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Harte Brandung. Ein Surfer aus dem Film an der Küste vor Gaza-City.

© farbfilm

Im Kino: Doku „Gaza Surf Club“: Wellenreiten im Krieg

Sie fahren vorbei an den Ruinen zerbombter Häuser ans Meer, stürzen sich in die aufbrandenden Wogen. „Gaza Surf Club“ zeigt Männer in der Krisenregion auf den Brettern, die die Freiheit bedeuten.

Wer das Wort „Gaza“ hört, denkt unwillkürlich an Krieg. An Militäroperationen und Raketenangriffe, Hilfslieferungen und gebrochene Waffenruhen. Allein im Sommer 2014, beim letzten Ausbruch des Nahostkonflikts, starben mehr als 2000 Menschen in dem rund 40 Kilometer langen Küstenstreifen zwischen Israel, Ägypten und dem Mittelmeer. Dass von dort auch ganz andere Aufnahmen möglich sind, zeigt der Dokumentarfilm „Gaza Surf Club“.

Gewaltig aufbrandende Wogen, sich kräuselnde Gischt und hoch auf den Wellenkämmen ein paar Männer auf ihren Brettern: Im Film von Philip Gnadt und Mickey Yamine wirkt die Krisenregion bisweilen wie ein Urlaubsparadies – nur verirrt sich kein einziger Tourist an diesen Sandstrand. Der 23-jährige Ibrahim und seine Freunde laden in jeder freien Minute ihre Surfbretter auf die Ladefläche des Pick-ups und fahren vorbei an den Ruinen zerbombter Häuser hinüber ans Meer. „Gaza war einmal einer der besten Orte auf der Welt“, sagt Ibrahim im Film. „Jetzt ist es einer der schlimmsten.“ Ausgerechnet hier gehen junge Männer wie Ibrahim sowie die Surfveteranen um den Fischer Abu Jayab einer Sportart nach, die so sehr wie wenige andere für Freiheit steht und für einen lockeren, westlichen Lebensstil. Ein Hauch von Hawaii, am Stadtstrand von Gaza-City.

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Bei aller Idylle, die die Strandbilder in Friedenszeiten liefern: „Gaza ist nicht die Côte d’Azur“, stellt Koregisseur Mickey Yamine im Interview klar, „es ist ein riesengroßes Gefängnis.“ Abgeriegelt und streng kontrolliert. Nach innen durch die palästinensische Hamas, nach außen durch Israel. In das Autonomiegebiet hineinzukommen, war auch für die Filmemacher nicht einfach. Trotz gültiger Papiere untersagte die ägyptische Polizei die Einreise. Erst nach Anrufen bei der Botschaft, beim Außen- und beim Innenministerium gelangten Gnadt und Yamine ins Land. Für die sechswöchigen Dreharbeiten, nur zwei Monate nach den Bombardements von 2014, mussten sie schließlich über Israel einreisen, dort regelt eine private Sicherheitsfirma den Zugang.

Auch Surfbretter nach Gaza zu importieren, ist schwierig. Häufig werden die Sportgeräte bei Grenzkontrollen konfisziert. Über die Gründe gebe es unterschiedliche Meinungen, so Yamine. Angeblich fürchtet Israel, man könnte sich auf den flachen Brettern unterhalb des Radars und damit unbemerkt auf dem Meer bewegen. Eine andere Theorie: Die Materialien der Bretter eignen sich zum Bau von Bomben. Auch die Hamas behält Surfbretter ein, mutmaßlich um damit ihre Soldaten auszubilden. Absurde Auswüchse eines Freizeitsports im Kriegsgebiet.

Für islamische Frauen ist Surfen tabu

Bewegend ist der Film, wenn er die Geschichte der 15-jährigen Sabah erzählt. Als Mädchen tobte sie einst im Meer herum, lernte surfen, doch für eine islamische Frau ist dieses Verhalten haram, ein Tabu. So bleibt Sabah heute am Strand zurück und sieht wehmütig den Männern hinterher, wenn sie Wellenreiten gehen.

Mitunter erinnert „Gaza Surf Club“ an den Dokumentarfilm „Raving Iran“ über zwei Techno-DJs aus Teheran im Kampf gegen die Zensur und für eine Ausreiseerlaubnis. Die in dem Film aufgeworfene Frage, ob man im freiheitlichen Westen bleiben oder zurückkehren soll zur Familie, beschäftigt auch Ibrahim. Nach langem Warten bekommt er das ersehnte US- Visum, kurz darauf steht er am Waikiki Beach. Seine Mission ist klar: Er will von den Großmeistern lernen und das Wissen zum Aufbau des Surf-Clubs nach Gaza bringen. Doch die Realität sieht anders aus. Bis heute ist Ibrahim nicht nach Gaza zurückgekehrt.

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