zum Hauptinhalt
Die Fassade des Haupttors von Mschatta im Museum für Islamische Kunst im Pergamon-Museum.

© Thilo Rückeis

Das jordanische Wüstenschloss Qasr al-Mschatta: Ein Palast in zwei Städten

Qasr al-Mschatta ist ein herausragendes Beispiel frühislamischer Baukunst. Teile der Fassade sind im Pergamonmuseum. Auf der Ausgrabungsstätte hilft die TU Berlin beim Wiederaufbau.

Weiß hebt sich die prächtige Fassade von Qasr al-Mschatta vor dem Blau des Himmels und dem rötlichen Sand der Wüste ab. Wie eine Fata Morgana muss dieses Schloss mit seiner prächtig verzierten Fassade gewirkt haben. Das steile Licht der Mittagssonne wirft harte Schatten und konturiert das reiche Dekor aus Pflanzen, Ornamenten Tieren und geometrischen Mustern. So muss es den umherziehenden Beduinen vorgekommen sein. Doch die reich verzierte Fassade, die Ikone frühislamischer Kunst, das bedeutendste Bauwerk dieser Zeit, befindet sich seit 1904 als Grundstock des Museums für Islamische Kunst in Berlin auf der Museumsinsel. Es war ein Geschenk des osmanischen Sultans Abdülhamid II. an Kaiser Wilhelm II., ein politischer Akt, der das Bündnis der beiden Reiche besiegelte.

Im Rahmen der Neuordnung der Museumsinsel stand Anfang 2000 die Planung des Umzugs der Mschatta-Fassade in den Nordflügel des Pergamonmuseums an. Das war damals Grund genug, sich mit diesem bedeutenden ikonografischen Bauwerk näher zu beschäftigen. Schon 2002, im Vorfeld der großen Jordanienausstellung „Gesichter des Orients“ (2004) und im Hinblick auf den Umzug innerhalb des Hauses, stellte sich die Frage, ob man mit den Forschungsergebnissen von vor 100 Jahren überhaupt noch zeitgemäß arbeiten kann. Das erzählt Günther Schauerte, Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Tagesspiegel aus Anlass der Veröffentlichung der gewichtigen zweibändigen Dokumentation „Qasr al-Mschatta. Ein frühislamischer Palast in Jordanien und Berlin.“

„Wichtig war uns der Gedanke, den Originalschauplatz in das Museum mit einzubeziehen“, sagt Johannes Cramer, Bauforscher an der Technischen Universität Berlin. Gerade in den letzten zehn Jahren habe es im Zuge der Diskussionen um „shared heritage“ neue Verbindungen über die gemeinsame Verantwortung über die archäologischen Stätten gegeben. „In Jordanien gibt es zu diesem Komplex unterschiedliche Interessen. Das Tourismusministerium hätte gerne eine Kopie der Fassade gehabt, die Antikenverwaltung sprach sich in Respekt vor der Unesco-Charta von Venedig zunächst für die Sicherung der Originalsubstanz aus“, sagt Cramer. So gibt es für Jordanien die Idee einer Darstellung mit Hilfe von „augmented reality“. Hält man sein Smartphone vor die Ruine, wird ein altes Foto abgeschwächt darüber geblendet. Die Bundesrepublik habe große Anstrengungen unternommen und viel geleistet, um die Ruine vor Ort verständlich zu machen. Dazu wurden auch die Fassaden des Palastes und der Audienzhalle restauriert.

Mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Auswärtigen Amtes wurde von 2009 bis 2014 unter der Führung der Technischen Universität Berlin die Ruine und ihr weiteres Umfeld grundlegend erforscht – und zwar gemeinsam mit der jordanischen Antikenverwaltung unter dem geschätzten, inzwischen verstorbenen Direktor Fawwaz al- Kreisheh, der auch Mitherausgeber der Dokumentation ist. Das zweibändige Werk ist nach 120 Jahren die erste umfassende Monografie zu Qasr al-Mschatta. „Die nächste Monografie wird vermutlich lange auf sich warten lassen“, meint Johannes Cramer selbstbewusst. Immerhin hat die Forschungsarbeit Klarheit geschaffen: Mschatta war ein Bauwerk von höchster Qualität, weitaus raffinierter als die anderen sogenannten Wüstenschlösser wie Qasr Amra oder Qasr al-Kharaneh.

Durch den Baubefund, Putz, Mosaike und Spuren von Marmorausstattung sei eindeutig bewiesen, dass Qasr al- Mschatta kein unfertiger Rohbau war, sondern ein in Nutzung genommener Palast, erklärt Cramer: „Wir haben die Werkstatt der Mosaizisten gefunden, und Münzfunde belegen, dass es kein Rohbau war.“ Der Bau wurde im 8. Jahrhundert unter dem Umayyaden Walid II. begonnen und nach dessen Tod von den darauffolgenden Abbasiden noch bis weit nach 750 weiter genutzt.

Die Gestaltung der Audienzhalle, deren Rekonstruktion gelungen ist, beweist, dass in Mschatta mit seiner aufwendigen Ausschmückung der Kalif Fürsten und Stammeshäuptlinge der Region empfangen hatte – als Alternative zur Zitadelle von Amman. Der weitere Ausbau von Qasr al-Mschatta wurde dann durch die Verlegung der Hauptstadt nach Bagdad beendet. Erdbeben haben dem Gebäude später weiter zugesetzt.

Sichtbarkeit erhöhen, Kunstraub eindämmen

Aufschlussreich sind die Torsi von halb bekleideten Frauen, die in und um die Audienzhalle herum gefunden wurden und eindeutig frühislamisch sind. Das beweist, dass sowohl die Malerei, wie in Qasr Amra, als auch die Skulptur noch zum Bildprogramm frühislamischer Kunst unter den Umayyaden gehörten. „Wir wissen dank der Bauuntersuchung und der vollständigen Rekonstruktion des Grundrisses, wie das Schloss ausgesehen hätte, wenn es fertiggestellt worden wäre“, erklärt Johannes Cramer.

Für Berlin sei bedeutsam, dass damit die Fassade von Qasr al-Mschatta das größte islamische Monument außerhalb der Ursprungsländer ist, und das mit dem höchsten Anteil an Originalsubstanz im Vergleich zu den anderen Großobjekten auf der Museumsinsel, sagte Günther Schauerte. Für die Neuaufstellung im Museum für islamische Kunst wird die alte Symmetrie wieder hergestellt, der Eingangsbereich vergrößert und die fehlenden Teile durch eine behutsame Rekonstruktion aus Kunststein ergänzt.

Auf Initiative von Günther Schauerte und dem Auswärtigen Amt wurden die Restaurierungen vorgenommen, neben den Bögen der Audienzhalle auch die Einfügung von Bodensteinen, um den Grundriss sichtbar zu machen. Die Mauerkronen wurden gesichert sowie eine Außenmauer wieder aufgebaut, um die Sichtbarkeit des Bauwerks zu erhöhen. Gleichzeitig ging es darum, den Kunstraub einzudämmen, das Gelände einzuzäunen und zu sichern, damit nicht noch mehr verzierte Steine in den illegalen Kunsthandel gelangen. Was nun touristisch mit der restaurierten Palastanlage geschieht, ist Sache der jordanischen Regierung. In Berlin wird mit der Neuaufstellung und der Rekonstruktion der fehlenden Teile dem Schlüsselwerk frühislamischer Kunst die Bedeutung zukommen, die es verdient.

Johannes Cramer e.a. (Hrsg.): Qasr al- Mschatta. Ein frühislamischer Palast in Jordanien und Berlin. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2016. Zwei Bände, 688 Seiten, 89 Euro.

Zur Startseite