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Ins Netz. Die Polynesier glaubten, dass die Inseln der Archipele aus der See gefischt wurden.

© SMB/Markus Reymann/TBA21–Academy

„Fishing for Islands“ im Hamburger Bahnhof: Der Roboter tanzt in der Tiefsee

Wunderbare Wasserwelten: Die Konferenz „Fishing for Islands“ im Hamburger Bahnhof befasst sich mit den Ozeanen und ihrer Gefährdung durch den Menschen.

Wem gehören die Ozeane? Das Seerechtsübereinkommen der UN gibt eine eindeutige Antwort: uns allen. Die Meere sind gemeinsames Erbe der Menschheit, heißt es in der 1994 ratifizierten Konvention. Leider geht der Mensch nicht sehr pfleglich mit diesem Erbe um.

Mit dem Zustand und der Zukunft der Weltmeere beschäftigte sich eine Veranstaltung am Wochenende im Hamburger Bahnhof. Der Titel „Fishing for Islands“ bezieht sich auf einen polynesischen Schöpfungsmythos, demzufolge die Inseln der Archipele aus dem Meer gefischt wurden. Entsprechend konnten die Besucher das Programm aus einem mit Wasser gefüllten Blecheimer fischen. Hinter dem Projekt steht die in Wien beheimatete Stiftung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, die Künstlern, Wissenschaftlern und anderen Denkern seit 2011 Reisen zu den entlegenen Pazifikregionen ermöglicht. Das angesammelte Wissen sollte nun im Hamburger Bahnhof geteilt werden, samt Geruchs- und Soundperformances die gesamte Nacht zum Sonntag hindurch.

Wer hierher kommt, liebt den Ozean wahrscheinlich sowieso, schaut sich auf Sitzsäcken lümmelnd grandiose Unterwasseraufnahmen an oder, bereits am Freitagabend, einen Zirkus, den die Kuratorin Chuz Martinez organisiert hat. Zwei Akrobaten mit verspiegelten Masken und Roboterhänden vollführen eine Art Ballett, und die Künstlerin Shabnam Virmani singt Lieder des indischen Mystikers Kabir. Auch wenn man sich im trüben Berliner Oktober ziemlich weit weg von allem Ozeanischen fühlt: „Das Meer beginnt in Berlin“, sagte Meeresaktivist Kai Kaschinski bei einer Diskussion am nächsten Tag. Alles, was wir hierzulande tun, hat Auswirkungen auf die Weltmeere. Und umgekehrt, die Meere haben Auswirkungen auf die hiesigen Flüsse und das Klima.

Bald sollen Mineralien aus dem Meer gefördert werden

Die tanzenden Roboterhände aus Chuz Martinez’ Zirkus versteht man spätestens bei der Videoinstallation „Oceans“ von Armin Linke. Sie zeigt Bilder, die ein ferngesteuerter Roboter in 5000 Metern Meerestiefe aufgenommen hat. Dort, wo Menschen nicht mehr tauchen können, vollführt der Roboter einen Tanz, wühlt Sediment auf, nimmt Proben. Zu den Bildern blendet Linke, der Forscherteams bei Expeditionen begleitete, Zahlen und Fakten ein: die Koordinaten der Orte, die Namen der beteiligten Wissenschaftler.

Die Meeresforschung, so lernt man bei einer Diskussion, ist komplex und teuer. 150 000 Euro kostet der Roboter pro Tag. Teurer ist nur die Weltraumforschung. Und während die Wissenschaft das weitgehend unbekannte Ökosystem in der Tiefsee analysiert, soll sie auch schon die Folgen von dessen Zerstörung abschätzen. Im Meeresboden lagern Kupfer, Gold, Mangan und andere Erze, die mit ferngesteuerten Bulldozern abgebaut werden könnten. Technisch ist es möglich. Deep Sea Mining, Tiefseebergbau, lautet das Stichwort. 2018 soll es losgehen. Aber es könnte schwerwiegende ökologische Folgen haben.

Es brauchte eine neue Debatte

Hier kommt das Seerecht wieder ins Spiel. Wer den Abbau der Tiefseeressourcen reguliert, ist im Moment noch nicht festgelegt. Auskunft dazu gibt im Hamburger Bahnhof der Seerechtsexperte Davor Vidas, der es genießt, vor einem Kunstpublikum zu sprechen. Die Gesetze für die See sind aufs Zeitalter des Holozän zugeschnitten, von dem man glaubte, das es für immer dauert, so Vidas. Das Anthropozän allerdings verlange neue Regularien. Wie wir mit dem Meer umgehen, das sollte eine gesellschaftliche Debatte sein, keine rein ökonomische.

Hier kommt die Kunst ins Spiel. Sie kann sich einmischen. Und vielleicht dazu beitragen, dass wir verstehen, worum es überhaupt geht.

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