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Traumwandlerin: Die Kosmonautin Olga ist die Hauptfigur des Buches.

© Luftschacht

Kunst-Comic: Das Mädchen aus dem Weltraum

Michaela Konrads Multimediaprojekt „Spacelove“ verbindet Comic-Ästhetik und Science-Fiction-Einflüsse. Jetzt gibt das Buch „Mondwandler“ einen Einblick in die Arbeit der österreichischen Künstlerin.

Im Alter von zehn Jahren verfolgte die Österreicherin Michaela Konrad mit Vorliebe amerikanische Science-Fiction-Serien wie „Raumschiff Enterprise“ oder englische Weltraumsagas wie „Mondbasis Alpha 1“ und „Die Mädchen aus dem Weltraum“. Letztere war nicht nur eine deutsch-englische Koproduktion mit u.a. Christiane Krüger und Winnetou-Darsteller Pierre Brice, sondern stellte laut Konrad insbesondere „eine ziemlich feministische Serie dar - die Männer durften, als Sklaven gehalten, nur niedrige Arbeiten für die Frauen erledigen“.  Ihre Liebe zu futuristischen Abenteuergeschichten ging so weit, dass sie, als der ORF „Mondbasis Alpha 1“ absetzte, gemeinsam mit ihrem Bruder eine Unterschriftenaktion startete, für die beide sogar Unterschriften fälschten.

Als Michaela Konrad älter wurde, änderten sich ihre geschmacklichen Präferenzen. Stanley Kubricks „2001“  beeindruckte sie nun mehr als „Raumschiff Enterprise“ und Autoren der fantastischen Literatur wie Stanislaw Lem („Solaris“) sowie H.G. Wells („Die Zeitmaschine“) weckten ihr Interesse.

Zwischen Picasso und Superman

All das hatte später Einfluss auf ihr Multimediaprojekt „Spacelove“, welches 2008 durch „Perpetuum“, eine Anthologie mit Werken österreichischer Comicschaffender, erstmals einem breiteren Publikum bekannt wurde. Die seltsamen Abenteuer eines Mädchens im Weltall erinnerten in Grafik und Farbgestaltung an Science-Fiction-Comics der 50er Jahre wie auch an deren Adaption durch Pop-Art-Künstler. Durch den assoziativen Kontext versah Konrad den Begriff Zukunftsliteratur mit einer eigenen Definition, dazu aus einer weiblichen Perspektive.

Roy Lichtensteins High & Low-Art-Konzept, welches die Bildsprache der Comics in die Galerien und Museen transferierte, liegt deshalb als ein Bezugspunkt innerhalb ihrer Arbeit nah - aber auch Pablo Picasso, dessen „Nackte am Strand“ sie 2011 in „Tonto Comics 12: Nordpol“ parodierte. Diese „Hommage To Picasso“ benannten Mini-Storys betreibt Konrad als spielerische Abwechslung zu den aufwändigen Arbeiten an „Spacelove“: „Der Grund, warum ich gerne mit den Figuren Picassos arbeite, ist die Tatsache, dass viele von ihnen wie Comicfiguren aussehen.“

Mondsüchtig: Das Cover des Buches.
Mondsüchtig: Das Cover des Buches.

© Luftschacht

Als zeichnerische Vorbilder aus dem Comicbereich nennt Konrad Alex Raymonds „Flash Gordon“, den sie allerdings nur auf grafischer und nicht auf inhaltlicher Ebene schätzt, und den ebenfalls hyperrealistisch zeichnenden Frank Quiteley („All Star Superman“). Ähnlich wie Raymond pflegt dieser einen Hang zum Großformat, dem Konrad ebenfalls zugeneigt ist: „Prinzipiell sind meine Arbeiten im Original eher großformatig und werden in Kunst- bzw. Comicausstellungen gezeigt.“  

Das Gesamtkonzept von „Spacelove“ selbst bezeichnet Michaela Konrad als organisch gewachsen. „Es begann als Mini-Comic-Seifenoper und hat sich danach immer wieder verändert. Dass, was die Serie zusammen hält, ist im Prinzip nur die Protagonistin und die Tatsache, dass das Szenario immer im Weltall ist. Innerhalb von „Spacelove“ kann ich eigentlich alles machen, was mich gerade interessiert.“

Im Lauf der Zeit hat „Spacelove“ sich so zu einem multimedialen, oder besser gesagt, intermedialen Projekt entwickelt. Es gibt „reale“ Gemälde, limitierte Editionen von Sieb- oder Offset-Drucken, die Multimediainstallation „Memories Of Now“ und die Comicpublikationen.

Leblose Planeten, menschliche Vitalität

Für „Mondwandler“  wie auch „Memories Of Now“ und somit die gesamte „Spacelove“-Reihe ist der Verzicht auf lineare Erzählstrukturen kennzeichnend. „Mondwandler“ jedoch verschiebt erstmals die Gewichtung von der Fiktion zum wissenschaftlichen Inhalt: „Mittlerweile interessiere ich mich sehr für ‚Science‘. Da ich Laie bin, lese ich wissenschaftliche Populärliteratur. Für mich sind vor allem Quantenmechanik, Astronomie und auch die Stringtheorie spannend. Mich interessieren philosophische Überlegungen, die sich aus den Naturgesetzen beziehungsweise den Theorien dazu ergeben. Wenn man sich beispielsweise mit der Stringtheorie beschäftigt, stößt man auf Thesen, die selbst Science Fiction-Fans verblüffen.“

So nahm sie am Starmus-Festival teil, das Ende Juni diesen Jahres auf Teneriffa stattfand, ihrem zweiten Wohnsitz neben Wien. Dort waren unter anderem ehemalige Teilnehmer der Apollo-Missionen anwesend.

Deren Zitate entfalten denn auch im Zusammenspiel mit den großformatigen Bildern bei der Lektüre von „Mondwandler“ eine beeindruckende Sogwirkung. Die Kombination von kraftvoll leuchtenden Signalfarben vor schwarz-grauen Hintergründen visualisiert gekonnt die Dissonanz zwischen einem leblosen Planeten und dem menschlicher Vitalität entspringenden Forschungsstreben der Astronauten. Als diese plötzlich angesichts eines ihre gewohnten Erfahrungshorizonte übersteigenden Umfeldes auf sich selbst zurückgeworfen sind und ihre eigene Endlichkeit zu hinterfragen beginnen, schaffen die bewusst reduzierten grafischen Arrangements im durch klare Linienführung strukturierten Raum Platz für Fragen nach dem Sein.

Erkundungsreise ins Innere

Erkennbar wird hier die stilistische Patenschaft Lichtensteins, aber ebenso der Einfluss von SF-Literatur. Er zeigt sich in ihrem aktuellen Werk in einer positiven, wenn auch differenzierten Grundeinstellung gegenüber der Weltraumerkundung. Konzeptuell steht es zwar der Idee vom „Inner Space“ in den Werken der SF-Literatur der 1960/70er Jahre nah, welche die Auseinandersetzung mit der Psyche einer nach außen hin gerichteten und unreflektierten „Outer Space“-Expansion vorzog.

Konrad setzt aber Kontrapunkte zu der dort lange Zeit gegenüber der NASA gepflegten kolonialismuskritischen Einstellung, wenn sie beispielsweise die Ergriffenheit einiger Apollo-Teilnehmer über ihre lunare Transzendenz für den Leser spürbar macht. Konträr dazu wird durch die Anwesenheit der Kosmonautin Olga, die traumwandlerisch im Minikleid zwischen den Hinterlassenschaften der Astronauten und ihren Zitaten zu tanzen scheint, ein leises Plädoyer für die dauerhafte Kraft der Imagination gegenüber einem aus Expansionsdrang resultierenden kurzlebigen Ruhm vorgetragen.  

Die Künstlerin im Selbstporträt.
Die Künstlerin im Selbstporträt.

© Illustration: Michaela Konrad

Die einzigen Misstöne in diesem sonst so perfekt inszenierten Meer der Ruhe bilden einige Motivwiederholungen der gekonnten Zeichnungen in vergrößerter oder verkleinerter Ausschnittform. Einer fähigen Künstlerin wie Michaela Konrad und einem sonst so überzeugenden Werk wie „Mondwandler“ mag dies  jedoch als Hommage an den seriellen Charakter diverser Pop-Art-Werke ausgelegt werden.   

Michaela Konrad: Mondwandler, Luftschacht-Verlag, 64 Seiten, 24 Euro. Zur Website der Künstlerin geht es hier.

Die Multimediainstallation „Memories Of Now“, die Michaela Konrad in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Künstler Daniel Dorobantu entwickelt hat, ist als permanentes Exponat im Deep Space-Showroom der Ars Electronica in Linz zu sehen. Einen Vorgeschmack gibt es hier.

Veranstaltungshinweis: Am 23. November wird im Linzer Landeskulturzentrum Ursulinenhof eine Ausstellung eröffnet, die Arbeiten aus „Mondwandler“ wie auch aus Leopold Maurers „Mann am Mars“ zeigt (Ausstellungseröffnung: 23. November, 20 Uhr, Ausstellungsdauer: 24.11.2011 - 12.03.2012, Öffnungszeiten: Mo bis Fr 9-19, Sa 10-17 Uhr, mehr online unter www.nextcomic.org.

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