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Luxusgeschöpfe. Der Marmorsaal im Neuen Palais.

© SPSG, Gerhard Murza

Friedrich II: Wege zum Nachruhm

„Friederisiko“ gelingt gleich ein doppeltes Wunder. Die Ausstellung schafft es, Architektur und Ausstattung des Neuen Palais gewissermaßen zum Sprechen zu bringen. Die opulente Schau im Potsdamer Neuen Palais zeigt Friedrich II. als prunkvollen Herrscher.

Eine „Fanfaronade“ hat Friedrich II. das Potsdamer Neue Palais genannt, eine Prahlerei. Für den ziegelrot leuchtenden, spätbarocken Klotz, den er zwischen 1763 und 1769 am Südende des Schlossparks von Sanssouci errichten ließ, klingt das verniedlichend. Das 220 Meter breite, mit einer Bronzekuppel bekrönte Schloss ist eine Machtdemonstration. Alle Welt sollte sehen, dass Preußen nach den Entbehrungen des nur mittels eines „Mirakels“ gewonnenen Siebenjährigen Kriegs noch immer zu äußerster Prachtentfaltung in der Lage war. Deshalb Marmor, Seidentapeten, Kristallleuchter, Spiegelwände, Goldstuckaturen, und zwar nicht zu knapp. Geliebt hat Friedrich das Gebäude nicht. Er zog die Intimität von Sanssouci vor, seines Rokoko-Schlösschens, in dem er auch sterben sollte, und verbrachte im Neuen Palais alljährlich nur ein paar Sommerwochen, um Familienmitglieder, Freunde und Staatsgäste zu empfangen.

Heutige Potsdam-Touristen vermochten dem Neuen Palais bislang wenig abzugewinnen. Die Besucherströme, die sich durch das friederizianische Arkadien bewegen, zogen an dem wuchtigen Prestigeobjekt vorbei. Herrlich lustwandeln lässt es sich – derzeit sogar noch, ohne dafür Eintritt zahlen zu müssen – auf den geschwungenen Wegen des Parks, und wer dem König nahe kommen möchte, der besichtigt am besten den auf einem getreppten Weinberg kauernden Flachbau von Sanssouci. Doch das ändert sich jetzt. Das Neue Palais ist Schauplatz der „Friederisiko“-Ausstellung, mit der die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Friedrichs 300. Geburtstag feiert. Es wird mit bis zu 500 000 Besuchern gerechnet, ein Maximum, das nicht überschritten werden kann, weil sich aus konservatorischen Gründen nie mehr als 1000 Menschen gleichzeitig in dem Haus aufhalten dürfen.

Besichtigt werden können von Samstag an mehr als 70 Räume des Schlosses, von denen viele erstmals öffentlich zugänglich sind. Einige Prunksäle wie das Tressenzimmer, das Musikzimmer und das Ovale Kabinett des Unteren Fürstenquartiers wurden eigens restauriert. Zu sehen sind knapp 1500 Exponate auf 6000 Quadratmetern – 1000 gehören zur Ausstattung des Palais, 500 sind für die Schau dorthingebracht worden, die Hälfte davon als Leihgaben. Es ist die größte Ausstellung, die die Stiftung jemals organisiert hat. So entfaltet sich die ganze Überfülle spätabsolutistischer Herrscherrepräsentation. Dabei gilt es, besonders auf die Details zu achten. Die hinreißenden Schneeballvasen aus Meißener Porzellan, im Siebenjährigen Krieg in Sachsen erbeutet, rühmen Friedrichs Genie als Kriegsherr. Und die Caesar-Büste, die direkt gegenüber seiner Schreibtischkommode steht, bezeugt den Anspruch des „Philosophen von Sanssouci“, zu den Großen der Geschichte zu gehören.

„Friederisiko“ gelingt gleich ein doppeltes Wunder. Die Ausstellung schafft es, Architektur und Ausstattung des Neuen Palais gewissermaßen zum Sprechen zu bringen. Und sie lässt dem Besucher die Freiheit, sich selber ein Bild zu machen. Das beginnt schon damit, dass es drei Eingänge gibt, die einen jeweils anderen Zugang zu der in zwölf Kapiteln gegliederten Darstellung von Friedrichs Leben und seiner Zeit ermöglichen. Auf maulbeerfarbenen Stegen, die den kostbaren Parkettboden schützen sollen, führt der Parcours zu Themen unter Überschriften wie „Dynastie“, „Risiko und Ruhm“, „Tagesgeschäft“ oder „Europa und die Welt“. Der Weg ist nicht festgelegt, das passt zu einem Menschen, der schon seine Zeitgenossen in immer neuen Inkarnationen zu überraschen wusste, als gegen den Vater rebellierender Kronprinz, als den Dialog mit Voltaire suchender Musenfreund, als Reformer, Anti-Machiavellist und Kriegsheld, zuletzt als misanthropischer, stets mit Krückstock, Dreispitz und im abgewetzten Kriegsrock auftretender „Alter Fritz“.

Die Inszenierung kommt mit sparsamen Effekten aus. Im Musikzimmer der abgedunkelten Privatgemächer liegt eine von Friedrichs Querflöten in weißem Punktstrahlerlicht in einer Vitrine, daneben die Noten eines von ihm komponierten Flötenkonzerts, in schwungvoller Federschrift unterzeichnet mit „di Frederico“. Der König spielte allabendlich sein Instrument, er folgte Platons Auffassung, dass ein idealer Herrscher auch ein guter Musiker zu sein habe. Das Lesekabinett, ein schlichtes Zimmerchen mit tief heruntergezogener Decke, war das Refugium des Buchmenschen. Ausgestellt sind ein Band über den von Friedrich bewunderten König Ludwig XIV. von Frankreich und eine „Histoire des Empéreurs Romains“, die er noch kurz vor seinem Tod gelesen haben soll. Friedrich ließ in allen seinen Residenzen Bibliotheken mit den stets gleichen Büchern einrichten. Die Bibliothek im Neuen Palais gehört mit 2000 Bänden zu den am besten erhaltenen. Seine Vorliebe galt französischen und antiken Autoren, deutschsprachige Literatur verachtete er.

Beiläufig wird mit Legenden aufgeräumt. Friedrich ein Asket, der mit seiner persönlichen Sparsamkeit ein Vorbild für den Staatshaushalt setzte? Wohl kaum. Er verschlang kiloweise Kirschen, die im 18. Jahrhundert sündhaft teuer waren, für seine Außenwirkung war ihm kein Luxus zu schade. Die Ausstellung liefert Zahlen. Ein Kronleuchter, wie er im Neuen Palais dutzendfach zu finden ist, kostete 3000 Taler, dreimal so viel wie die Jahreseinnahmen aus dem Gut des Freiherrn von Trenck. Für das Gedeck eines KPM-Tafelservices waren 170 Taler zu zahlen, mehr als der Kämmerer Koeck als Jahresgehalt bekam (144 Taler). Allerdings gehörten Luxuswaren auch zur preußischen Standortpolitik. Pariser Uhren und sächsisches Porzellan wurden kopiert und imitiert, die Manufakturen blühten auf. Ein Schreibtisch mit angeschrägter Platte gilt als Friedrichs Erfindung, auch in den Entwurf von Seidentapeten soll er persönlich eingegriffen haben.

Und wie steht es mit Friedrichs Bescheidenheit? Auch eher ein Mythos. Friedrich Nicolai hat die Anekdote überliefert, dass der König entrüstet gewesen sei, als das Gemälde „Die Einführung des Ganymed in den Olymp“ an der Decke des Marmorsaals im Neuen Palais angebracht wurde. Da tragen Genien eine Tafel, auf der Friedrichs Initialen zu lesen gewesen sein sollen. Friedrich als Auftraggeber hätte sich quasi selbst in die Sphäre der Götter erhoben. Er habe, so Nicolai, das sofortige Übermalen angeordnet. Im Ausstellungskatalog zeigt die Kunsthistorikerin Franziska Wendt, dass Friedrich die Buchstaben bereits auf einer Entwurfsskizze hätte sehen müssen. Seine Empörung wäre gespielt gewesen.

Friedrich sei vor allem davon angetrieben worden, Ruhm zu erlangen, „gloire“, wie er es nannte. So lautet die These des Kurators Jürgen Luh, die er in einer Friedrich-Biografie („Der Große“, Siedler Verlag) weiter ausgeführt hat. Der flapsige Ausstellungstitel „Friederisiko“ weist auf einen spielerischen Charakterzug des Königs hin. Um sich als Held zu erschaffen, war er bereit, alles zu riskieren. Gleich nach der Thronbesteigung ließ er 1740 seine Truppen in Schlesien einmarschieren. Das verschaffte ihm Bewunderung und die ewige Feindschaft des Hauses Habsburg. Friedrich machte Preußen zur Großmacht, aber am Ende seiner Regentschaft war das Land ausgeblutet.

Friedrichs Militärgeschichte wird in der Schau nur knapp skizziert, vielleicht weil sie allzu lang patriotisch ausgebeutet wurde. Immerhin ein preußisches Offizierszelt, Kanonenkugeln und eine Ansicht vom brennenden Dresden sind zu sehen. Umso ausführlicher wird eine unbekannte Seite des Königs vorgestellt: sein Humor. 1742 schrieb Friedrich die Komödie „Der Modeaffe“, eine Farce, in der er die Eitelkeit eines Höflings verspottet. Das Lustspiel ist von der belgischen Künstlerin Isabelle de Borchgrave in acht Räumen der Prinz-Heinrich-Wohnung kongenial nachinszeniert worden, mit lebensgroßen Figurinen in Papierkostümen. Eine knisternde Rokoko-Show. Friedrichs Witz, erkennt man da, war filigran.

Neues Palais Potsdam, bis 28. Oktober. Der zweibändige Katalog (Hirmer Verlag) kostet 49 €.

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