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GALERIE MAX HETZLER: Monica Bonvicini

Ein Albtraum des White Cube: Vier Geschäftsmänner um die 50 schreiten durch eine leere, weiße Halle, im kalten Licht der Neonröhren. Minutenlang ist nichts zu sehen als ihre wartenden Gesichter, nichts zu hören als das Hallen der Schritte im leeren Raum.

Ein Albtraum des White Cube: Vier Geschäftsmänner um die 50 schreiten durch eine leere, weiße Halle, im kalten Licht der Neonröhren. Minutenlang ist nichts zu sehen als ihre wartenden Gesichter, nichts zu hören als das Hallen der Schritte im leeren Raum. Plötzlich werfen sie sich vornüber in Wände und Boden und verharren als starre Körper ohne Arme und Kopf.

Monica Bonvicinis Kunst beraubt den Betrachter seiner Souveränität. Ihr Video „No Head Man“ (2009), das aus einer Performance in São Paulo hervorging, erinnert an die Installation „Plastered“ von 1998: Dort war es der Besucher, der mit jedem Schritt in Rigipsplatten einbrach. Kontrollwahn kippt in Kontrollverlust, die männlich dominierte, rationalistische Architektur mit ihrer Ideologie von Transparenz und Sichtbarkeit wird von Bonvicini in aller Brüchigkeit vorgeführt.

Besonders spannend an ihrer Einzelausstellung „Bet Your Sweet Life“ ist damit die Frage, wie die Künstlerin der vorhandenen Architektur begegnet, einer hellen Fabrikhalle mit über 500 Quadratmetern in den Osramhöfen. Von den Videoräumen der vorangegangenen Rineke-Dijkstra-Ausstellung blieben Wände in L-Form, die mit der Spannung von Vorder- und Rückseite spielen. In der durch Spiegel abgetrennten Rauminstallation „Black You“ (2010) ist eine fleischfarbene Lederdecke mit Einschnitten auf einem Bett drapiert, an der Wand hängen Sprayarbeiten, auf denen unter anderem Namen von Antidepressiva mit Ketten nachgebildet sind.

Bonvicinis Untersuchung der strukturellen Gewalt von Sprache zieht sich auch auf Glasschildern durch die Halle. Die großformatigen Lackzeichnungen „Hurricane and Other Catastrophes“ sind eine meditative Auseinandersetzung mit Zerstörung und faszinieren mit ihrer formalen Konsequenz vor allem in der Serie.

Es hat seine Ironie, dass Bonvicini mit ihrem Hang zu Neonlicht in einem früheren Glühlampenwerk ausstellt. Die Skulptur „Light Me Black“ entstand für ihre Ausstellung im Chicago Art Institute 2009. Dort hatte sich Renzo Pianos modernistischer Erweiterungsbau als unpraktisch erwiesen: die Fenster zu groß, die Lampen zu hell. In raffiniertem Spott hat Bonvicini für ihr gewaltiges Bündel von Neonröhren exakt die vom Architekten gewünschte Lumenzahl gewählt. Das gleißende Licht lässt geblendet zurück.

„Der Modernismus hat wie das Barock etwas Nostalgisches“, sagt Bonvicini. Ihre neueste Arbeit „Scale of Things (to come)“ ist eine Reverenz an beide. Eine große Metalltreppe, die den Besucher am Eingang empfängt, zynisch-feierlich mit Ketten drapiert. Ein Spiel mit Sichtbarkeit und enttäuschten Erwartungen: Das eigentliche Ereignis bietet sich vom Boden der Halle, wenn ein neuer Kopf über der Kante der Ausstellungswand auftaucht. Jetzt bloß nicht vornüber kippen.

Kolja Reichert

Galerie Max Hetzler, Oudenarder Str. 16–20; bis 5.6., Di.–Sa. 11–18 Uhr.

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