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Kultur: Der sensible Beobachter Liebe zur Filmkunst: Ulrich Gregor zum 80.

Und wenn, kleines Gedankenspiel, der geborene Hamburger Ulrich Gregor nicht bloß in Paris Romanistik studiert hätte in den fünfziger Jahren, sondern echter Franzose gewesen wäre? Wenn der leidenschaftliche Cinémathèque-Besucher und Mitarbeiter der Zeitschrift „Filmkritik“ damals wie die französischen Kollegen der „Cahiers du cinéma“ bald selber Filme gedreht hätte?

Und wenn, kleines Gedankenspiel, der geborene Hamburger Ulrich Gregor nicht bloß in Paris Romanistik studiert hätte in den fünfziger Jahren, sondern echter Franzose gewesen wäre? Wenn der leidenschaftliche Cinémathèque-Besucher und Mitarbeiter der Zeitschrift „Filmkritik“ damals wie die französischen Kollegen der „Cahiers du cinéma“ bald selber Filme gedreht hätte? Filme näher am kühlen Godard und garstigen Chabrol, oder dichter bei den flirrenden Wahrnehmungswelten eines Rohmer oder Rivette, vom solitären Truffaut ganz zu schweigen?

Derlei flinken Kategorisierungen in Sachen Nouvelle Vague würde Ulrich Gregor gewiss gleich höflich widersprechen – und abgesehen davon: Zum Filmemachen drängte es ihn nie. Jedenfalls hat er das immer wieder glaubhaft versichert. Überall auf der Welt drehe man Tag für Tag Filme, sagte er dann mit hanseatischem Vergnügen an Selbstbewusstsein und Bescheidenheit zugleich, wozu ihnen unbedingt einen eigenen hinzufügen?

Nun wird Ulrich Gregor 80, und in seinem ganz dem Film gewidmeten Leben hat er dann doch lange den Regisseur gespielt. Zwei Jahrzehnte, von 1981 bis 2000, war er sogar Berlinale-Chef zusammen mit Moritz de Hadeln – wenn das keine Regie-Position ist! Aber auch hier ahnen wir den Einspruch des sensiblen (Selbst-)Beobachters: Die Doppelspitze habe damals doch nur dazu gedient, seinem 1971 begründeten Internationalen Forum des Jungen Films das unabhängige, scharfe Profil innerhalb des Festivals zu sichern. Und Regisseur? Eher einer der leisen, verbindlichen, zuverlässigen Art; ein leidenschaftlicher natürlich, leidenschaftlich für die Sache.

Sein Berlinale-Forum hat Ulrich Gregor längst an Christoph Terhechte übergeben. Das Arsenal-Kino aber ist ihm – und seiner Frau Erika, die es einst mit ihm in Schöneberg eröffnete – auch am Potsdamer Platz ein wesentliches Zuhause geblieben. Und dass Tochter Milena es heute mit Birgit Kohler und Stefanie Schulte Strathaus weiterbetreibt, macht das Engagement für die Filmkunst vollends zur Familiengeschichte. Und Ulrich Gregor selbst, noch ein Rollenvorschlag, zu einer bleibenden Vaterfigur.

Kein Widerspruch seitens des Jubilars? Bleibend, weil seine Liebe zum unabhängigen Kino absolut alterslos ist. Und bleibend, weil sich auch sonst die Assoziation großväterlicher Entrücktheit nicht recht einstellen will – nicht nur, weil Ulrich Gregor weiterhin präsent ist in Jurys und auf Filmfestivals dieser Welt. Ja, so eine Vaterfigur lassen wir uns gefallen. Und wenn sie unermüdlich für kluge, freie, formal aufregende, unbequeme Filme streitet, umso besser.

Heute wird gefeiert, natürlich im Arsenal, und selbstverständlich mit einem ungewöhnlichen Film: „Valehtelija“ (Der Lügner, 1981), Mika Kaurismäkis Abschlussarbeit an der Münchner Filmhochschule. Sein jüngerer Bruder Aki, damals Anfang 20, hat das Drehbuch geschrieben und spielt die Hauptrolle, einen Streuner namens Ville Alfa. Anagrammatisch nach Jean-Luc Godards „Alphaville“ (1965) haben die Kaurismäkis ihre Filmproduktion getauft – und ob der Godard-Bezug vielleicht doch für eine besondere Vorliebe Ulrich Gregors spricht, die großen Namen der Nouvelle Vague betreffend? Schönes Spiel. Jan Schulz-Ojala

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