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Schwimmen unter Sternen. Jennifer Lawrence zieht als Weltraumreisende einsam ihre Bahnen.

© Sony

Im Kino: "Passengers": Im Pool der Unendlichkeit

Explosive Weltraumromanze: In „Passengers“ spielen Jennifer Lawrence und Chris Pratt Adam und Eva im All. Regisseur Morten Tyldum kämpft mit den Gesetzen der Physik und des Liebesfilms.

Von Andreas Busche

Im Weltall ist Schwerelosigkeit der Normalzustand. Das Kino muss hingegen immer wieder gewaltige Anstrengungen auf sich nehmen, um die Illusion von „Zero Gravity“ zu erzeugen. Es gibt Genrefans, die die Qualität eines Science-Fiction-Films allein aufgrund einer realistischen Umsetzung von Schwerelosigkeit beurteilen. Würde man tatsächlich so strenge Maßstäbe anlegen, beschränkte sich der Science-Fiction-Kanon auf eine Handvoll Filme.

Ganz oben auf dieser Liste stünde natürlich Stanley Kubricks Raumschiff-Ballett in „2001: Odyssee im Weltraum“, zu den Klängen von Johann Strauss’ Donauwalzer. Alfonso Cuarón stellte in „Gravity“ seinen beiden nominellen Stars Sandra Bullock und George Clooney einen weiteren ebenbürtigen Protagonisten zur Seite: die entfesselt dahintaumelnde Kamera von Emmanuel Lubezki, die dem Publikum buchstäblich den Boden unter den Füßen entzog. Schwerelosigkeit ist gewissermaßen die technische Königsdisziplin im Science-Fiction-Film, Pflicht und gleichzeitig Kür. Sie lässt auch erkennen, wie ernst es einem Regisseur mit dem Genre ist.

Die ersten und letzten Menschen

Zieht man allein dieses Qualitätskriterium für ein Urteil über „Passengers“, der Science- Fiction-Feuertaufe von Regisseur Morten Tyldum, heran, hätte der Film schon ein kleines Problem. An Tyldums Inszenierung von Schwerelosigkeit lassen sich leicht die Schwächen des Films festmachen, und sehr schnell käme man dann vom Technischen zum Prinzipiellen. Dem Drehbuch zum Beispiel, das jahrelang in Hollywood kursierte. Oder dem Charisma der Hauptdarsteller Chris Pratt und Jennifer Lawrence, zwei der größten Stars, die Hollywood aktuell aufzubieten hat.

Schauspielerinnen und Schauspieler haben in dieser Art High-Concept-Blockbuster natürlich immer das Problem, mit den Spezialeffekten konkurrieren zu müssen. Das erweist sich besonders als Herausforderung, wenn neben Star-Power auch zwischenmenschliche Chemie gefragt ist, die dem Film ein emotionales Kraftfeld verleiht. Pratt und Lawrence spielen in „Passengers“ in gewisser Weise die ersten und letzten Menschen, Adam und Eva. Zusammen mit 4998 schlafenden Passagieren befinden sie sich auf einer 125-jährigen Sternenkreuzfahrt durch das Universum, an deren Ziel sie die Erdkolonie Homestead erwartet. Eine „Love Story", die der romantischen Idee des „Bis dass der Tod sie scheidet“ eine bitterböse Pointe entgegenhält.

Das Poolwasser verformt sich zu Kugel

Es gibt in „Passengers“ eine großartige Szene, die die Gesetze der Schwerkraft auf im Kino bisher nie gesehene Weise aus den Angeln hebt. Bis dahin besteht der Film den "Kubrick-Test" noch. Lawrence zieht in einem Infinity Pool, der diesen Namen wirklich mal verdient (die Ränder des Beckens scheinen sich in der Unendlichkeit des Weltraums zu verlieren), ihre Bahnen, als ein technischer Defekt die künstliche Schwerkraft auf dem Raumschiff Avalon für einen Moment aufhebt. Das Poolwasser formt sich zu einer Kugel, als würde ein unsichtbares Gravitationsfeld die Urelemente des Lebens zusammenhalten. Sie umhüllt Lawrence wie einen flüssigen Kokon. Die Panik in ihren Augen straft den atemberaubenden Anblick des schwebenden Wassertropfens vor der kosmischen Sternenkulisse Lügen.

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Später aber stellt „Passengers“ die physikalischen Grundlagen der Science-Fiction dann doch noch genauso auf die Probe wie die Konventionen des Liebesfilms, dem anderen Genre, für das eine gewisse Leichtigkeit wesentlich ist. Denn die Prämisse der Sternenromanze zwischen Jim, der sich nahtlos in Pratts Rollenprofil des linkischen Prolls einfügt, und der intellektuellen Aurora, von Lawrence etwas zu schneewittchenhaft verkörpert, ist äußerst dünn. Sie beruht, genau gesagt, auf einer Lüge. Jims Schlafkapsel wurde durch einen Systemschaden 90 Jahre zu früh geöffnet. Den stoischen Auskünften des Bordcomputers, die Technik des Raumschiffs sei unfehlbar, steht er als wandelnder Widerspruch gegenüber.

Das erste Jahr in Einsamkeit beendet er mit einer sein Gewissen marternden Entscheidung: Er öffnet die Kapsel Auroras (kein Spoiler!) und verurteilt sie damit ebenfalls zu einem vorzeitigen Tod im Space. Dieses pikante Geheimnis teilt er vorerst nur mit dem androiden Barkeeper des Sternenkreuzers (Michael Sheen). Den moralischen Konflikt der Liebesgeschichte, die im Kern also eine männliche Machtfantasie erzählt, überspielt später das Skript nonchalant, weil irgendwann eben doch die Mechanismen des Blockbusterkinos greifen müssen. Der Überbietungsdramaturgie des explosiven Finales fallen schließlich sowohl die Gesetze der Schwerkraft als auch die erzählerische Restlogik zum Opfer.

in Berlin in 22 Kinos, davon 5 in OV

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