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Revolverheld der Zukunft. Idris Elba gibt den Guten.

© Sony Pictures/dpa

Im Kino: Stephen Kings „Der Dunkle Turm“: Die Mächte des Bösen

Rattenwesen, Weltenretter und etwas Hoffnung: Regisseur Nikolaj Arcel hat Stephen Kings Western-Horror-Science-Fiction „Der Dunkle Turm“ verfilmt.

Von Jörg Wunder

129, 136, 136, 141, 129, 134, 150. Hinter diesen Zahlen verbergen sich nicht die täglichen Niederschlagsmengen einer beliebigen Woche dieses Sommers, sondern – in Minuten – die Längen der bislang erfolgreichsten Hollywood-Blockbuster des Jahres 2017. In sämtlichen Fällen handelt es sich um Fortsetzungen oder Neuauflagen bekannter Geschichten, und man tritt den Produzenten von „Transformers: The Last Knight“ (150 Minuten) oder „Pirates of the Carribean: Salazars Rache“ (129 Minuten) nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass man die dürftige Handlung auch weniger lebenszeitverschlingend hätte abhaken können.

Da klingt es nach einer guten Idee, wenn die Stephen-King-Verfilmung „Der Dunkle Turm“ des dänischen Regisseurs Nikolaj Arcel („Die Königin und der Leibarzt“) mit schlanken 95 Minuten Laufzeit an den Start geht. Leider ist das Gegenteil der Fall: Der Komplexität der Vorlage, einem monumentalen, in 30 Jahren auf acht Romane mit über 6000 Seiten angewachsenen Fantasy-Western-Horror-Science-Fiction-Zyklus des schreibfreudigsten Autors der Gegenwart, wird der Film mit seinem hastig abgehandelten Plot um einen mit seherischen Fähigkeiten begabten Jungen, einen legendären Revolvermann und einen erzbösen Zauberer in keiner Weise gerecht. Auch wenn man berücksichtigt, dass hier nur ein Einstieg in das „Dark Tower“-Universum geschaffen und später durch weitere Kinofilme und eine ergänzende Fernsehserie zum Franchise ausgebaut werden sollte, muss man die Idee als gescheitert einstufen.

Irgendwo in dem langen, verwickelten Entstehungsprozess mit Wechseln auf Regie- und Produzentenstühlen, mit immer neu kolportierten Hauptdarstellern (Javier Bardem, Viggo Mortensen, Russell Crowe), mit mehrfach verschobenem Kinostart, ist den Machern offenbar der Mut abhandengekommen – und die Geldgeber: „Der Dunkle Turm“ ist nicht nur ein kurzer, sondern mit 60 Millionen Dollar Produktionskosten auch ein ungewöhnlich günstiger Blockbuster.

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Nun ist es keineswegs so, dass man mit 60 Millionen Dollar im Entertainmentbereich nichts bewegen könnte. Die erste Staffel von „Game of Thrones“ etwa hat ähnlich viel gekostet, und es gibt nur wenige Leser der ebenfalls gewichtigen Romanreihe von George R. R. Martin, die das für eine verschwendete Investition halten. Hier jedoch beschleicht einen das Gefühl, dass das ohnehin zu geringe Budget auch noch unklug verwendet wurde. So ist zwar der Wille erkennbar, die verworrene Mythologie mit verschiedenen Welten wenigstens anzureißen, doch in ihrer technischen Dürftigkeit und narrativen Lückenhaftigkeit bleibt die Umsetzung sowohl für Kenner der Vorlage wie für Neueinsteiger unbefriedigend.

Dabei gab die Besetzung Anlass zur Hoffnung: Idris Elba macht denn auch eine gute Figur als resignierter Gunslinger, der als Letzter seiner Zunft dafür zu sorgen hat, dass die Mächte des Bösen den Dunklen Turm im Zentrum des Universums nicht zum Einsturz und damit Chaos über die von ihm behüteten Welten, darunter unsere Erde, bringen. Sein an Superkräften hochüberlegener Gegner ist ein fieser Magier, der einen Weltenbrand entfachen will. Diesen sprichwörtlichen Mann in Schwarz gibt mit viel Freude an der Überzeichnung Matthew McConaughey, manchmal an der Grenze zur Karikatur, oft aber tatsächlich furchteinflößend.

Die Entdeckung des Films ist indes der junge Tom Taylor, der einen klassischen Stephen-King-Charakter spielt: Wenn er in ein immer schaurigeres Geschehen hineingezogen wird, wo mit Menschenhaut verkleidete Rattenwesen, transdimensionale Portale oder sich aus Bauholz formende Wächterdämonen gang und gäbe sind, ist sein zwischen Todesangst, großäugigem Staunen und juveniler Respektlosigkeit changierendes Spiel das Beste, was dem Film passieren kann. Falls es gelingt, daraus behutsam die Grundlage einer weniger auf Spektakel als auf dramaturgische Substanz angelegten Fernseherzählung zu machen, könnte das unselige Projekt vielleicht noch ein Happy End finden.

In 19 Berliner Kinos. OV im Zoo Palast, Cinestar Sony Center, Cineplex Neukölln, Colosseum und Kino in der Kulturbrauerei

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