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Mohsin Hamid mit seinem Buch "Exit West", das es auf die Shortlist des Man Booker Preises geschafft hat.

© AFP/CHRIS J RATCLIFFE

„Exit West“ von Mohsin Hamid: Türen ins Glück

Utopie des friedlichen Zusammenlebens: Der pakistanische Autor Mohsin Hamid erzählt in „Exit West“ von einer Liebe auf der Flucht.

Mohsin Hamid hat sich schon oft in fremde Umgebungen eingelebt. 1971 in Lahore, der Hauptstadt Pakistans, geboren, verbrachte er sein halbes Leben in Kalifornien, New York und London. In Harvard und Princeton studierte er Jura und Literatur. Mittlerweile lebt Hamid wieder in seiner Heimatstadt. In seinem vierten Roman „Exit West“ erzählt er die Geschichte von Nadia und Saeed. Die beiden verlieben sich in Zeiten eines namenlosen Bürgerkriegs. Auch Stadt und Land werden nicht genannt. Hubschrauber und Drohnen kreisen am Himmel, Bomben schlagen ein, Menschen sterben bei Anschlägen oder verschwinden spurlos.

Als die Umstände lebensbedrohlich werden, fliehen Nadia und Saeed durch „unbewachte Türen“, die ihnen Zutritt zu einem besseren Leben verschaffen. Die Türen sind die Utopie einer direkten Verbindung, sie ermöglichen eine Flucht ohne Meeresüberquerungen oder andere Strapazen. Nach Aufenthalten in einem Auffanglager auf Mykonos und in London, gelangen sie durch eine weitere Tür nach Marin, eine neu errichtete Stadt am Pazifischen Ozean. Die Liebe des jungen Paares übersteht die Flucht nicht: Nadia ist die Progressive, sie genießt die Freiheit in einem weniger autoritären Umfeld. Saeed verhält sich zunehmend konservativ, immer häufiger betet er und sucht die Nähe zu seinen Landsleuten.

Der Roman hat etwas Sperriges

„Exit West“ ist ein Roman über Flucht und Migration im 21. Jahrhundert. Anfangs spielt er noch in einem realistischen Umfeld, doch er endet in einer Traumstadt, in der alle Menschen Neuankömmlinge sind und in Frieden miteinander leben. Kurze Szenen aus verschiedenen Großstädten der Welt erweitern das Blickfeld: „Wir sind alle Migranten in der Zeit“, heißt es einmal, selbst wenn wir unser Haus nie verlassen.

Dieser Gedanke ist in seinem Humanismus berührend – was sich von dem Roman nicht unbedingt sagen lässt. Hamids Roman „Der Fundamentalist, der keiner sein wollte“ (2007) stand auf der Shortlist des Man-Booker-Preises und wurde millionenfach verkauft. Auch „So wirst du stinkreich im boomenden Asien“ (2013) wurde gefeiert. „Exit West“ dagegen hat etwas Sperriges. Die Sätze erstrecken sich über mehrere Zeilen hinweg und sind irritierend zerhackt: „Nadia und Saeed wussten, wie es sich anfühlte, wenn sich ein bewaffneter Konflikt zusammenbraute, und die Stimmung, die sich in diesen Tagen in London ausbreitete, war ihnen nicht neu, und sie stellten sich ihr, nicht unbedingt mit Tapferkeit, auch nicht mit Panik, meistens jedenfalls, sondern mit einer Resignation, in die sich immer nervöse Anspannung mischte.“ Ein überkorrekter Erzähler ist allzu sehr um Genauigkeit bemüht und zerstört dadurch den Erzählfluss.

Viele sprachliche Klischees

Immer wieder kommt man sich wie ein Kind vor, dem jede Begebenheit bis ins letzte Detail erklärt wird. Die Dialoge wirken hölzern und verstärken die Distanz zum Geschehen. „Das Ende der Welt kann manchmal richtig gemütlich sein“, sagt Saeed, als er mit Nadia bei einem Stromausfall unter einer Decke bei Kerzenschein sitzt. Man weiß schon, was er sagen will, aber der sprachliche Ausdruck erinnert zu sehr an eine schlechte Vorabendserie, als dass man darüber hinweglesen könnte.

Störend sind auch die vielen Klischees: ein „schiefes Lächeln“, ein „erstickter Schrei“, „die sogenannte Ruhe vor dem Sturm“, der Vater, der sich „mit feuchten Augen zum Gehen wandte“. Nicht jeder Roman muss eine neue Sprache finden. In der Zusammenschau der Ungeschliffenheiten stolpert man aber umso mehr. In einem Interview sagte der Autor, ein Teil der aktuellen politischen Krise sei unsere Unfähigkeit, uns eine erstrebenswerte Zukunft vorzustellen. Mit „Exit West“ beweist er immerhin, dass er zu solchen Gedankenexperimenten fähig ist.

Mohsin Hamid: Exit West. Roman. Aus dem Englischen von Monika Köpfer. DuMont, Köln 2017. 224 Seiten, 22 €.

Anne-Sophie Schmidt

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