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Gottesmann. Guy Pearce verkörpert die Ausgeburt des Bösen.

©  Koch Film

Im Kino: „Brimstone“ mit Guy Pierce: Apocalypse Later

In seinem Endzeit-Western „Brimstone“ porträtiert der holländische Regisseur Martin Koolhoven die Verkommenheit der Welt. Leider fällt der Film eine Spur zu sauber aus.

Von Andreas Busche

Dass dieser Prediger sich mit dem Fegefeuer auskennt, lässt schon sein Äußeres erkennen. Ganz in Schwarz steht er vor der Kirchengemeinde, mit dröhnender Stimme spricht er das Wort des Alten Testaments von der Kanzel, eine fiese Narbe zieht sich quer über sein Gesicht. Die stumme Liz (Dakota Fanning) erkennt diese Stimme sofort, sie hat sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Und sie weiß, was die anderen Einwohner der kleinen Puritanersiedlung noch nicht ahnen. Dieser Mann ist des Teufels.

„Brimstone“ heißt die erste internationale Produktion des holländischen Regisseurs Martin Koolhoven, der sich wie sein Landsmann Paul Verhoeven mit einem Knall im Weltkino etablieren möchte. Der Titel ist ein altmodisches Wort für Schwefel, aber es geht in Koolhovens Endzeit-Western nicht um den Leibhaftigen – bloß um eine Ausgeburt des Bösen. Guy Pearce spielt den Reverend, der der jungen Frau nach dem Leben trachtet. Und dabei das Wort Gottes auf seiner Seite weiß.

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Liz lebt mit ihrem Mann, einem Farmer, und dessen zwei Kindern am Rande der Gemeinde. Sie hat ihre Zunge verloren, aber es sind nicht nur ihre Verletzungen, die die Vergangenheit der Hebamme und des Predigers verbinden. Nachts schleicht der unheimliche Gottesmann um das Farmhaus, der gläubige Ehemann gewährt ihm Einlass. Als in der Gemeinde ein Baby bei der Entbindung stirbt, bezichtigt der Reverend Liz der Hexerei. Religion ist in „Brimstone“ vormodernes Weltbild und Waffe. Die karge Landschaft des amerikanischen Westens trägt kein Leben in sich, die Sitten sind archaisch. Eine Frau, die in dieser feindlichen Welt überleben will, muss sich zu wehren wissen.

Mit einer Länge von knapp zweieinhalb Stunden nimmt sich Koolhoven viel Zeit, die Verkommenheit dieser Welt zu beschreiben. Doch im Gegensatz zu Alejandro González Iñárritus Survival-Western „Revenant“ fällt „Brimstone“ eine Spur zu sauber aus. Die wahre Brutalisierung dieses Ortes tragen die Figuren in sich. Der Trick, mit dem Koolhoven zur Vorgeschichte von Liz und dem Reverend vordringt, ist dramaturgisch vorhersehbar. Der Film arbeitet sich Kapitel um Kapitel, überschrieben nach Büchern des Alten Testaments, in die Vergangenheit der beiden Kontrahenten vor und legt dabei ein sexuelles Begehren frei, das selbst im sogenannten Wilden Westen gegen jeden Anstand verstößt.

Carice van Houten spielt die Frau des Predigers, der in seiner Familie ein radikalreligiöses Regime führt. Zu seinen bevorzugten Requisiten gehört neben der Reitpeitsche eine eiserne Gesichtsmaske, die er seiner Frau anlegt. Koolhoven erzählt den grimmigen Sadismus der Figur mit einem in dieser Konsequenz fast schon komischen Effekt – zu lachen gibt es in „Brimstone“ trotzdem nichts. Die sexuellen Untertöne der Rachegeschichte lassen eher auf eine calvinistische Erziehung des Regisseurs schließen, dem „Brimstone“ ein Herzensprojekt war. Dafür lehnte er sogar Angebote aus Hollywood ab. Eine echter Auteur-Western also, dem ein wenig Supervision gutgetan hätte. Koolhoven entwirft eine Welt, in der das Recht des Stärkeren gilt. Auch wenn am Ende die Frau triumphiert, ist das Zivilisationsbild reichlich reaktionär.

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