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Frank O. Gehry: Den rechten Winkel aufgehoben ...

... und die Gerade abgeschafft: Zum 80. Geburtstag des Architekten Frank O. Gehry.

Abu Dhabi hat derzeit Dringlicheres zu tun, als die seit zwei Jahren verkündeten Museumsbaupläne umzusetzen, darunter ein neues Guggenheim-Museum. Die Finanzkrise hat selbst die finanzstarken Emirate erreicht. Für Frank Gehry, der die größte aller bisherigen Guggenheim-Filialen entwerfen soll, könnte neuerlich ein Großprojekt in Gefahr geraten – wie schon nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, in deren Folge der Plan für eine riesige Guggenheim-Filiale im südlichen Manhattan gleich ganz zerstob.

So oder so, Frank Gehrys Name ist mit spektakulären Ereignissen verbunden – nicht nur mit solchen der Architektur. Wie kein Zweiter hat er sich den Ruf eines signature architect, eines Architekten mit jedermann geläufiger Handschrift, erworben. Und so bestand denn auch der Scheich von Abu Dhabi darauf, ein Museum von ihm – und seinem ausgefuchsten Computerprogramm – zu erhalten, wie es Gehry im spanischen Bilbao zu beispiellosem Welterfolg geführt hatte. Gehry hat gezeigt, wie man mit spektakulären Bauten Aufmerksamkeit erzielt, für eine Stadt, eine Institution, ein Geschäftsmodell.

Schon seine ersten Bürobauten im heimischen Südkalifornien – etwa für eine Werbeagentur mit einem Eingangsbau in Gestalt eines überdimensionalen Fernglases – fielen aus dem Rahmen dessen heraus, was bis dahin als Architektur gelten durfte. In den sechziger Jahren hatte er, der damalige Nobody, sein Privathaus aus billigen Baumarktmaterialien zusammengeschustert, aber so, dass daraus eine geradezu poetische Qualität fern des Gewöhnlichen erwuchs.

Der Guggenheim-Ableger von Bilbao markierte 1997 den internationalen Durchbruch Gehrys, der lange, sehr lange nur Eingeweihten bekannt war, unter anderem durch zweckfreie Fisch-Skulpturen aus Glasplatten oder Experimentalmöbel aus Wellpappe. Gehry war der Erste, dem es gelang, skulpturale Ideen durch neuartige Computerprogramme in baubare Entwürfe zu übersetzen, die alle herkömmlichen Vorstellungen von architektonischer Schwerkraft außer Kraft setzten. Da wellen sich Dachhäute aus schimmerndem Titan, ragen dünne Brücken durch schwindelschräge Räume, geraten Wände ins Vibrieren. Der rechte Winkel ist aufgehoben, die Gerade abgeschafft – und doch, das eben ist Gehrys Genie, kommen nutzbare Räume zustande.

Gehrys Kür sind die Kulturbauten, wie in Bilbao oder bei der gewaltigen Konzerthalle von Los Angeles, aber auch beim vergleichsweise kleinen Museumsgebäude im westfälischen Herford, wo sich Backsteinwände wie Gummimatten wölben. Die Alltagsarbeit gewöhnlicher Bürobauten muss sich, schon aus Renditegründen, eher bloß mit schrägen Fenstern und Fassaden begnügen. Eine strahlende Ausnahme bestätigt die Regel: das Doppelgebäude „Ginger und Fred“ am Prager Moldau-Ufer, das sich aufs Schönste in die historische Bebauung einfügt.

Bereits 1989 erhielt der aus dem kanadischen Toronto gebürtige, aber seit 1947 in und bei Los Angeles lebende Gehry den renommierten Pritzker-Preis. Damals war er gerade mit dem dekonstruktivistischen Vitra Design Museum im südbadischen Weil aufgefallen. Doch die Auszeichnung erwies sich als prophetisch, setzten doch nun in dichter Folge seine innovativen Entwürfe ein. Darunter auch für Berlin: die DZ-Bank am Pariser Platz, mit der er die Forderungen des „Steinernen Berlin“ auf höchst intelligente Weise ebenso erfüllte wie zugleich unterlief – im Inneren erneut mit einem fischähnlichen Einbau, wie ihn Gehry seit seinen Anfängen so liebt.

Alles hat Gehry erreicht – beinahe. Den uramerikanischen skyscraper hat ihm kein Bauherr je anvetraut, und selbst im Nahen Osten, wo die Riesentürme bislang nur so aus dem Wüstenboden schossen, soll es eben wieder ein Museum sein. Wenn es denn wird. Heute feiert Frank O. Gehry seinen 80. Geburtstag.

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