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Norbert Kückelmann kam von der Justiz zum Film.

© privat

Deutscher Filmregisseur: Norbert Kückelmann ist tot

Er wollte im Kino die Wirklichkeit untersuchen: zum Tod des Filmregisseurs Norbert Kückelmann.

Spielfilme folgen einer eigenen Wahrheit. Ihre Dramen sind ausgedacht. Das ist der Trost der Fiktion. Den Filmen, die Norbert Kückelmann gedreht hat, fehlt dieser Trost. Sie handeln von echter Verzweiflung, echtem Unrecht, echtem Schmerz. Sein vielleicht bester Film „Die letzten Jahre der Kindheit“, der 1979 ins Kino kam, beginnt mit einer Texteinblendung: „Kinder unter 14 Jahren sind vor dem Gesetz nicht strafmündig. Aber wenn sie sich gegen die Ordnung stellen, werden ihre Handlungen als Kriminalität in den Akten festgehalten.“ Ein Stigma, dem viele nicht mehr entkommen.

Martin, der 14-jährige Held, stellt sich gegen die Ordnung, indem er in einen Supermarkt einsteigt, Bierdosen aus einem Lkw klaut und Baucontainer aufbricht. Die Polizei erwischt ihn, er wird in Erziehungsheime gesteckt und landet in Untersuchungshaft. Sein Passionsweg hat viele Stationen, Erzieher, Psychologen und Staatsanwälte beschäftigen sich mit seinem Fall, aber wirklich interessiert an ihm ist keiner. Als der Junge sich in seiner Zelle erhängt, sagt ein Polizeisprecher, dessen „Lebensweg“ sei „von einer unausweichlichen Folgerichtigkeit“ gewesen. Der Skandal ist, dass die Justiz in diesem Selbstmord keinen Skandal sehen will.

Authentische Fälle als Vorlage

„Die letzten Jahre der Kindheit“ beruht, wie die meisten von Kückelmanns Filmen, auf einem authentischen Fall. Der Regisseur arbeitete auch als Rechtsanwalt, mit seinen Filmen wollte er eine „Öffentlichkeit für die Strafprozesse mit ihren schockierenden Details“ herstellen“.

Sein Politthriller „Morgen in Alabama“ (1984), in dem Maximilian Schell als Verteidiger eine rechtsradikale Verschwörung aufdeckt, folgt den Spuren des Anschlags auf das Oktoberfest. „Abgetrieben“ (1994) erzählt von dem Memminger Frauenarzt, der für seine Schwangerschaftsabbrüche zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe und Berufsverbot verurteilt wurde. In „Alle haben geschwiegen“, einem Anti-Heimatfilm aus dem Altmühltal, wird eine Anhalterin von drei Männern vergewaltigt und getötet. Immer geht es bei dem 1930 in München geborenen Kückelmann um die Wirklichkeit, immer ist es für den Zuschauer beklemmend, mit ihr konfrontiert zu werden.

Vielfach ausgezeichnet

Norbert Kückelmann, dessen Schwester Gertrud zum Kinostar der Adenauer-Ära aufstieg, hatte als Filmkritiker begonnen. Mit Alexander Kluge und Hans Rolf Strobel gründete er das Kuratorium Junger deutscher Film, dessen Geschäftsführer er eine Zeit lang war. Schon sein Debütfilm „Die Sachverständigen“ wurde mit dem Deutschen Filmpreis und einem Silbernen Bären ausgezeichnet. Er wollte „die Wirklichkeit untersuchen“. Kückelmann ist, wie seine Familie mitteilte, bereits am 31. August gestorben. Er wurde 87 Jahre alt.

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