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Jean-Paul Gaultier schuf die Kostüme für "The One" Hannibal Hanschke

© REUTERSHannibal Hanschke

Friedrichstadtpalast Berlin: Entschleunigt Euch: die neue Revue "The One Grand Show"

Die "The One Grand Show" ist überraschend anders. Die neue Revue des Berliner Friedrichstadtpalasts setzt auf Poesie statt auf Überwältigung.

Wie revolutionär diese Show ist, wird spätestens zur Pause klar: Das Publikum wartet nämlich vergebens auf die Girl-Reihe. Wann hat man das im Friedrichstadtpalast je erlebt – ein 1. Finale ohne die drei Dutzend langbeinigen Tänzerinnen in Reihenformation? Stattdessen reißt einfach der Bühnenboden auf, wie bei einem Erdbeben, in mehrere vielzackige Platten. Dann wird es dunkel.

Nach der Pause fahren die Elemente dann nach hinten weg und geben eine riesige Wasserfläche frei. Doch während nun alle Besucher darauf warten, dass hier eine wilde Schaumparty mit Wet-T-Shirt-Contest gefeiert wird, passiert im kühlen Nass: nichts. Der gesamte zweite Teil der Revue bezieht seine Spannung daraus, dass hier eben nicht herumgespitzt wird, dass sich keine Fontänen aus der Tiefe erheben, dass kein Wasserballett stattfindet.  

„The One“, produziert für rekordverdächtige 11 Millionen Euro, sucht das Glück in der Poesie. Und in der Entschleunigung. Was für ein Kontrast zum Vorgänger „The Wyld“ mit seinen eindruckvollen Tanzszenen und der expliziten Erotik! Regisseur Roland Welke will die Zuschauer diesmal in Fantasy-Traumwelten entführen. Nur in der Rahmenhandlung wummern darum die Beats: Während einer Clubnacht in einem lange schon leer stehenden ehemaligen Variété träumt sich ein junger Mann in die Vergangenheit hinein. Die aber ist durch und durch nostalgisch in der neuen Grand Show. Auf vier architektonische Stuck-Elemente, die an den Seiten der Bühne aufgehängt sind, werden immer wieder elegante Jugendstil-Ornamente projiziert, die Lichtstimmungen sind schattig-märchenhaft, musikalisch dominieren die ruhigen Nummern.

Eine Ballade reiht sich an die andere, dazwischen gibt es Ambient-Sounds – und doch hängt der Spannungsbogen über die zweieinhalb Stunden Spieldauer kaum je durch. Weil die Akrobatik-Acts wie die Choreografien eben wirklich Poesie haben, an Harry-Potter-Filme erinnern oder an Jahrmarktszenen, an Alice im Wunderland oder auch an romantische Handlungsballette.

Und Jean-Paul Gaultiers Kostüme, um die im Vorfeld so viel Bohei gemacht wurde? Werden nur zu Beginn und ganz am Ende wie in einer Modenschau vorgeführt. Im Übrigen fügen sie sich gut uns Gesamtkonzept, weil sie zum einen von überbordenden Ideenreichtum sind, vor allem aber auf eine erstaunlich dezente Sinnlichkeit setzten und oft ganz bewusst die Geschlechtergrenzen verwischen.

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