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Egomanische Essenz: Trump stellt in einer „Doonesbury“-Szene einen Entwurf für die Umgestaltung des Weißen Hauses vor.

© Splitter

„Trump. Eine amerikanische Dramödie“: Auf verstörende Art unwiderstehlich

Comicautor G. B. Trudeau hat in seinem „Doonesbury“-Strip 30 Jahre lang vor Trump gewarnt. Aber ein wenig ist er auch mit schuld am Erfolg des Immobilientycoons.

Pulitzer-Preisträger G.B. Trudeau hat es früh kommen sehen und eindringlich davor gewarnt. „Gibt es jemanden, der noch weniger für ein hohes Amt geeignet ist?“ heißt es bereits 1987 in seiner Strip-Reihe „Doonesbury“, die seit 1970 in vielen amerikanischen Tageszeitungen erscheint, als der Immobilientycoon Donald Trump zum ersten Mal mit einer Präsidentschaftskandidatur kokettierte und Anzeigen geschaltet hatte.

Aber Trudeau ist auch mit Schuld am Erfolg von Trump: Wie die Mehrzahl der Journalisten kann auch der Comic-Strip-Künstler „The Donald“ einfach nicht ignorieren, denn dessen Exzentrik und überdimensioniertes, aufmerksamkeitssüchtiges Ego machen ihn zu einem dankbaren Objekt von Spott und Witz. Weil Menschen wie Trump selbst nicht erkennen können, wie peinlich sie sind, machen sie immer weiter und man kann dann einfach nicht wegschauen; die ständige Selbstentblößung, die demonstrative Verblödung, das ganze Schmierentheater sind auf verstörende Art unwiderstehlich und faszinierend.

„Trump ist der menschliche Molotov-Cocktail“

Was aber nicht erklärt, warum so viele Menschen einem offensichtlich großsprecherischen Populisten wie Trump fast bedingungslos folgen und ihn 2016 tatsächlich ins Weiße Haus gewählt haben. Der Filmemacher und Autor Michael Moore, ursprünglich aus Michigan, einem der Staaten, in denen Trump überraschend eine knappe Mehrheit gewann (was ihm am Ende die Mehrheit im Wahlmännerkollegium brachte, obwohl er landesweit fast drei Millionen weniger Stimmen als Hillary Clinton auf sich vereinte), sagt dazu: „Trump ist der menschliche Molotov-Cocktail, den wütende Menschen auf das System geworfen haben“. Trump, zunächst geschmeichelt von seinem Auftritt im Strip, hatte schon bald keine Freude mehr an seiner fortgesetzten Repräsentation im Doonesbury-Kosmos und – typisch für ihn – teilte immer wieder heftig gegen Trudeau aus (so wie heute gegen alle kritischen Journalisten).

Die Trump-Strips, welche immer wieder die egomanische Essenz dessen Charakters offenlegen, seine respektlose Behandlung aller Menschen zeigen, die er für subaltern hält, und insbesondere seine Verachtung für Frauen, hätten die Amerikaner schon vor langer Zeit darauf vorbereiten können, dass eine Trump-Kandidatur möglich ist – und unbedingt verhindert werden muss. „Bisher hatten wir nie einen Präsidenten, der ein totales A…loch ist,“ sagte G.B. Trudeau unmissverständlich über „The Donald“ Trump im Interview zum Erscheinen der US-Ausgabe des Sammelbands.

Skandalös, größenwahnsinnig, herablassend: Eine Seite aus „Trump. Eine amerikanische Dramödie“.
Skandalös, größenwahnsinnig, herablassend: Eine Seite aus „Trump. Eine amerikanische Dramödie“.

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Nun gibt es die Doonesbury-Trump-Strips aus 30 Jahren auch in deutscher Sprache. Das bietet den Lesern die Möglichkeit zu verstehen, wie lange schon Trump (bzw. natürlich TRUMP) in den USA den Status einer Berühmtheit hat (lange vor seiner eigenen TV-Karriere bei „The Apprentice“).

Kommen sonst bei Doonesbury Politiker und öffentliche Personen meist nur als Symbole vor (z.B. Präsident George W. Bush, der stets nur über diverse Kopfbedeckungen repräsentiert wurde), gibt es kein durchgängiges Cartoon-Markenzeichen für Trump und er altert ebenso wie das Hauptpersonal. Trumps blondgefärbte und kunstvoll drapierte Haarpracht wird in den jüngeren Strips aber selbstverständlich ordentlich aufs Korn genommen.

„Jetzt kann wirklich jeder Präsident werden“

Von der gewaltigen Medienaufmerksamkeit, die er seit Jahrzehnten genießt, seine zahlreichen Auftritte in Haupt- und Nebenrollen im Doonesbury-Strip miteingeschlossen, profitierte Trump enorm, als er schließlich seine mehrfach vage angekündigte Präsidentschaftskandidatur tatsächlich wahrmachte.

Reagan hat die Dummheitsgrenze geknackt, heißt es auf Seite 61: „Jetzt kann wirklich jeder Präsident werden“. In diesem Zusammenhang sei auf einen der wenigen Übersetzungsfehler hingewiesen, welche manchmal zu Missverständnissen führen bzw. zu Nicht-Verständnis. Auf Seite 95 heißt es: „Seit 1987 hat er so getan, als wolle er Präsident werden, hat seine kitschige Marke mit freien Medien aufgefrischt, aber immer vor der ersten Vorwahl gekniffen!“ Nur: Bei „free media“ geht es nicht um „freie Medien“, sondern um „kostenlose Medienpräsenz“ bzw. „kostenlose Werbung“, von der Trump wie kein anderer Kandidat profitiert hat, weil – wie oben erläutert – die Journalisten einfach nicht wegschauen können, egal wie peinlich oder unangemessen er ist. Trump hat auf diese Weise Millionen US-Dollars gespart und den medialen Diskurs dominiert.

Langzeitstudie gesellschaftlicher Prozesse: Eine Seite aus dem besprochenen Band.
Langzeitstudie gesellschaftlicher Prozesse: Eine Seite aus dem besprochenen Band.

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Ansonsten ist der durchgängig farbige Band vorbildlich aufbereitet. Es gibt weiterführende Literaturangaben, einige Erläuterungen per Fußnote, ein nützliches Who’s Who als Überblick über Trudeaus Figurenensemble und eine gehaltvolle kritische Einführung, die postuliert, dass in Zeiten der Propaganda die „tiefere Wahrheit“ vielleicht nur durch das „Prisma der Popkultur“ zu finden ist.

Doonesbury wird als „Langzeitstudie gesellschaftlicher Prozesse“ bezeichnet. Dem kann man nur zustimmen. An der Figur Trump, wie sie im Doonesbury-Universum vorkommt, kann die zivilisatorische und kulturelle Degenerierung der amerikanischen Gesellschaft abgelesen werden. Trump verkörpert die exzessive Gier der 1980er, schlimmer noch als Gordon Gecko in Oliver Stones „Wall Street“, weil dumm, dekadent und sexistisch.

Man traut Trump alles zu

„Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“, heißt es bei Doonesbury. Auch wenn Trudeau nicht nur authentische Zitate Trumps verwendet, sondern ihm auch Aussagen zuschreibt, man traut Trump alles zu, was er hier sagt, so skandalös, größenwahnsinnig, herablassend, menschenverachtend es auch sei. Es geht Trump immer vor allem um die Marke Trump und deren profitable Vermarktung.

Ein Trump-Spiel, wie es bei Doonesbury vorkommt, in dem das Ziel ist, so oft wie möglich den Namen Trump sagen, ist vorstellbar – wo es doch Trump-Steaks und eine Trump-University gab, beide inzwischen eingegangen und gerichtsanhängig. Und es fällt auch nicht schwer, sich Trump dabei vorzustellen, wie er die Anweisung gibt, bei einer Replikation des berühmten Michelangelo-Gemäldes im Bad seiner Yacht, das die Erschaffung von Adam durch Gott zeigt, nicht Adam das Gesicht von „The Donald“ zu geben, sondern … Gott.

Vorbildlich aufbereitet: Das Cover des besprochenen Bandes.
Vorbildlich aufbereitet: Das Cover des besprochenen Bandes.

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Andererseits ist diese scharfe Zuspitzung im Kontext der derzeitigen extremen politischen Polarisierung in den USA äußerst problematisch, weil sie Gefahr läuft, den politischen Gegner zu dämonisieren, im Extremfall gar zu entmenschlichen. Der Historiker Richard Hofstadter hat diese Tendenz der amerikanischen Politik, die Hand in Hand mit einem Hang zu Verschwörungstheorien geht, als „paranoid style“ bezeichnet.

Als Trump sich einmal ver-twitterte („covfefe“ statt „coverage“), dies selbstironisch kommentierte und sein Pressesprecher später versuchte, einen Witz darüber zu machen, wurde dies in den links-liberalen Medien nur mit ungezähmter Häme kommentiert.

Der Verlust von gemeinsamen Werten, gemeinsam für vertrauenswürdig gehaltenen Informationsquellen, jeglicher Kompromissfähigkeit und des grundsätzlichen Respekts für den politischen Gegner ist für pluralistische Gesellschaften und liberale Demokratien existenzbedrohend. Auch Comic-Künstler haben hier eine Verantwortung.

Garry B. Trudeau: Trump. Eine amerikanische Dramödie, Splitter, 112 Seiten, 18,80 Euro

Unser Autor Dr. Thomas Greven ist Senior Research Fellow am Institut für Internationale Politik, Berlin, und Privatdozent am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin.

Thomas Greven

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