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Kultur: Falscher Hase Die Malerin Valérie Favre bei Barbara Thumm

Pferde, überall Pferde. Oder will man die Pferde nur sehen, um sich die Grausamkeit in Valérie Favres absurder Bildwelt schön zu malen.

Pferde, überall Pferde. Oder will man die Pferde nur sehen, um sich die Grausamkeit in Valérie Favres absurder Bildwelt schön zu malen. Diese Tiere wären dem Menschen nahe, ihm treu und wohl gesonnen, wird immer behauptet. Aber was, wenn man Pferde nicht mag – mag man dann auch das Werk der Malerin in der Galerie Barbara Thumm nicht?

Es sind auch andere Wesen auf den großen Leinwänden zu sehen. Verschiedene Gestalten und Dinge besiedeln die meist riesigen Bildflächen – merkwürdige Gesellschaften oder gruselige Einzelmenschen, Masken und mythologische Figuren. Valérie Favre, die seit fünf Jahren als Professorin für Malerei an der Berliner Universität der Künste (UdK) lehrt, malt fast immer figurativ. Dennoch bleibt unklar, was eigentlich dargestellt ist. Genauso wenig lässt sich vom Titel auf den Inhalt schließen. „Teddy“ heißt eines der Bilder. Zu sehen ist ein weißes Pferd, das frontal platziert und dennoch in sich verdreht ist. Ein anderes heißt wie der Ausstellungstitel: „The Art of Watching Birds“ – nur wo sind die Vögel? Sind es die sechs maskenhaften Gestalten im Hintergrund?

Es werden Geschichten erzählt. Die überwiegend düsteren und dicht bemalten Bilder leiten diese surreale, träumerische Erzählwelt ein. Valérie Favre nennt sich selbst eine „falsche Schriftstellerin“, die gerne schreiben würde, sich aber besser darauf versteht, malend Emotionen herzustellen. Mit Fläche, Farbe und ganz ohne Wortkollektive. Das gelingt ihr. Die undeutlichen, schemenhaften Narrationen kommen aus ihrem Kopf und gehen direkt ins Bild. Selbst wenn sich der Betrachter die unmittelbaren Fragen nicht beantworten kann, entdeckt er genug: vom Motiv über den dick geschichteten Farbauftrag.

Das Werk ist vielseitig und weder auf Genres noch Themen festlegbar: Landschaften, Zirkus-Szenen, Tod auf Leinwänden, aber auch Papierzeichnungen. Der Tod bestimmt oft das Bildgeschehen. Am deutlichsten wird dies in jenen Arbeiten, die Teil der fünfzigteiligen Reihe „Selbstmord“ sind: ein Kniender mit Messer im Rücken, ein Toter am Galgen – ganz nüchtern. Ergänzend sind kleinteilige Collagen ausgestellt. Wortfetzen und Ausschnitte von schwarz-weißen Kopien werden durch Muster und Kritzeleien miteinander vernetzt wie auf einem Schmierzettel. Sie erinnern an Dada: das Spiel aus Schrift und Bild. Aus der „falschen“ scheint hier eine „echte“ Schriftstellerin zu werden, die Worte zu Sätzen fügt. In den Skizzen wirken die Aussagen eindeutiger und spontaner. Wie eine Ahnengalerie hat Valérie Favre Köpfe toter Prominenter platziert: neben Kurt Cobain klebt Kleist. Bei genauer Betrachtung entdeckt man auch hier ein Pferd. Und Eulen. Und dazwischen den Satz: „Je peux regarder?“ – „Non“. Paulina Czienskowski

Galerie Barbara Thumm, Markgrafenstr. 68; bis 21.4. Di–Sa 11-18 Uhr.

Paulina Czienskowski

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