zum Hauptinhalt
Pelikane des niederländischen Malers Melchior d'Hondecoeter in de Rooijs Installation "Intolerance".

© AFP

Installation: Krieg der Vögel in der Neuen Nationalgalerie

Eine Arbeit, die sich aus kulturellen Zeugnissen zusammensetzt. Alte Meister in Serie: Willem de Rooijs Installation "Intolerance" in der Neuen Nationalgalerie.

Federn lassen müssen sie alle. Die Hähne und Fasane auf den Bildern von Melchior d’Hondecoeter ebenso wie jene Vögel, die man vor Hunderten von Jahren auf Hawaii tötete und rupfte, um einen Mantel für den Kriegsgott zu fertigen. Doch das allein erklärt nicht die Anwesenheit von vier alten Federobjekten und 18 Gemälden aus der Werkstatt des Niederländers in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Als Scharnier zwischen den ethnologischen und kunsthistorischen Schätzen an einem Ort, der sich eigentlich dem 20. Jahrhundert widmet, fungiert Willem de Rooij. Ein Gegenwartskünstler, dessen Arbeit „Intolerance“ (2010) sich aus all den kulturellen Zeugnissen zusammensetzt.

Eine Installation, die aussieht wie eine Ausstellung. Eine weiße, freistehende Wand teilt das Obergeschoss des Mies-van-der-Rohe-Baus. Hondecoeters Malerei hängt an beiden Seiten. Die Federkleider und die Köpfe aus Muscheln, Hundezähnen und Menschenhaar lagern hinter Glas. De Rooij hat nicht wild collagiert, sondern ganz nach musealen Regeln kuratiert. Denkt man zumindest, bis man auf der einen Wand vier Gemälde entdeckt, die sich seltsam gleichen. „Pelikan und andere Wasservögel in einer Parklandschaft“ heißt eines, „Wasservögel“ ein anderes. Beide stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als sich der in Amsterdam lebende Maler vor den Aufträgen einer aufstrebenden Society kaum retten konnte. Jeder wollte exotisches Federvieh aus den Kolonien in Übersee. Am liebsten lebend – oder wenigstens gemalt.

Hondecoeter stillte den Bedarf mit Hilfe zahlreicher Assistenten, die die Vögel sampelten. Vier Bilder, vier Pelikane, Tierpracht aus dem Baukasten: Was nach Entwertung aussieht und von einem Museum so nie gehängt würde, um den Maler zu schützen, enthüllt in der Nationalgalerie ein Prinzip. Hondecoeter bediente seine Klientel, indem er sie mit raffinierten Wiederholungen versorgte und ihr gleich noch eine Botschaft unterjubelte. Auf seinen Großformaten prügeln sich Hund und Hahn, schlagen Greifvögel kleinere Arten, bluten andere Vögel kopfüber aus. Frieden gibt es nicht – obwohl die gemalte Welt mit ihren prächtigen Federtieren ebenso in Schönheit erstarren könnte.

Weshalb sie es nicht tut, interessiert den Künstler Willem de Rooij. Warum die Vögel aus der Vergangenheit so blutrünstig sind, welche Analogien zum hawaiianischen Kriegsgott Kuka’ilimoku bestehen, den seine Anhänger in Federn kleideten. Zwei Jahre forschte der in Berlin lebende Künstler – und fand nur vage Antworten. In seiner Installation kombiniert er Objekte aus dem Ethnologischen Museum in Dahlem mit Bildern aus der Gemäldegalerie, dem Louvre oder der Sammlung Thyssen-Bornemisza und macht vor, wie sich Wissen und Einsicht später einmal im Humboldt-Forum ergänzen könnten: halb wissenschaftlich unterfüttert, halb assoziativ. Vergleichendes Sehen tritt an die Stelle jener Audioguides, die die Besucher wie am Erklärungs-Tropf durchs Museum wandeln lassen. Licht, Ausstellungsarchitektur und Objekte wirken zusammen – auch wenn man sich in der Nationalgalerie immer wieder vergegenwärtigen muss, dass man nicht in einer historischen Ausstellung steht. Sondern vor der Arbeit „Intolerance“ von Willem de Rooij, die sich musealer Kunst bedient, um neue Zusammenhänge herzustellen.

Bis vor einigen Jahren hat der Künstler zusammen mit Jeroen de Rijke (1970 – 2006) vor allem filmische Bilder analysiert. Ihre Schönheit und ihr Subtext waren Themen der gemeinsamen Filme, Fotos und Installationen. Die Arbeitsweise der Montage ist de Rooij vertraut. Genau wie die blitzartigen Bezüge, die sich bei der Überlagerung von Bildern und Begriffen einstellen. Exotismus, religiöse Handlungen, globaler Markt, das Fremde und dessen Potenzial für Konflikte, aber auch für Faszination – all das scheint in der Neuen Nationalgalerie auf und lässt ahnen, dass Toleranz kein Zustand, sondern eine fortwährende Anstrengung ist.

„Intolerance“, Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, bis 2. Januar 2011

Zur Startseite