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Harvey Weinstein hat viele Oscars gewonnen. Jetzt hat seine Company ihn gefeuert - wegen massiver Vorwürfe der sexuellen Belästigung.

© dpa/Jordan Strauss

Der Harvey-Weinstein-Skandal: Ein Dinosaurier und mutige Frauen

Der mächtige US-Produzent Harvey Weinstein wurde fristlos entlassen, weil er Schauspielerinnen und Angestellte sexuell belästigt haben soll. In den USA hat der Skandal auch politische Dimensionen.

Eigentlich klingt die alte Mär von der Besetzungscouch längst derart abgeschmackt, dass sie nicht einmal mehr für schlechte Witze taugt. Nun stellt sich heraus, dass die Realität der amerikanischen Filmindustrie leider genauso abgeschmackt ist wie in diesen vermeintlich verstaubten sexistischen Witzeleien. Der mächtige Produzent Harvey Weinstein ist nach den massiven, in der "New York Times" von etlichen Schauspielerinnen und Firmen-Angestellten bezeugten Vorwürfen der sexuellen Belästigung von seiner eigenen Company gefeuert worden, fristlos.

Die Direktoren des Produktionsfirma hätten entschieden, dass seine Beschäftigung mit sofortiger Wirkung beendet sei, erklärte der Aufsichtsrat amerikanischen Medienberichten zufolge am Sonntag. Damit nicht genug. Fünf der neun Aufsichtsrats-Mitglieder der Weinstein Company sind seit den Enthüllungen ebenfalls zurückgetreten - das Gremium besteht ausschließlich aus Männern. "Übrig" sind nun noch Harveys Bruder Robert "Bob" Weinstein, Lance Maerov, Richard Koenigsberg und Tarak Ben Ammar. Was mit Harvey Weinsteins Firmenanteilen geschieht, ist noch unklar. Die 2005 von den Weinstein-Brüdern gegründete Company mit Sitz in New York produziert Indepentenfilme und anspruchsvolles Publikumskino, zuvor leiteten die beiden die Firma Miramax, die sie an Disney verkauften. Auf ihr Konto gehen Welterfolge wie die Oscargewinner "Shakespeare in Love", "The Artist" und "The King's Speech", Martin Scorseses "Gangs of New York" oder auch die Tarantino-Produktionen "Inglorious Basterds", "Django Unchained" und "The Hateful Eight".

Auch Ashley Judd berichtet, dass sie von Weinstein belästigt wurde

Zu den Frauen, die in der "New York Times" am vergangenen Donnerstag davon berichten, wie Weinstein sie zum Beispiel in sein Hotelzimmer bat, sich dort eine Massage von ihnen wünschte oder dass sie ihm beim Duschen zuschauen, gehören auch Stars wie Ashley Judd. Über drei Jahrzehnte erstrecken sich die von der Zeitung recherchierten Vorfälle, bei denen der heute 65-Jährige den Betroffenen versprochen haben soll, ihnen bei ihrer Filmkarriere zu helfen, wenn sie im sexuell zu Diensten sind. Nicht alle Frauen haben bis heute geschwiegen, einige gingen juristisch gegen ihren Boss - oder ihren potentiellen Boss - vor. In mindestens acht Fällen kam es zu außergerichtlichen Übereinkünften, wie zwei Firmensprecher bestätigten. Der "New York Times" zufolge war Weinsteins sexistisches Verhalten neben seiner cholerischen Art ein offenes Geheimnis in der Branche.

In einer Erklärung gegenüber der "New York Times" entschuldigte sich Harvey Weinstein, der in zweiter Ehe mit der britischen Modeschöpferin Georgina Chapman verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat. "Ich befürchte, dass mein Verhalten gegenüber Kollegen in der Vergangenheit eine Menge Leid verursacht hat", heißt es in dem Statement. "Auch wenn ich versuche, mich zu bessern, weiß ich, dass noch ein langer Weg zu gehen ist." Weinstein sprach auch davon, dass er in therapeutischer Behandlung sei und eine Auszeit nehmen werde, um das Thema in den Griff zu bekommen. Ein Anwältin des Produzenten sagte allerdings auch, etliche der Vorwürfe seien unzutreffend. Sie nannte ihn einen "alten Dinosaurier, der lernt, neue Wege einzuschlagen". Nun wird er dies außerhalb der Company tun müssen.

Weinstein unterstützte die Demokraten mit großzügigen Spenden

Der Skandal hat auch eine politische Dimension. Weinstein ist als Liberaler bekannt, er hat die Demokraten mit großzügigen Spenden unterstützt, auch Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton. Nun kündigten mehrere Kongressabgeordnete an, die ihnen von Weinstein überwiesenen Gelder an Wohltätigkeitsorganisationen weiterzuleiten. Präsident Donald Trump wiederum erklärte am Wochenende, er kenne Weinstein schon lange und sei "überhaupt nicht überrascht" über die Belästigungsvorwürfe.

Die Schauspielerin und Feministin Lena Dunham sprach nach Bekanntwerden der Vorwürfe den mutmaßlichen Opfern Weinsteins ihre Bewunderung aus "Das ist weder lustig noch einfach", schrieb sie im Kurzbotschaftendienst Twitter. Es sei "mutig" von den Frauen, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der Sexismus in der Unterhaltungsindustrie wurde in den letzten Jahren immer wieder kritisiert, etwa von Björk oder Madanna, er ist nach wie vor nicht Geschichte. Hollywoodstar Evan Rachel Wood forderte männliche Kollegen zur Unterstützung im Kampf gegen sexuelle Belästigung in der Unterhaltungsbranche auf. „Männer, wir brauchen euch als Verbündete“, schrieb die 30-Jährige ebenfalls auf Twitter, ohne Weinstein namentlich zu erwähnen. Junge Frauen und Männer würden eingeschüchtert, bedroht und manipuliert, bis sie sich unterordneten: „Das Problem greift in Hollywood schon zu lange um sich“ - man dürfe nicht mehr wegschauen. 2016 hatte Wood in einem Brief an das Magazin „Rolling Stone“ berichtet, dass sie zweimal vergewaltigt worden sei. (Tsp, AFP, dpa)

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