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Der Autor Hermann Kant, aufgenommen am 21.04.2005 in Berlin.

© Karlheinz Schindler/dpa

Hermann Kant feiert 90. Geburtstag: Der Ja-Sager auf dem Weg zum Nein

Er galt als „Großironiker der DDR". Heute feiert Hermann Kant seinen 90. Geburtstag.

Hermann Kants bestes Buch "Der Aufenthalt" - die Geschichte seiner polnischen Kriegsgefangenschaft und antifaschistischen Besinnung - hat ein Motto von Brecht: "So bildet sich der Mensch: Indem er ja sagt, indem er nein sagt." Sein schwächstes Buch "Das Impressum" beginnt mit dem Ausruf des Chefredakteurs Robert Iswall: "Ich will aber nicht Minister werden!" Am Ende wird er das doch, weil er seiner Partei nicht nein sagen kann..

Wie Hermann Kant selbst. Jedenfalls wenn man seinen eigenen Erklärungen folgt, warum er sich als „IM Martin“ nicht der Stasi verweigerte und warum er als Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes den Ausschluss von neun Kollegen wegen eines gemeinsamen Protestbriefs verantwortete. Sein Zugeständnis, die Stasi sei ein Teil der Partei und „demzufolge sei es seine Pflicht, auch das MfS zu unterrichten“, ist in seiner Akte protokolliert. Den Rauswurf seiner Kollegen rechtfertigte er nachträglich mit der Drohung des Berliner SED-Chefs Konrad Naumann, andernfalls den Bezirksverband der Schriftsteller aufzulösen.

Ein Meister der vergnügten Bosheit

Als Verbandspräsident war er der Nachfolger und Wunschkandidat von Anna Seghers. Auch ihr konnte er nichts abschlagen. Seine Lieblingsanekdote handelt davon, wie er sich als gelernter Elektriker nur widerwillig und nur auf ihren Zuspruch hin zum Studium entschlossen habe. „Elektriker, du sollst studieren!“. soll sie gesagt haben. So wurde Kant Student an der Greifswalder Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, Diplom-Germanist und schließlich Ehrendoktor, später Volkskammerabgeordneter der SED und Mitglied ihres Zentralkomitees, Träger des Nationalpreises und des sowjetischen Ordens der Völkerfreundschaft. Marcel Reich-Ranicki sagte ihm schon 1966 voraus, dass er einen „harten Sitz im ZK erhalten“ werde.

Ein bloßer Ja-Sager, „zu feige, die Wahrheit über die Verhältnisse in der DDR zu schreiben“ (Reich-Ranicki über „Die Aula“), war er dennoch nicht. Seine Erzählung „Bronzezeit“ (1986) nannte Heiner Müller die schärfste DDR-Satire seit Jahren. Dreißig Jahre später galt er den Feuilletons als „Großironiker der DDR“. Ein Meister der vergnügten Bosheit und des doppelten Bodens wurde er genannt. Zumindest die Kurzgeschichten, lautete nunmehr das Urteil im wiedervereinten Deutschland, brächten es auf „Weltniveau“ – na endlich!

Weniger Vergnügen bereiten aktenkundigen Lesern allerdings Hermann Kants Nachwenderomane und die Autobiografie „Der Abspann“, die vor versteckten Bosheiten und Selbstrechtfertigungslegenden nur so strotzen. Es muss offen bleiben, ob schwarzer Humor oder blanker Sarkasmus dahinter steckt, wenn der gebürtige Hamburger im Roman „Kino“ (2005) einem altgewordenen Schriftsteller in seinem Schlafsack am Rande der Hamburger Fußgängerzone die Worte in den Mund legt: „Ich lebe in der Bundesrepublik ... Mein Leben geht zu Ende. Ende.“ Inzwischen lebt der Schriftsteller in Neustrelitz. Hier feiert er heute seinen neunzigsten Geburtstag.

Hannes Schwenger

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