Mit „Das Kapital“ vollendet Erich Marx sein Lebenswerk. Einen „nicht kleinen zweistelligen Millionenbetrag“ habe er für die Arbeit bezahlt, sagt der Sammler. Ein Betrag, der auch ihm die Sprache verschlug. So war das von Beuys sicher nicht gedacht. Doch Marx wollte nicht, dass das Werk im Ausland verschwindet. Das Metropolitan Museum of Art in New York und ein arabischer Staat bekundeten Interesse.

1976 kaufte Marx die erste Zeichnung von Beuys und in der Folge viele weitere Spitzenwerke: „Straßenbahnhaltestelle“, „Das Ende des 21. Jahrhunderts“ und „Richtkräfte“ sind heute im Hamburger Bahnhof. Beuys und Marx, beide 1921 geboren, sehen sich gleichermaßen im Dienste der Gesellschaft, der eine als Kunstsammler, der andere als Künstler. Und beide waren Auslöser und Antrieb für neue Kunsthäuser. Marx nun einmal mehr in Berlin.

50 Schiefertafeln und eine Gießkanne gehören auch dazu

Beuys schuf „Das Kapital“ für die Kunstbiennale in Venedig 1980. In der Installation fasste er die Themen seiner Aktionen aus den 1970er Jahren zusammen. Das Werk besteht aus Konzertflügel, Filmprojektor, Tonbandgeräten, Holzstab, Gießkanne, insgesamt 30 Gegenständen, die vor allem aus Beuys’ schamanischen „Celtic“-Aktionen stammen. Außerdem gehören dazu: 50 Schiefertafeln, die meisten wurden bei Beuys’ wochenlangen, öffentlichen Diskussionsveranstaltungen beschrieben, die der Künstler im Rahmen der Documenta 5 und 6 veranstaltete. Hochbrisante Themen gab der Weltveränderer vor, „Trouble Spots in Europe“, „alternative Unternehmenskonzepte“, „verstaatlichtes Schulwesen“, „Genmanipulation“. Es klingt nach den Schlagzeilen von heute.

Beuys brauchte damals einen Finanzier für die Installation und verkaufte die Arbeit noch vor ihrer Ausführung an den Schweizer Künstler Urs Raussmüller. Raussmüller, der im Auftrag der Schweizer Cosmorex Art AG Kunst kaufte und auch selbst sammelte, galt als Ermöglicher. Er hatte 1978 in Zürich die legendäre „Halle für internationale neue Kunst“, kurz InK, gegründet. Nach der Biennale wurde „Das Kapital“ in die Schweiz transportiert, das InK aber bald geschlossen. Beuys hatte sich für seine Installation einen dauerhaften Raum gewünscht. Raussmüller fand ihn schließlich in Schaffhausen. In einer alten Textilfabrik ließ er eigens für Beuys’ Arbeit eine Zwischendecke herausbrechen. Zur Installation reiste Beuys persönlich nach Schaffhausen, mit seinem Assistenten Heiner Bastian – später Kurator der Sammlung Marx in Berlin – und installierte die Arbeit neu. Das „Modell Schaffhausen“, die erste Fabrik, die zu einer privaten Kunstinstitution transformiert wurde, unter anderem auch mit Werken der Arte Povera und der Minimal Art, machte weltweit von sich reden.

2004 brach ein Rechtsstreit um „Das Kapital“ los, der bis 2014 dauerte. Drei Kunstsammler aus dem Umkreis der ehemaligen Cosmorex Art AG erhoben Besitzansprüche. Raussmüller wiederum sah Eigentums- und Urheberrechte bei sich und fand, eine Umplatzierung des „Kapitals“ käme einer Zerstörung gleich. Im Frühjahr sprach das Schaffhauser Obergericht das Werk den drei Kunstsammlern zu und verfügte dessen Herausgabe.

Während sich die einen freuen, ist es für die anderen ein Drama. Schweizer Medienberichten zufolge konnte die von Raussmüller gegründete Stiftung die Prozesskosten nicht tragen und meldete Konkurs an. Die Hallen für neue Kunst schlossen 2014. Der weitere Betrieb ist weder für die Stiftung noch für die Stadt finanzierbar. Schaffhausen verliert seine größte Attraktion. Raussmüller zieht mit dem Rest der Sammlung nach Basel.

„Das Kapital“ hatte keine Zukunft in Schaffhausen. Nun hat es eine in Berlin. 2016 soll es zunächst im Rahmen einer Ausstellung im Hamburger Bahnhof gezeigt werden.

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