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Mit der Faust. In ihrem Gemälde „Fight against Abstraction“ von 1947 nimmt Fahrelnissa Zeid den Kampf wörtlich.

©  DB-Kunsthalle

Fahrelnissa Zeid in der DB-Kunsthalle: Erfolgreich, kosmopolitisch – und später vergessen

Wiederentdeckung einer Pionierin: Die Deutsche Bank-Kunsthalle zeigt das Schaffen einer der ungewöhnlichsten türkischen Malerinnen - die auch mal in Berlin lebte.

Das ist die Hölle, ein Albtraum des Horror Vacui. „My Hell“ hat Fahrelnissa Zeid ihr 1951 gemaltes Powerpaket genannt. Das über fünf Meter breite Querformat dominiert den Saal in der Deutsche Bank KunstHalle mühelos. Wer nähertritt, wird von dem Gewimmel aus geometrisch zersplitterten Kleinteilen aufgesogen. Man kann sich daran aber auch mit Energie aufladen wie an einer Starkstromquelle. Was hier pulsiert, ist emotional aufgewühlt, grafisch gebändigt, absolut modern und trotzdem in der Tradition orientalischer Ornamentik verwurzelt. Opulente Kurven greifen gestisch über die Fläche. Dreiecksformen proben Variation und Wiederholung. Nadelspitze Strukturen verdichten sich wie gebleckte Zähne. Und ein schwarzes Loch im Zentrum der gewaltigen abstrakten Komposition droht alle Formen zu verschlingen.

Die 1901 geborene Künstlerin selbst sprach von einem Vulkan, wenn sie ihren eruptiven Schaffensprozess beschreiben wollte. Dieses Meisterwerk präsentierte sie seinerzeit im Musée des Beaux-Arts der Stadt Paris. Auch in London war sie in wichtigen Galerien vertreten. Die exzentrische Fahrelnissa Zeid war eine Ausnahmeerscheinung, erfolgreich, kosmopolitisch – und später trotzdem vergessen. In der Türkei wurde sie in den 90er Jahren wiederentdeckt. Der Westen, wo sie ihre Karriere startete und den Durchbruch erlebte, hat noch Nachholbedarf. Die zuvor in der Tate Modern gezeigte Retrospektive bringt die Künstlerin zurück nach Berlin, wo sie tatsächlich einige Jahre gelebt hat.

Um möglichst viel aus ihrem wechselvollen Schaffen zeigen zu können, wurde in der DB-Kunsthalle extra eine Zwischenetage eingezogen. Vom frühen Porträt ihrer Großmutter, das die 14-Jährige zeichnete, über ihre farbintensiven Figurenszenen der 30er bis zum späten Porträtschaffen lässt sich die gesamte Spanne überblicken. Nichts jedoch ist so spannend wie ihre abstrakten Arbeiten – und ihre Lebensgeschichte.

Die Künstlerin führte ein bewegtes Leben

Fahrelnissa Zeid wird auf einer Insel bei Istanbul in eine osmanische Adelsfamilie geboren. Als eine der ersten Frauen studiert sie 1919 Kunst in Istanbul, erlebt die Modernisierungspolitik von Kemal Atatürk, setzt ihr Studium in Paris fort. Ein Foto zeigt sie als moderne Frau mit Kurzhaarschnitt und geschminkten Lippen. Jung heiratet sie zuerst einen Schriftsteller und Geschäftsmann, dann in zweiter Ehe Prinz Zeid Al-Hussein, einen Bruder des irakischen Königs. Ab nun ist sie Teil des Königshauses. Als er 1934 zum ersten Botschafter des Königreichs Irak nach Berlin berufen wird, bewährt sie sich als Diplomatengattin. Mit Hitler soll sie beim Tee in der Reichskanzlei über Kunst geplaudert haben.

Der Zweite Weltkrieg beendet die Berliner Episode. Danach in Bagdad kämpft die Künstlerin mit Depressionen. Erst ab 1946 in London, der nächsten Diplomatenstation ihres Mannes, blüht sie auf. Sie richtet sich im Botschaftsgebäude ein Atelier ein, verkehrt mit Henry Moore, Chagall, de Chirico und pendelt in ihre Lieblingsstadt Paris. In ihrem dortigen Studio entstehen die fulminanten, abstrakten Werke des nächsten Jahrzehnts. Auf dem Gemälde „Fight against Abstraction“ von 1947 wird der Kampf mit der neuen Bildsprache buchstäblich mit bloßer Faust ausgetragen. Dann ist der Durchbruch da: „Resolved Problems“ heißt ein Titel 1948.

1958 wird die gesamte Familie ihres Mannes Zeid Al-Hussein beim irakischen Staatsstreich ermordet. Erst Mitte der 60er malt Fahrelnissa Zeid wieder: Erinnerungsporträts ihres Vaters, ihrer Freunde. Parallel entstehen Assemblagen aus bemalten Hühnerknochen in Kunstharz, aber keine abstrakten Werke mehr.

In einem späten Selbstbildnis imaginiert sich Fahrelnissa Zeid als „Someone from the Past“: eine strahlend schöne, junge Prinzessin mit übergroßen Augen und einem schwarz-goldenen Kleid, dessen Extravaganz zwischen Barock und Byzanz changiert. Das abstrakte Muster gibt der Figur Halt. In ihrer Malerei erfand sich Fahrelnissa Zeid neu und löste sich aus allen Traditionen ihrer Herkunft. Aber sie schrieb diese zugleich fort: mit Werken, die zwischen Pollocks freier Gestik und formstrenger orientalischer Ornamentik ihrem eigenen Kompass folgen.

DB-Kunsthalle, Unter den Linden 13/15, bis 25.3.; tägl. 10–20 Uhr.

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