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Überschattete Beziehung: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Reprodukt

„Was du nicht siehst“ von Luke Pearson: Reise in die Finsternis

Die märchenhaften „Hilda“-Comics haben Luke Pearson international bekannt gemacht. Jetzt zeigt der Brite mit „Was du nicht siehst“ eine verstörend düstere Seite seines Schaffens.

Will ist Mitte 30 und entfremdet sich immer mehr von seiner Freundin. Sie streiten sich und tun und sagen so lange das Falsche, bis sie einander ganz verlieren und sich schließlich im Bösen trennen. Die Wiedereingliederung ins Single-Leben mit Bars und allem was dazu gehört, gelingt Will nicht allzu gut und so navigiert er immer tiefer hinein in die bedrückende Finsternis. Das ist der Ausgangspunkt von „Was du nicht siehst“, der jetzt auf Deutsch veröffentlichten Erzählung des Briten Luke Pearson, der vor allem durch seine märchenhaften „Hilda“-Comics bekannt geworden ist.

Weinende Fenster, wuchernder Krebs

Gleichzeitig geschieht in diesem Buch neben dem persönliche Drama vieles, ohne dass die Hauptfigur es bemerkt. Da gibt es Gespenster und Seelen, die an Häusern vorbeigleiten. Kiefern, die am Morgen ein Tänzchen hinlegen. Hunde, die murmelnd über die Straße gehen. Vögel, die unsichtbar singen. Lautlos weinende Fenster und stumm wuchernden Krebs. Einen in die Jahre gekommenen Mann, der vor dem Spiegel steht und bereut, was er nicht getan hat. Eine Frau, die sich in der Badewanne auflöst, während eine andere über dem Bett schwebt, sich in 16 Teile zerlegt und wieder zusammensetzt. Nicht zu vergessen die pelzigen Weltraumriesen, die Asteroiden nach der Erde schleudern. Oder alienartige Krabbeltiere, die fasziniert vom menschlichen Verhalten sind.

Mit seinen „Hilda“-Comics begeistert Pearson seit einer Weile große und kleine Leser. Neben der niedlichen Optik überzeugen Hildas fantastische Abenteuer für Leser jeden Alters vor allem durch Pearsons Sinn für das Verwunschene, der irgendwo zwischen den Mumins aus Finnland und den japanischen Anime-Märchen des Studio Ghibli verortet ist.

Der andere Luke Pearson: Das Buchcover.
Der andere Luke Pearson: Das Buchcover.

© Reprodukt

„Was du nicht siehst“, auf Englisch bereits 2011 erschienen, zeigt nun einen völlig anderen Pearson. Das bei Reprodukt veröffentlichte Büchlein mit der interessanten Schwarz-Orange-Weiß-Farbpalette ist sicher nichts für junge Leser, wie Pearson selbst sagt, und wer eine depressive Phase durchläuft, sollte wohl ebenfalls aufpassen.

Ansonsten gibt es keinen Grund, sich nicht von dieser Erzählung berühren zu lassen. Auch wenn ein paar Elemente etwas schwer zu dechiffrieren sind und der tieftraurige Grundton des schmucken Bändchens schon ein wenig auf die Stimmung drücken kann. Trotzdem ist der mit einer Prise Fantastik und viel Melancholie versetzte magische Realismus von Pearson auch in diesem Fall mehr als einen Lesedurchgang wert.

Luke Pearson: Was du nicht siehst, Reprodukt, aus dem Englischen von Heinrich Anders, Handlettering von Michael Hau, Reprodukt, 40 Seiten, 14 Euro. Leseprobe auf der Website des Verlages.

Ein Tagesspiegel-Interview mit Luke Pearson finden Sie unter diesem Link.

Der Blog unseres Autors Christian Endres findet sich hier: www.christianendres.de.

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