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Der Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker Iffland als "Pygmalion" in dem Stück "Pygmalion" von J.-J.Rousseau. Gemälde von Anton Graff, 1800.

© epd

Erinnerung an Iffland: Eine Bühne für alle

Der großen Berliner Theaterdirektor August Wilhelm Iffland leitete eine königliche Bühne, zielte aber aufs breite Publikum. Erinnerung an einen zu Unrecht vergessenen Künstler, zum 200. Todestag des Schauspielers, Dramatikers und Theaterpioniers.

Anfang des Jahres sorgte August Wilhelm Iffland für einiges Aufsehen. Eigentlich ist er ein weithin in Vergessenheit geratener Künstler, aber als das verloren geglaubte Archiv aus Ifflands Berliner Direktionszeit im Angebot eines Wiener Antiquars auftauchte, macht der historische Theatermann unversehens Furore. Nach zähen Verhandlungen konnte die Berliner Kulturbehörde das umfangreiche Aktenmaterial in die Hauptstadt zurückholen – Kulturgut von nationalem Rang. Heute befinden sich die 34 Bände mit ihren 6000 Seiten in der Obhut der Akademie der Wissenschaften. Ifflands Berliner Zeit kann nun im Detail erforscht werden, auch wenn wichtige Teile der Korrespondenz dem Diebstahl zum Opfer fielen, etwa der Briefwechsel mit Schiller.

Am 14. November 1796 wird Iffland von Friedrich Wilhelm II. als Direktor an die Spitze des Königlichen Nationaltheaters berufen. Das Datum markiert einen Wendepunkt in der Berliner Theatergeschichte: Noch nie zuvor wurde einem Theaterdirektor bürgerlicher Herkunft so viel Macht zugestanden.. Sechs Jahre lang hatten beide Seiten ihre Bedingungen sondiert, Iffland kann mit dem Ergebnis zufrieden sein. Der 1759 in Hannover geborene Sohn eines Revisors, dessen Theaterlaufbahn in Gotha und Mannheim begonnen hatte, ist längst ein gefeierter Darsteller und Bühnenautor. Nun wird er zum wichtigsten Theaterdirektor der Nation.

Unter Iffland erfährt das Nationaltheater seine dringend nötige Anerkennung

Iffland ist überzeugt davon, dass ein Theater nur gedeihlich arbeiten kann, wenn alle Macht in einer Hand liegt. Unter Ifflands Regie kommen jedenfalls Aufführungen zustande, die der Bühne die so dringend nötige gesellschaftliche Anerkennung bringt. Das Nationaltheater ist ein Mehrspartentheater. Ifflands literarisch wie musikalisch ausgewogener Spielplan entspricht den Vorstellungen seines königlichen Dienstherrn, der mit dem Begriff Nationaltheater lediglich die Hebung des literarischen wie organisatorischen und künstlerischen Niveaus seiner Bühne verbindet.

Aber der König stirbt früh, 1997. Das sorgt zunächst für einige Unsicherheit, bis Iffland erkennt, dass er in Friedrich Wilhelm III. einen Gleichgesinnten findet. Auch wenn dessen sprichwörtlicher Geiz und mangelnde Entschlussfähigkeit das Theater belasten wird.

1798 suchte der Theaterdirektor den Kontakt zu Friedrich Schiller – die „Wallenstein“-Trilogie liegt im Druck vor. Schiller ist bereit, die drei Dramen nach Berlin zu geben, nicht zuletzt wegen der verlockenden finanziellen Bedingungen, die Iffland ihm in Aussicht stellt. Im Februar 1799 gehen nach intensiver Probenarbeit „Die Piccolomini“ über die Bühne des kleinen Französischen Komödienhauses auf dem Gendarmenmarkt. Der Erfolg ist überwältigend, sowohl für Schiller als auch für den Regisseur Iffland.

In den folgenden Jahren bringt Iffland sämtliche späte Dramen Schillers zur Aufführung, begleitet von einem regen Gedankenaustausch mit dem Dramatiker über theoretische Fragen eines modernen Theaters wie auch über theaterpraktische Probleme seiner Zeit. Denn anders als heute musste das Theater seinerzeit den größten Teil seines Etats selbst erwirtschaften. Das zwingt Iffland immer wieder zu Kompromissen in seiner Spielplanpolitik. Das seit 1791 unter der Goethes Leitung stehende Hoftheater in Weimar kann auf ein überwiegend zur gebildeten Oberschicht gehörendes Publikum zählen. In Berlin hingegen sind fast alle Schichten der Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts im Theater versammelt. Und die wollen in erster Linie unterhalten werden.

Der Gendarmenmarkt 1815, mit dem von Iffland initiierten Theaterbau nach Plänen von Carl Gotthard Langhans.
Der Gendarmenmarkt 1815, mit dem von Iffland initiierten Theaterbau nach Plänen von Carl Gotthard Langhans.

© Friedrich August Calau - Wolfgang Schneider: Berlin. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1983, S. 215.

Also spielt Iffland alles, was das Theater seiner Zeit zu bieten hat und volle Kassen verspricht. „Nicht also was ich fühle, darf ich wollen, sondern es ist mein Weg als Kaufmann zu gehen, und doch nicht dadurch den feinen Sinn merklich zu verletzen“, schreibt er an Schiller. Um ein großes Publikum zu erreichen, fordert er von den Klassikern mehr Volkstümlichkeit. Er selbst setzt in seinen Inszenierungen auf die optische Wirkung der Szenerie. Dazu zählt das Herausarbeiten der individuellen Züge einzelner Figuren ebenso wie das sorgfältige Einstudieren der Massenszenen. Höhepunkt dieses Regieprinzips, das die Aufführung als Gesamtkunstwerk betrachtet, ist seine Inszenierung der „Jungfrau von Orleans“ 1801. Iffland begründet den Durchbruch für Schiller, ohne ihn ist dessen Aufstieg in den Rang eines Nationaldichters im 19. Jahrhundert kaum denkbar.

Iffland regt einen Theaterneubau an: ein glanzvolles Haus mit 2000 Plätzen

Der Regierungsantritt von Friedrich Wilhelms III. hatte Iffland außerdem die Gelegenheit geboten, einen Theaterneubau vorzuschlagen. Dem stimmt der König zu; das von C. G. Langhans entworfene Haus wird am 1. Januar 1802 eröffnet. Trotz deutlicher Mängel ist es ein glanzvoller Bau, mit 2000 Plätzen und einer Reihe technischer Neuerungen ein ideales Haus für Ifflands Bestreben, das moderne gehobene Drama für ein breites Publikum durchzusetzen. Das Gebäude am Gendarmenmarkt brannte allerdings bereits 1817 vollständig aus. Worauf der König Karl Friedrich Schinkel mit einem weiteren Neubau beauftragte - das heute Konzerthaus.

Ifflands Spielplanpolitik bleibt ein einziges Taktieren. Der Großteil ist bürgerlichen Familiengemälden und dem Singspiel vorbehalten, begünstigt durch den Geschmack des Königs aber auch von Königin Luise, die Iffland wegen der moralischen Tendenzen in dessen eigenen Stücken protegiert. Kritik erntet Iffland von den Romantikern, obwohl er auch deren dramatische Produktionen auf die Bühne bringt. Das Publikum reagiert zurückhaltend, wie es auch Goethes Stücken mit weniger Interesse begegnet als denen von Schiller. Dessen Tod im Mai 1805 beendet eine der fruchtbarsten Arbeitsphasen des Königlichen Nationaltheater.

Ohnehin überschlagen sich die Ereignisse auf der politischen Bühne. Am 27. Oktober 1806 rückt Napoleon in Berlin ein. Der König, das Militär, die Verwaltung – sie alle verlassen die Stadt in heilloser Flucht, Richtung Königsberg in Ostpreußen. Für das Theater wird die Zeit der französischen Besatzung zu einer harten Bewährungsprobe. Iffland kann durchsetzen, dass seine Künstler von Einquartierungen und den damit einhergehenden Kosten befreit sind. Der tägliche Spielbetrieb verlangt eiserne Disziplin; als die Oper geschlossen wird, nimmt er sich auch deren verbliebener Mitglieder an. Ohne die spärlichen königlichen Zuwendungen gerät die finanzielle Situation jedoch bald zum Desaster. Das Comité administratif erlaubt lediglich Darlehen, für die Berliner Kaufleute und Banken aufzukommen haben. Die Kosten belasten das Theater über zehn Jahre lang.

Die ungeklärte politische Situation hat ein Machtvakuum zur Folge, das es Politikern um den Fürsten Hardenberg ermöglicht, für Preußen dringend erforderliche Verwaltungsreformen in Angriff zu nehmen. Auch ein Ministerium für öffentlichen Unterricht und Kultur wird geschaffen, ihm sollen die Theater unterstellt werden. Iffland ist entschieden dagegen. 1810 wird das Theater wieder zu einer „Anstalt zur Bequemlichkeit und zum Vergnügen“, nach der Verfassungsänderung untersteht es der Aufsicht der Polizei. Ifflands letzter großer Akt in Berlin: 1811 übernimmt er die Direktion der Königliche Schauspiele, in der Oper und Nationaltheater vereint sind.

Iffland stirbt am 22. September 1814, mit 59 Jahren. 1814 beginnt auch der Wiener Kongress, der die Machtverhältnisse in Europa neu ordnen wird. Eine allgemeine Restauration bestimmt jetzt das öffentliche Leben, den Posten des königlichen Bühnendirektors übernimmt eine Hofcharge – und August Wilhelm Iffland wird schnell vergessen.

Schon damals tat man sich schwer, ihm ein würdiges Denkmal zu setzen. 1821 erhielt Friedrich Tieck den Auftrag, eine Plastik zu schaffen, die im Foyer des Schinkelschen Schauspielhauses aufgestellt wurde. Niemand weiß, was aus dem Denkmal geworden ist. Auch Goethe, den man um ein Wort des Dankes bat, ist diese Geste schuldig geblieben. Wenigstens ist Ifflands Grab auf dem Friedhof vor dem Halleschen Tor dank der Initiative des Vereins „Denk mal an Berlin“ heute wieder in einem würdigen Zustand. Und der Iffland-Ring gilt als eine der wichtigsten Ehrungen in der Theaterwelt.

Ruth Freydank ist Theaterhistorikerin und lebt in Berlin.

Ruth Freydank

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