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Sänger Dellé

© Virgin

Dellé und sein Album "Neo": Das Licht der Nächstenliebe

Als Sänger von Seeed wurde Frank Dellé bekannt. Jetzt erscheint sein zweites Soloalbum "Neo". Ein Treffen.

Wenn Frank Dellé einen Raum betritt, dann füllt er den mit seiner freundlichen Energie bis in den letzten Winkel aus. Er sitzt im Büro seiner Plattenfirma in Kreuzberg und von der ersten Sekunde an ist der Sänger, der es mit Seeed zu einer der erfolgreichsten, auch im Ausland gehörten deutschen Bands schaffte, voll konzentriert bei der Sache.

Dellé mag äußerlich mit seinen langen Dreadlocks klar dem Klischee vom Reggae-Rastaman entsprechen. Aber der Mann mit Wurzeln in Lichterfelde und Ghana lehnt Drogen ab und lebt ein ziemlich deutsches Arbeitsethos. „Ich kann nicht warten, bis mich die Muse küsst. Ich gehe mit einer Liste ins Studio und die wird dann von oben nach unten abgearbeitet. Da finde ich mich ziemlich deutsch“, sagt er.

„Neo“ heißt sein zweites Solo-Werk, das in diesen Tagen erscheint. Ein Reggae-Album, komplett auf Englisch gesungen, das alte und junge Fans gleichermaßen ansprechen soll. Mit der Musik Jamaikas ist der 46-Jährige aufgewachsen. Was für die Generation vor ihm Beatles und Stones waren, war ihm Bob Marley.

Dellé hat ein Diplom als Filmtoningenieur

Bereits 1984 gründete Dellé seine erste eigene Reggae-Band. Die Musik hatte ihn gepackt, aber stets lief im Hintergrund die Arbeit an einer bürgerlichen Karriere: Selbst als Seeed schon erste Erfolge feierten, studierte er an der HFF Potsdam weiter und machte den Abschluss als Diplom-Filmtoningenieur.

Das mag seine Familie ein wenig versöhnt haben, denn, wie er lachend erzählt, habe sein Vater es immerhin vom Schafhirten zum Arzt geschafft, während der Sohn es nur zum Musiker brachte. Die Heimat seines Vaters lernt Frank Dellé mit sechs Jahren kennen, als die Familie von Berlin nach Tamale in Ghana zieht. Seine Grundschulzeit verbringt er dort. Jeden Sonntag geht es in den römisch-katholischen Gottesdienst, ein Stück strenges Europa in Afrika. Zurück in Deutschland zieht die Familie viel umher, Heimat war immer dort, wo Mama und Papa waren, sagt Dellé.

„Light Your Fire“ ist ein explizit politischer Song

In den späten Neunzigerjahren ist er wieder in Berlin, zu einem Zeitpunkt also, als die Stadt auf dem Weg zu einem wirklich internationalen Ort ist. Seeed bildet das Gefühl ab wie keine andere Band in diesen magischen Monaten. In der Ode an das „Home an der Spree“ – Dickes B – heißt es über Mama Berlin: „Im Sommer tust Du gut und im Winter tut’s weh“ und „die Massen sind jetzt da, es hat sie niemand drum gebeten“. 2001 war das. Seeed äußern sich nie politisch, sind aber als international besetzte Truppe politisches Statement.

Auf „Neo“ findet sich mit „Light Your Fire“ ein explizit politischer Song. Dellé lässt die großen Weltreligionen auftreten, die sich plakativ gegen ihren Missbrauch durch Fanatiker und Terroristen aussprechen, die im Namen von Religion Gewaltakte begehen. Was wie ein perfekter Kommentar zur aktuellen Situation klingt, war so nicht geplant. „Es ist ein Zufall, dass das jetzt in den Medien so weit nach vorne geraten ist,“ sagt Frank Dellé. „Das ist etwas, dass mich schon immer beschäftigt“, betont der Sänger.

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„In the name of the Koran/ Blow a bomb/ Why that? Abusing your religion/ Excusing terrorism – that’s wrong“. Die Aussagen sind so einfach wie kraftvoll. „Ich wollte es so darstellen, wie es ein Kind seine Mama fragt: wir haben doch Nächstenliebe gelernt, warum machen wir die denn jetzt kaputt?“ Ganz simpel.

Entstanden ist das Lied bereits vor knapp zwei Jahren. Der zweifache Vater sieht sich als irgendwie religiös: „Die Alternative ,nichts“ ist für mich keine. Demut, Nächstenliebe, sich nicht über die Dinge stellen, das ist mir schon wichtig.“

Multi-Instrumentalist und Produzenten Guido Craveiro wirkte an "Neo" mit

„Neo“ ist über einen langen Zeitraum aufgenommen worden, nicht mit einer Band, wie der druckvolle und breite Sound vermuten lässt, sondern mit dem in Köln lebenden Multi-Instrumentalisten und Produzenten Guido Craveiro. Monatelang schickte man sich Ideen und Demos per Mail hin und her. Craveiro spielte alle backing tracks ein, von Dellé kommen alle Stimmen auf der Platte. „Wir haben eine riesige Übereinstimmung, wie wir Musik empfinden. Was bei uns beiden Gänsehaut erzeugt. Der Vorteil ist tatsächlich der, dass er Multi-Instrumentalist ist. Ich spiele alles auch ein bisschen, aber nicht so gut, dass ich mich in meiner eigenen Band einstellen würde.“

Auf der Bühne möchte Dellé das Album allerdings opulenter präsentieren. Bei der anstehenden Herbsttour begleitet ihn eine große Band. „Eigentlich müsste man anschließend mit der Band ins Studio gehen und alles noch mal einspielen, dann wäre es vielleicht perfekt“, sagt er.

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Anders als bei Seeed, wo ein wilder Sprachmix aus Englisch, Deutsch und jamaikanischem Patois gesungen wird, ist „Neo“ komplett auf Englisch verfasst. Die Texte seien wie ein Tagebuch aus den letzten sechs, sieben Jahren, erklärt der Sänger. Viel sei passiert. Der Erfolg der Band, Kinder wurden geboren, er hat ein Haus gebaut. In dem Lied „Tic Toc“ geht es ums Älterwerden in „Trisomie 21“ um ein Kind, das eben daran erkrankt ist.

Sein Haus steht nicht am See, sondern in Berlin

Wie erlebt er das – Ende der Jugend, Familienleben, Vater sein? „Ich denke immer: Hast du ein Glück gehabt, es läuft alles so gut. Ich wurde in eine Familie geboren, wo der Vater und die Mutter wirklich ,Bis dass der Tod euch scheidet’ zusammengeblieben sind. Und ich habe keinen krassen Rassismus erfahren.“ Diesen habe er erst in Berlin durch Erzählungen anderer gespiegelt bekommen. Die Stadt, die sich seit den Zeiten von „Dickes B“ noch einmal stark verändert hat, habe sich von ihm weg bewegt, sagt Dellé. Familie und Kinder verändern eben einiges. Vieles wird unwichtig, anderes rückt in den Fokus, etwa, in welche Schule die Kinder gehen sollen.

Aber woanders leben? Nein. Sein Haus steht nicht am See, sondern in Berlin. „Ich finde es total schön für die Kinder, dass sie in so einer liberalen Gegend aufwachsen können. Ich war viel unterwegs und Berlin war immer wie ein Zurückkommen.“ Dellé schätzt die Internationalität Berlins, man spürt, wie viel die Stadt ihm bedeutet. Und mit seiner positiven Energie hilft er mit, dass sie ein bisschen heller strahlt.

„Neo“ erscheint am 24.6. bei Virgin.

Andreas Müller

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