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Beim Black-Flag-Konzert 1983 im SO 36.

© promo

Ewiges Revival der achtziger Jahre: Im Dschungel der Zeit

Die achtziger Jahre sind präsent wie nie: mit Wolfgang Müller, Nick Cave, Martin Kippenberger und vielen anderen. Nur gut, dass das Café M im neuen Jahrtausend angekommen ist.

Es muss Mitte der neunziger Jahre gewesen sein, als das ewige Achtziger-Revival begann. Womöglich ging es mit Christian Krachts „Faserland“ los. Dieser Roman erschien 1995 und las sich wie ein Buch aus der „Tempo“-Literaturschmiede: Barbourjacken-Held, Markenfetischisierung, Zynismus, all das. Seitdem sind die Achtziger dauerhaft präsent, in Mode und Kultur, Politik und Gesellschaft, und wenn es das Privatleben von Helmut Kohl ist, das für stets neuen Gesprächsstoff sorgt. Vielleicht waren sie ja auch das letzte authentische Jahrzehnt, konnte man doch damals nicht nur authentisch Angst haben (Atomkrieg, Waldsterben etc.) und sich authentisch engagieren, sondern sich auch authentisch allem Authentischen verweigern.

Im Moment befinden sich Teile des Kulturbetriebs wieder ganz fest im Griff der achtziger Jahre, auch wenn es dabei weniger um Revitalisierung als um Historisierung geht. Wolfgang Müller hat gerade ein Buch veröffentlicht, in dem er eine Geschichte der West-Berliner Subkultur von 1979 bis 1989 zu erzählen versucht. Das ist ihm zwar nicht ganz gelungen, weil er und seine Band von damals, Die Tödliche Doris, ihm im Weg stehen, man muss das Ganze wohl auch als Tödliche-Doris-Biografie verstehen und lesen. Die damalige Zeit aber vermittelt sich trotzdem: soviel Kreativität, Düsternis und Verweigerung, so viel Risiko, so viele Dschungels, so viele echte falsche Heinos, die gegen den echten falschen Heino von heute ja ein Ausbund an Authentizität waren, so viele Bierdosenstapel! Keine Rolle spielen in Müllers Buch Nick Cave und Konsorten, die bis zum Mauerfall den Sound der geteilten Stadt prägten und diesen auch in die Restrepublik und Welt trugen. Macht aber nichts: Von Nick Cave und den Bad Seeds gibt es ein neues Album, das so gut ist wie die aus seiner West-Berliner Zeit, auch weil er es darauf nicht anlegt, es noch einmal krachen zu lassen wie früher. Ja, und dann ist da noch die große Kippenberger-Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Abgesehen davon, dass Kippenbergers Kunst eine einzige Zeitreise ist, sein Humor, seine Kaputtness - man trifft hier auch viele bekannte Gesichter von früher. Ach, ist das nicht der Typ, der 1988 im Rösli immer Country-Platten aufgelegt hat? Und dort, die Zahnärztin von Blixa Bargeld und Oskar Roehler! Und da, jene Dame, genau, die hat doch früher immer im Café M an der Theke gestanden! Gut nur, dass es das M noch gibt – von den achtziger Jahren ist hier keine Spur mehr, nicht mal mehr die ewigen Stammkunden (M_People!) kommen noch.

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