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Die Max-und-Moritz-Preisverleihung auf dem Comic-Salon 2014.

© Lars von Törne

Internationaler Comic-Salon 2014: Goldregen über Erlangen

Strahlende Sieger, ein Hauch von Hollywood und ein paar handfeste Überraschungen: Am Freitagabend wurden auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen die begehrten Max-und-Moritz-Preise vergeben.

Das Auspacken von Geschenken kann auch dann Freude bereiten, wenn es lange dauert und man schon vorher weiß, was drin steckt. Bei der diesjährigen Max-und-Moritz-Preisverleihung im Markgrafen-Theater stand der große Gewinner bereits fest: Ralf König sollte den „Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk“ bekommen, doch er war nirgends zu sehen. Stattdessen saß in einer der vorderen Reihen eine auffällige Frau in Gold verpackt mit pechschwarzer Turmfrisur.

Auf der Bühne begrüßten die beiden bereits vom Comic-Salon vor zwei Jahren bekannten Meister der Zeremonie das Publikum: die Komikerin Hella von Sinnen und der Journalist und Autor Christian Gasser. Doch bevor die Preisvergabe beginnen konnte, wurde noch ein neues Gesicht vorgestellt: der neue Oberbürgermeister von Erlangen. Florian Janik erntete gleich viele Applaus für seine lautsprecherhafte Forderung nach mehr Förderung: Erlangen solle nicht nur alle zwei Jahre Comic-Leuchturm sein, sondern auch zwischen den Salons strahlen. Was er damit genau meinte, war nicht ganz klar, doch die wohlwollenden Worte alleine brachten ihm Sympathiepunkte und einen Platz auf dem Sieger-Sofa ein.

Blutverschmierte Männer mit Hackebeil?

Das Ritual der Max-und-Moritz-Preisverlaibung hat sich seit Jahren nicht verändert: Alle Nominierungen lobend vorstellen, Gewinner bekanntgeben, Brot überreichen. Mit der kleinen Ausnahme, dass in diesem Jahr mit blassgelben Kuverts ein bisschen Hollywood-Flair und -Spannung erzeugt werden sollte. Auch neu waren zwei Jurymitglieder: die Comiczeichnerin Isabel Kreitz und der Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne.

Der Name im Umschlag war aber erstmal sekundär, denn alle Comics, die Gasser vorstellte, hatten schon gewonnen. Ohne zu viel zu verraten, entfaltete er die Einzigartigkeit der Nominierungen vor dem geistigen Auge der Zuschauer. Die gesalbten Worte des Schweizers lösten den Wunsch aus, das Buch gelesen zu haben oder zumindest bald kaufen zu können. Und das obwohl seine Eidgenossen sich zeitgleich mit einem 2:5 gegen die französischen Nachbarn bei der Fußball WM geschlagen geben mussten.

Der Preis für den besten Comicstrip ging an die Reihe „Totes Meer” von 18 Metzger. Dem kryptischen Namen nach zu urteilen, hätte eine Ansammlung von blutverschmierten Männern mit Hackebeil die Bühne betreten müssen. Der einzelne Preisträger, der in Wirklichkeit Olav Korth heißt, wollte schon immer ein Kollektiv sein, musste aber von Sinnen eingestehen, dass das Pseudonym von seiner Adresse Metzgerstraße18 abgeleitet war. 

Ein bisschen viel Hollywood

Als beste studentische Publikation wurde „Triebwerk“ von den Studenten der Kunsthochschule Kassel ausgezeichnet. Ihr Professor Hendrik Dorgathen musste erst lange auf die Bühne gebeten werden und zeigte sich im Gespräch mit Gasser sichtlich wortkarg. Auf die Frage, ob „Triebwerk“ das erste studentische Comic-Magazin sei, gab er zu verstehen: „Anke [Feuchtenberger] hatte vorher schon so ein Magazin.“

Der Max-und-Moritz-Preis für den besten Kinder-Comic ging an die Märchenerzählung „Hilda und der Mittagsriese“ des britischen Zeichners und Autors Luke Pearson.

Die wirkliche Überraschung des Abends war für viele „Billy Bat“ (Carlsen Manga): Die bislang unvollendete Reihe wurde als bester internationaler Comic ausgezeichnet. Der japanische Manga von Naoki Urasawa und Takashi Nagasaki war neben so hochkarätigen Titeln wie Chris Wares „Jimmy Corrigan“ und Osamu Tezukas „Buddha“ nominiert worden. Carlsen-Progammleiter Kai-Steffen Schwarz lobte Urasawa als bedeutendsten lebenden Mangaka, als er den Preis stellvertretende für ihn im Empfang nahm.

Für Hella von Sinnen, die das Öffnen der Kuverts sichtlich genoss, war es vielleicht doch ein wenig zu viel Hollywood. Im Gegensatz zu den Erläuterungen Gassers, wirkten ihre Laudationes eher subjektiv und gaben oftmals nur Inhalt oder Künstlerbiografie wieder. Als unter einer Vielzahl von Nominierten für den besten deutschen Comics der Boys-Love-Manga „Ten“ von  Martina Peters auftauchte, kommentierte Die Moderatorin das mit einer witzig gemeinten Bemerkung über die „Bill-Kaulitz-Frisur“ des Helden. Leider durchzog ihr mangelndes Verständnis für den Manga ihre ganze Vorstellung.

„Ich spiel’ Tischtennis gegen euch alle!“

Gewonnen hat den Preis für den besten deutschen Comic der Berliner Autor Mawil, der sich sichtlich gefreut hat. Seine Graphic Novel „Kinderland“ erzählt vom Mauerfall, von einem schüchternen Jungen und vom Tischtennis. Nach einem kurzen Gespräch bedankte er sich beim allen Lesern und alle zukünftigen Käufer und forderte das Publikum zu einem Match heraus: „Ich spiel’ Tischtennis gegen euch alle!“

Gerade zuvor schon für den besten deutschen Comic nominiert, konnte Marvin Clifford für seine Serie „Schisslaweng” den Publikumspreis entgegennehmen. Der Künstler, der im Bereich Webcomics angefangen hat, bezeichnete seinen Zustand selbst als „flürrig“. Symptome dafür sind ganz offensichtlich das Entgleisen der Gesichtszüge, hektische Bewegungen, und ein erfrischendes Aufbegehren gegen von Sinnens Kalauer.

Goldene Jahre: Der frisch gekürte Lebenspreisträger Ralf König (mitte) mit den Moderatoren Hella von Sinnen und Christian Gasser.
Goldene Jahre: Der frisch gekürte Lebenspreisträger Ralf König (mitte) mit den Moderatoren Hella von Sinnen und Christian Gasser.

© Lars von Törne

Als beste deutschsprachige Künstlerin wurde Ulli Lust geehrt. Nicht nur für Comics wie „Heute ist der letzte Tag von Rest deines Lebens“ und „Flughunde“, nicht nur für ihr Bemühen junge Künstler online zu veröffentlichen und nicht nur für ihren Unterricht an der Kunsthochschule Hannover.

„Preis für das altersgeile Spätwerk“

Den Spezialpreis der Jury bekamen die deutschen Übersetzer von „Jimmy Corrigan“, Tina Hohl und Heinrich Anders. Der Begriff „Übersetzer“ ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, weil ihre Arbeit nicht nur darin bestand die Worte vom Englischen ins Deutsche zu übertragen, sondern sie auch entsprechend zu über-setzen. Sprich: Ihnen die perfekte Form zu geben, damit sie in Chris Wares minutiöses Design passen.

Zu fortgeschrittener Stunde wurde dann auch dem letzten Gast im Markgrafen-Theater klar, dass die Frau in Gold Ralf König sein muss. Die Brille wie Dame Edna, die Frisur wie Marge Simpson kraxelte König auf die Bühne und lauschte der sachten Stimme von Laudatorin Isabel Kreitz. Eine einfühlsame Rede, ein schöner Moment, der nur durch stehende Ovationen gebrochen wurde. Als endlich wieder Ruhe eingekehrte und das Publikum wieder Platz nahm, erklärte König den Grund für seine güldene Verpackung.

Vor vielen Jahren saß er auf den oberen Rängen des Markgrafentheaters und hatte sich vorgenommen: „Eines Tages bekommst Du den Max-und-Moritz-Preis und du wirst schöner sein als Matthias Schultheiss.“ Dieser Traum ist war geworden. Und das zum ersten Mal bereits im Jahr 1992 als er den Preis für den besten deutschsprachigen Comickünstler erhielt. Wie mit sich selbst ausgemacht, nahm er den Preis damals schöner als Schultheiss entgegen – in einem goldenen Pailettenkleid. In eben jenem Kleid stand er 2014 wieder auf der Bühne und versprach, auch in zwanzig Jahren wiederzukommen, um den „Preis für das altersgeile Spätwerk“ entgegenzunehmen. Der Rest war Goldregen.

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