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Flower Power. Sänger Mike Patton von der Rockband Faith No More.

© Sven Hoppe/dpa

"Faith No More" live in Berlin: Die rockende Yoga-Truppe

Wucht und Wärme: Faith No More rocken in der Zitadelle Spandau. Vor Hippie-Blumendeko. Aber was soll's: Sänger Mike Patton beschwört knallvoll die großen Zeiten seiner Alternative-Rock-Band herauf.

Was ist denn hier los: eine Hippie-Feier? Eine Yoga-Gruppe beim „Om“-Singen? Alle tragen Weiß, hinten hängt ein weißer Vorhang und sogar die Monitorboxen sind mit weißem Stoff überzogen. Dazu überall üppige Blumengestecke. Nicht gerade die Standard-Bühnendekoration für gestandene Rockbands, aber was soll‘s: Es sieht echt hübsch aus. Zudem passt das Weiß gut zu den weiß-grauen Haaren und Bärten der Faith No More-Mitglieder, und es lässt Sänger Mike Patton schön herausstechen, denn seine kurzen zurückgegelten Haare sind immer noch voll und dunkelbraun. 

Der 47-Jährige ist das Kraftzentrum der kalifornischen Band. In kleinem Radius tigert er auf der Bühne herum, fuchtelt mit einem Megafon als sei es eine Pistole und demonstriert vom „Om“-Brummen bis zum Extremkreischen die extreme Wandlungsfähigkeit seiner Stimme. Im Nu beschwört er in der knallvollen Zitadelle Spandau die großen Zeiten seiner Band herauf. In den neunziger Jahren waren Faith No More eine der prägenden Alternative-Rock-Formationen, die sich meisterhaft darauf verstand, ihrem Sound Pop,- Funk,- und Rapelemente beizumischen. Wucht trifft Melodik, Härte triff Zartheit  - diese Formel hat sie zu einigen Hits geführt. 

Ein perfektes Beispiel dafür ist „Epic“, mit dem das Quintett nach etwa 20 Minuten einen ersten umjubelten Höhepunkt setzt. Patton spuckt seinen Rap-Text über den harten Zack-Rhythmus von Bass und Schlagzeug, um die Spannung dann ansatzlos im gedehnt gesungene Refrain aufzulösen. Jon Hudson feuert ein Aggro-Riff an der Gitarre ab, die Keyboards heben ab. Klingt ein viertel Jahrhundert nach Entstehung des Songs immer noch klasse, etwas aus der Zeit gefallen allerdings auch.

"Sol Invictus" ist das erste Album seit 18 Jahren

Das gleiche gilt für „Sol Invictus“, das gerade erschienene neue Album von Faith No More. Es ist ihr erstes seit 18 Jahren, die Band war lange getrennt, kam erst 2009 für eine Reunion-Tour wieder zusammen. Ähnlich wie bei den Brit-Pop-Kollegen von Blur gab es immer Gerüchte um ein neues Album. Wegen der vielen Band-Projekte der Sänger erschien es aber in beiden Fällen eher unwahrscheinlich. Und dann kam eben doch eine Platte. Sie klingt wie früher, ohne dabei peinlich oder wie eine reine Selbstkopie zu wirken. Was man wahrlich nicht von allen Comeback-Alben des derzeitigen Neunziger-Revivals behaupten kann. 

Faith No More sind zu Recht stolz auf die zehn neuen Stücke. Selbstbewusst eröffnen sie ihren Auftritt denn auch mit dem „Sol Invictus“-Titel „Motherfucker“ und spielen in den folgenden 90 Minuten noch sechs weitere Lieder von der Platte. Die meisten werden vom Ü-40-Publikum freundlich aufgenommen. So auch „Sunny Side Up“, das mit seiner Akustikgitarren-Schellenkranz-Begleitung einen willkommenen Entspannungsmoment schafft. Abgesehen vom wühlenden Bass erinnert es leicht an die Violent Femmes. 

Zwischen den Liedern macht sich Mike Patton einen Spaß daraus, ein paar deutsche Worte wie „Spandau“, „sehr gut“ oder „eins, zwei, drei“ ins Mikro zu bellen, wobei seine Aussprache von Nazi-Filmen inspiriert zu sein scheint. Nimmt ihm hier niemand übel, stattdessen wird eifrig mitgesungen. Entgegenkommenderweise interpretiert die Band ihre alten Songs ziemlich originalgetreu, nur bei „Midlife Crisis“ wagt sie mal ein Experiment: In der Mitte verstummen alle fünf Musiker abrupt, und als die alleine weitermachenden Fans schon denken, das war‘s jetzt, startet die Gruppe das Stück in einer lustigen Schmalzpop-Version nochmal neu. 

Die Coverversion von „Easy“ spielen Faith No More dann wieder in bewährter Klavier-Balladen-Schunkelmanier - die Diskokugel am Bühnenhimmel glitzert und wirft kreiselnde Punkte ins lila Licht. Die Wolken leuchten orange dazu. Es ist Pärchen-Umarmungszeit. Hier stört es dann auch nicht, dass man sich das Konzert eigentlich etwas lauter wünschen würde. Ein paar Dezibel packt das Publikum beim Zugaben-Knaller „We Care A Lot“ dann selber drauf: Der kräftigen „Wo-o-o-o-ohh“-Background-Chor hätte sich auch drüben im Olympiastadion beim Champions-League-Finale gut gemacht.

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