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Kultur: Der Mann hat seine Schuldigkeit getan

Sexualität als Politik: der amerikanischen Feministin und Schriftstellerin Kate Millett zum 70. Geburtstag

Von Caroline Fetscher

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren begannen die Schwarzen in Amerika, für ihre Bürgerrechte zu kämpfen. Dann, Ende der Sechziger, enttarnte Kate Millett den Sexismus der Gesellschaft, und ein neues Kampfareal war geschaffen. Allein aufgrund des biologischen Geschlechts (englisch: „sex“), führte sie aus, wird eine Hälfte der Menschheit von der anderen rücksichtslos unterdrückt. Kate Milletts 1970 publizierte Dissertation „Sexual Politics“ schlug ein wie der Blitz. Sie wurde zum Bestseller, nicht nur in den USA, und sie inspirierte eine ganze Generation.

Die Gegenwart, sagte Millett, als Ergebnis des jahrtausendealten Patriarchats, ist konstruiert aus fatalen, phallischen Lesarten. In Politik wie Militär und Polizei, in Wirtschaft, Kunst, Publizistik und Wissenschaft dominieren Inhaber männlicher Geschlechtsmerkmale. Vehement griff Millett auch in „Sexus und Herrschaft“ die „Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft“ an. Statt der biologistischen Kategorie „sex“ müsse die kulturpolitische Kategorie „gender“ ins Spiel gebracht werden, forderte Millett.

Geboren am 14. September 1934 in Saint Paul im amerikanischen Bundesstaat Minnesota als Katherine Murray Millett wuchs sie als Tochter eines Ingenieurs irischer Herkunft in einer von rigidem Katholizismus geprägten Familie auf. 1958 lehrte sie Literaturwissenschaften an der English University in Greensboro, später an anderen Colleges, unter anderem am State College von Sacramento, Kalifornien. Außerdem verfasste sie unter anderem 1973 „The Prostitution Papers“, ein Pamphlet gegen die Diskriminierung von Prostituierten, 1982 „Going to Iran“, ihren Erfahrungsbericht zur Unterdrückung von Frauen in der muslimischen Welt, sowie das 1993 auf Deutsch erschienene Buch „Entmenscht. Versuch über die Folter“. Sie veröffentlichte auch einige Romane, denen die Kritik allerdings eher mäßige Qualität bescheinigte.

Obwohl Millett als zentrale Gründerfigur des Feminismus gilt, blieb sie auch in der Frauenbewegung umstritten. Zwar war sie seit 1965 verheiratet mit dem japanischen Bildhauer Fumio Yoshimura, doch outete sich Millett erst spät als Lesbe. Jahrelang war Millett wegen depressiver Schübe in psychiatrischer Behandlung und fühlte sich angeblich chronisch missverstanden. Als nahezu stalinistisch anmutenden, extrem männerfeindlichen Feminismus bezeichnete Camille Paglia einmal Milletts Schriften. Einen „schriftstellernden Molotowcocktail“ sah der beleidigte Autor Norman Mailer in ihr, der für Millett neben Henry Miller, D.H. Lawrence und Jean Genet den Prototyp des literarischen Macho darstellte. Kate Millett lebt heute, wie sie selbst 1999 bitter erklärte, „von der Welt vergessen“ auf einer Farm in Poughkeepsie bei New York. Dort betreibt sie eine Künstlerinnenkolonie, die unter anderem vom Verkauf von Weihnachtsbäumen lebt. Auf ihrer Website www.kateMillett.com lädt Millett Künstlerinnen auf die Farm ein, um dort „das Zen einer Baumschule“ zu erleben.

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