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Gewandhausorchesters Leipzig spielt mit Julian Rachlin: Alters Weise

Beim Konzert des Gewandhausorchesters Leizpzig in der Philharmonie brillierte der junge Virtuose Julian Rachlin.

Vielleicht ist es mit alten Dirigenten so, wie man es von alten Psychoanalytikern sagt: je mehr Erfahrung, umso besser, je älter, desto souveräner beim kurzen Blick auf epische Erzählungen. Der 80-jährige Herbert Blomstedt zumindest, der in der Philharmonie das Gewandhausorchester Leipzig dirigiert, ist ganz Weitsicht, Überlegenheit und Führung; beweglich steht er da, hochgewachsen und entspannt, mitunter nur auf die Kraft seiner Finger vertrauend. Und lässt sich nicht verführen. Selbstverständlich nicht durch die falbe Diatonik von Jean Sibelius’ „Tapiola“, einer Tondichtung, die ganz aus Geraden zu bestehen scheint und bei der sogar den Streichern des Leipziger Orchesters das Kunststück gelingt, hölzern zu klingen, ungezuckert und ungesalzen.

Aber auch nicht durch Beethovens Dritte, der der mächtige Ruf anhaftet, auf Napoleon persönlich geschrieben zu sein. Blomstedt jedoch steht über den Revolutions- und Untergangsdingen, mit einem Bein quasi längst im Neuen Jerusalem. Schon den Eingangssatz dieser „Eroica“ lässt Blomstedt positiv bis zum Lieblichen klingen, gläsern in seiner formalen Anlage. Auch zu Anfang des Scherzo bleibt er die Ruhe selbst – umso nervöser wird unter solcher Kontrolle das Hasten der Streicher, bis endlich das ganze Orchester zusammentritt. Die Nachteile dieses Zugriffs zeigen sich beim Trauermarsch, der für gewöhnlich in Grauschwarz dargeboten wird, aber nun vertupft gerät, viel zu schön. Erst mit der Fuge kann dieser Satz Sogwirkung entfalten, erst jetzt wird auch endlich die Macht der Kontrabässe spürbar, die zuvor, bei den gemessenen Anläufen auf den Grundton hin, zum Klangkissenlieferanten degradiert worden waren.

Glanzpunkt des Abends aber ist das Violinkonzert von Sibelius, weil hier ein junger Virtuose in sehr wenigen Sekunden sehr auf sich aufmerksam macht. Denn sicher, der aus Litauen gebürtige und in Wien ausgebildete Julian Rachlin hat einen Ton, der in Glanz und Sattheit an den Anne-Sophie Mutters erinnert. Außerdem gehen ihm die virtuosen Passagen lässig von der Hand. Doch so etwas ist inzwischen fast gewöhnlich. Ungewöhnlich, ja unerhört dagegen Rachlins Solo gleich anfangs: weil er so still zu spielen versteht, und die Kadenz im ersten Satz, weil er die musikalische Syntax hier so überaus intelligent veranschaulicht.

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