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Reeperbahn-Rocker. Florian Clyde als George, Frederic Böhle als John und Philip Spreen als Paul.

© G2 Baraniak

Ein Beatles-Musical am Ku'damm: Die fantastischen Fünf

Wir wollen an die Spitze: Im Theater am Ku'damm erzählt das mitreißende Musical „Backbeat“ von den hochfliegenden Träumen aller Teenager-Bands.

Liebe Stammgäste des Theaters am Kurfürstendamm, bitte bringt eure Enkel mit zu dieser Produktion! Denn für die ist sie eigentlich gemacht. Für „Backbeat“, das Musical über die Anfänge der Beatles, das nach zwei erfolgreichen Jahren am Altonaer Theater jetzt in Berlin gezeigt wird, braucht man nämlich keineswegs die frühen sechziger Jahre leibhaftig miterlebt zu haben. Weil das Stück von Iain Softley und Stephen Jeffreys die Jungs aus Liverpool nur als Beispiel nimmt, um grundsätzlich – und darum über alle Altersgrenzen hinweg verständlich – vom Traum zu erzählen, den weltweit unzählige Teenager träumen, wenn sie sich zu einer Band zusammentun.

Cool sein, Mädchen klarmachen, erste Gigs ergattern, dann einen Plattenvertrag und ruckzuck ganz oben ankommen – so funktioniert das Hirngespinst, das in den allermeisten Fällen auch ein solches bleibt. John Lennon und Paul McCartney zuzuschauen, wie sie mit ihren Kumpels George Harrison, Pete Best und Stuart Sutcliffe unter erbärmlichsten Bedingungen in einem miesen Reeperbahn-Club auftreten, jeden Tag mehrstündige Konzerte runterrocken müssen für einen Hungerlohn: Das alles beobachten wir Zuschauer mit dem Wissen um den späteren Weltruhm der Briten.

Das hier ist keine Doppelgänger-Show

Es hätte aber auch anders kommen können, macht „Backbeat“ klar. Die Karriere der Briten wäre womöglich im Sand verlaufen, wenn, ja wenn da nicht diese Verkettung glücklicher Fügungen gewesen wäre. Die Begegnung mit der jungen Fotografin Astrid Kirchherr, die das Image der Beatles prägen wird, später die mit dem Plattenladenbesitzer Brian Epstein, der sich als Manager anbietet. All das kommt im Stück vor, ebenso wie die Liebesgeschichte zwischen Astrid und Stuart, dem Bassisten, der sich dann doch für die Malerei entscheidet, in Hamburg bleibt und dort 1962 tragisch an einer Hirnblutung stirbt, 22 Jahre jung.

Außergewöhnlich aber wird der Abend dadurch, dass hier keine Doppelgänger-Show abgezogen wird. Dass die Schauspieler gar nicht erst versuchen, die späteren Megastars zu kopieren. Sie sehen wirklich gut aus, die fünf jungen Männer auf der Kudamm-Bühne – nur eben nicht wie die Beatles.

Aber sie strahlen jene mitreißende Junge-Leute-Energie aus, wie damals die Gastarbeiter aus Großbritannien. Rock’ n’Roll als Lebensgefühl, das kommt hier ganz authentisch rüber. Der Zufall schließlich, dass der Look der frühen Beatles mit knallengen Hosen und schwarzen Lederjacken – erst im Schlussbild erscheinen sie pilzköpfig im Anzug – gerade wieder die Männermode dominiert, holt die ganze Story optisch endgültig ins Heute.

Philip Spreen als Paul McCartney und Frederic Böhle als John Lennon.
Philip Spreen als Paul McCartney und Frederic Böhle als John Lennon.

© G2 Baraniak

Anders als in den Materialschlachten der Dauerbrenner-Musicals können sich die Darsteller bei „Backbeat“ nicht hinter technischen Überwältigungseffekten verstecken. Und auch nicht hinter emotional aufgepimptem Musikbombast aus dem Orchestergraben. David Nádvornik, Florian Clyde, Yannik Meyer, Frederic Böhle und Philip Spreen müssen ihren Sound schon selber machen. Und wie: Ob sie ihre Instrumente richtig quälen oder auch mal nur a cappella singen, ob sie parodierend rumalbern oder ganz ernsthaft an Songs arbeiten, hier sind fünf Doppelbegabte am Werk.

Auch mit den raffinierten szenischen Überblendungen von Regisseur Franz-Joseph Dieken, bei denen auf raffinierte Weise beständig Musiknummern in Dialogszenen übergehen und umgekehrt, haben sie kein Problem. Auf der von goldenen Vorhängen begrenzten Bühne steht nichts als ein Drumset, alle anderen Orte müssen sich aus dem sprachlichen Kontext erklären, von Stuarts Atelier über Astrids Wohnung bis hin zum versifften Abstellraum des Bambi-Kinos, in dem die Liverpooler in Hamburg nächtigen mussten.

Am Ende hebt es das Publikum aus den Sitzen.

Von den fünf weiteren Darstellern, die als Stichwortgeber Dutzende Rollen abdecken, prägt sich vor allem Tom Semmler ein, der erschreckend überzeugend als Reeperbahn-Alki aus dem Publikum pöbelt, dann aber auch einen aalglatten Bert Kaempfert hinbekommt und am Ende, nachdem Pete Best abserviert ist, als Ringo Starr im Finale sogar mittrommelt. In einem Finale übrigens, das die tolle Truppe als Rock’n’Roll-Party zelebriert, sichtbar zum eigenen Spaß wie auch zu dem der Zuschauer, die es generationsübergreifend aus den Sitzen hebt.

„Backbeat“ läuft en suite bis 31. Juli, immer mittwochs bis sonntags.

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