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Kampfformation. Iggy Pop, Scott Asheton, Ron Asheton und Dave Alexander waren die Stooges.

© Studiocanal/Frank Pettis

Dokumentation Iggy Pop and The Stooges: Der Hund von Motorville

Rock’n’Roll-Tiere: Jim Jarmusch feiert in seinem Dokumentarfilm „Gimme Danger“ Iggy Pop und seine Band The Stooges.

Der Heilsbringer ist ein Schmerzensmann. Seine Beine stecken in Bluejeans, die Finger in silberfarbenen Glamrock-Handschuhen, und der knochige Oberkörper ist natürlich nackt, als Iggy Pop zu „I Wanna Be Your Dog“ im Krebsgang-Tanzschritt über die Bühne zuckt. „I Wanna Be Your Dog“ handelt, maximal primitiv, maximal dröhnend, von animalischem Sex. Aber ist das nicht schon Sex genug, was der bleiche Sänger da vor den stoischen drei anderen Musikern seiner Band The Stooges veranstaltet? Er tanzt bis an den Bühnenrand, greift zum Mikronständer, als wolle er sich daran festhalten, springt. Und stürzt. Ins Nichts.

Hinfallen, aufstehen, weitermachen, so verläuft bereits seit einem halben Jahrhundert die Karriere von Iggy Pop, der vor siebzig Jahren als James Osterberg in einer Kleinstadt in Michigan geboren wurde. Noch immer wirkt er ungemein drahtig, seinen zernarbten Körper präsentiert er weiterhin bereitwillig bei jedem Konzert. Iggy Pop hat sich in ein Rock’n’Roll-Tier verwandelt.

Die größte Rock'n'Roll-Band aller Zeiten

„Ich fing einfach an, auf und ab zu springen, wie Paviane es tun, bevor sie kämpfen“, so beschreibt er die Anfänge seines Tanzstils im Dokumentarfilm „Gimme Danger“, den Jim Jarmusch den Stooges gewidmet hat. Jarmusch hasst Dokumentationen, die Geheimnisse enthüllen und Idole stürzen, das hat er schon vor zwanzig Jahren mit seinem Huldigungsfilm „Year of the Horse“ über Neil Young gezeigt. Der Regisseur ist ein bekennender Fan, gleich zu Beginn preist er die Stooges aus dem Off als „greatest Rock’n’Roll-Band ever“.

Die Stooges, erzählt Gitarrist Ron Asheton, waren „anders als andere Bands“. Ihre Songs kamen ohne Melodie aus, sie waren purer Rhythmus, aufgepimpt mit Verzerrer- und Halleffekten. Am Anfang der Jahrgangshymne „1969“ faucht die Wah-Wah-Gitarre wie ein Löwe, und die nihilistische Botschaft lautet: „It’s another year for me and you / Another year with nothing to do.“ Die Texte der Stooges, hat Jarmusch gezählt, bestehen aus „25 Wörtern oder weniger“. Radikaler Minimalismus. „Ich dachte nicht, Bob Dylan zu sein“, sagt Iggy Pop.

Der Sound der Stahlpresse

Mit den Hippies wollten die Stooges nichts zu tun haben. Aber sie waren, so Pop, „echte Kommunisten“. Als sie 1967 aus dem Universitätsstädtchen Ann Arbor nach Detroit zogen, teilten sie sich Haus, Geld und Essen. Detroit, das war Motor- und Motown-City, die Hauptstadt des Fahrzeugbaus und des Northern Soul. Beides ist in der Musik der Stooges zu hören, der ekstatische Viervierteltakt und das Stampfen der Presswerke. Iggy Pop hatte in einer Garagenband Schlagzeug gespielt und gesungen, als er die genialischen Asheton-Brüder – Gitarrist Ron und Schlagzeuger Scott – traf. „Wir erzählten den Leuten, wir hätten eine Band, machten aber nichts“, erzählt er. Iggy Pop, der bei seinen Eltern in einem Trailerpark aufgewachsen war, verehrte die großen Blues- und Soul-Musiker. „Einmal stand ich am Muskegon See und rauchte Gras, als mir plötzlich einfiel: Ich bin ja gar nicht schwarz.“

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1968: Jahr des Aufruhrs. In Detroit klangen die Stooges nun, berichtet ein immer noch staunender Zeitzeuge, „wie ein Flugzeug, das abhebt“. Die Band brachte zwei Alben heraus, die heute Klassiker sind, doch damals ignoriert wurden. Einen Vertrag mit Elektra Records bekamen die Stooges nur, weil gleichzeitig mit ihnen die Agitrockband MC 5 bei dem Label unterschrieb. Für die Stooges interessierten sich die Manager nicht. Eine Bruchlandung

John Cale, der die Debütplatte produziert, lobt den Stooges-Sound als „sehr, sehr gut“. Iggy Pop beginnt bei Konzerten ein Hundehalsband zu tragen, „bis heute weiß ich nicht, warum“. Alkohol und Heroin. Der Enthusiasmus versandet bei einer Tour in der Provinz. Die Einnahmen reichen nicht, um davon zu leben. Einer der Musiker wird vor einer Biker Bar zusammengeschlagen. Scott Asheton versetzt sein Schlagzeug, um Geld für eine Fahrkarte nach Michigan zu haben. Dort ist die Mutter froh, dass sie ihre Söhne lebend zurückbekommt.

Es folgen Aufstieg und Abstieg. Iggy Pop wird von David Bowie, der eine „American Invasion“ in Europa plant, nach London eingeladen. Das Album „Raw Power“ erscheint unter dem Namen Iggy and The Stooges. Das Label will Iggy Pop als Peter Pan an den Broadway holen und verbietet der Band Live-Auftritte. Damit sind die Stooges tot. Für Iggy Pop beginnt eine Weltkarriere, seine Mitmusiker schlagen sich in zweitklassigen Bluesbands durch. Heute sind bis auf Pop alle Gründungsmitglieder gestorben. Als Dokumentarfilm ist „Gimme Danger“ eher konventionell. Das stört nicht, denn er hat einen großartigen Erzähler. Iggy Pop könnte man auch fünf Stunden zuhören.In 12 Berliner Kinos

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