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Zauberstimme. Die kanadische Musikerin Leslie Feist, 41.

© Daniel DeSlover/Imago

Feist live in Berlin: Die Farbe Pink

Die kanadische Musikerin Feist spielte im ausverkauften Berliner Tempodrom ihr Album "Pleasure" vollständig durch - und obendrauf gab's alte Hits.

Ein Paralleluniversum schwebt am Bühnenrand. Um eine globusartige Kugel kreist ein Planetensystem, das aus Instrumenten besteht. Eine Triangel ist dabei, ein Becken, ein Mini-Tamburin, eine Kuhglocke. Das gelegentlich angestrahlte und langsam kreisende Mobile bringt eine hippieske Note ins ausverkaufte Tempodrom.

Gleichzeitig ist es ein hübsches Sinnbild für Leslie Feists Lebenseinstellung. Mit der Deko scheint die 41-jährige Kanadierin zu sagen: Mein Universum ist Klang, meine Welt die Musik. Und wohl auch die Rettung, denkt man an ihre Aussagen zum aktuellen Album „Pleasure“. Sie hatte es im April nach sechs Jahren Stille veröffentlicht, in denen sie eine Trennung und eine Krise durchstehen musste.

Jetzt scheint sie ihre Freude wiedergefunden zu haben. Programmatisch steht der Titelsong am Beginn der Platte und des Konzertes. Feist trägt ein pinkfarbenes, ärmelloses Rüschenkleid – dieselbe Farbe dominiert auch das Cover von „Pleasure“. Zunächst steht sie ganz allein im vernebelten Scheinwerferlicht und tupft auf gedämpften E-Gitarren-Saiten das Intro, bevor ihre drei Musiker einsteigen und den Song im rosa Licht allmählich zum Abheben bringen. Eine pochende Bassdrum, ein paar Synthies, Harmoniegesang, alles sehr präzise und sachdienlich gesetzt. „Pleasure, it’s my pleasure/ It’s my pleasure, it’s my pleasure/ That’s what we’re here for!“, singt Feist zu ihrer immer intensiver angeschlagenen Gitarre. Und die besungene Freude springt tatsächlich über.

Atemberaubend wie ihre Stimme abhebt

Feist spielt alle elf Songs von „Pleasure“ in derselben Reihenfolge wie auf dem Album. Ein recht selbstbewusstes Statement, kennt man solche Komplettaufführungen sonst nur von Klassikern und Kultalben. Doch es funktioniert gut, zumal das Album so abwechslungsreich ist. Schnarrten dort noch manchmal die Saiten und surrten die Geräte, ist das Klangbild live etwas sauberer, ohne aber poliert zu wirken. „I Wish I Didn’t Miss You“ hat seine an Cat Power erinnernde Düsternis dadurch eingebüßt, großartig allerdings: der Mikrofon-Effekt, der Feists Gesang vor dem Refrain zersplittert. Ihre immer mal wieder mit Hall und Verzerrung manipulierte Zauberstimme ist ohnehin die größte Attraktion der mehr als zweistündigen Show. Wie sie etwa in „Baby Be Simple“ die Vokale in die Länge und in die Höhe zieht, ist atemberaubend.

Die Akustikgitarre ist an diesem Abend Feists Hauptinstrument. Sie spielt sie meist ohne Plektrum in einer behänden Mischung aus Zupfen und Schlagen. Genau wie ihre mit einem bunten Bommelfuchsschwanz behängte E-Gitarre, die sie sich für das PJ-Harvey-artige „Century“ umhängt. Und ja, Rockpower haben die vier da vorne auch.

Sogar ihr Hit "1234" kommt als Zugabe

Feist ist gut gelaunt, macht witzige Anmerkungen zu kanadischen Eigenheiten, erinnert sich an ihre Zeit in Berlin und lädt zum Finale der „Pleasure“-Aufführung ein, die Gänge des bestuhlten Saals und den Raum vor der Bühne zum Tanzen zu nutzen. Das Publikum geht darauf ebenso ein wie auf ihre vielen Mitsing- und Klatschangebote. Im Innenraum bleiben die meisten danach stehen und freuen sich an älteren Songs wie „My Moon, My Man“, „The Bad In Each Other“ und dem sehr anmutig im Discokugellicht walzenden „Let It Die“.

Im Zugabenteil, den Feist zunächst allein bestreitet, spricht sie über einen Song, der über zehn Jahre nicht wollte, dass sie ihn spielte. Er sei in der Welt unterwegs gewesen, habe viel erlebt und dann plötzlich wieder an ihre Tür geklopft. Sie beginnt zu singen: „One, two, three, four“, und die Fans antworten: „Tell me that you love me more“. Ihr größter Hit, schön, dass sie ihn wiederhat.

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