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Die Digedags auf großer Reise. Johannes Hegenbarth dichtete: „Ein Ritter, der den Weg nicht kennt, kommt niemals in den Orient.“ Nun ist der Erfinder der grenzenlosen Fantasie gestorben.

© Illustration: Hegen/ Mosaik/Tessloff

Hannes Hegen: Abenteurer hinterm Horizont

Als Hannes Hegen wurde er verehrt von DDR-Jugendlichen. Der Zeichner hatte das „Mosaik“ erfunden – ein Comic-Heft, dessen Helden um die ganze Welt reisten. Ein Nachruf auf Johannes Hegenbarth.

Von David Ensikat

Was kümmerte den DDR-Bürger der Orient, was das Mittelmeer? Er kam da ohnehin nie hin. Es sei denn, er las das „Mosaik“ und lernte: „Ein Ritter, der den Weg nicht kennt, kommt niemals in den Orient.“ Einer der famosen Aussprüche des Ritters Heino Runkel von Rübenstein. Ein anderer, nicht ganz so ritterlich: „Hinein ins Mittelmeer! Wenn das nicht hilft, weiß ich kein Mittel mehr.“

Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Autor dieser Sprüche Hannes Hegen war, auch wenn jeder DDR-Mensch Hannes Hegen für den Autor hielt. Denn der Ritter Heino Runkel von Rübenstein war neben den eigentlichen Helden, den „Digedags“, eine der wichtigsten Figuren der wichtigsten Comic-Serie der DDR, und bis 1975 stand auf dem Heft-Cover „Mosaik von Hannes Hegen“. Damit war Hannes Hegen der Held eines jeden jungen Ostbürgers, der zwischen 1950 und 1970 auf die Welt gekommen war. Ein Walt Disney des Ostens, könnte man wohl sagen.

Abgesehen von den allerersten wurden die „Mosaiks“ aber nicht von Hannes Hegen allein, sondern von einem Kollektiv geschrieben und gezeichnet. Da war die angeblich alleinige Autorenschaft im Land der Kollektive etwas äußerst Ungewöhnliches.

Die Nachfrage war stets größer als die Auflage

Aber das war das „Mosaik“ ja selbst. Denn Comics galten als Schund und Schmutz aus dem Westen – der allerdings auch im Osten so begehrt war, dass Hannes Hegen mit seinem Vorschlag eines „historischen Bilderromans“ im Jahr 1955 irgendwie durchkam und seither das „Mosaik“ zeichnen und herausgeben konnte. Die Auflagen gingen in die Hunderttausende. Sie bemaßen sich allein am Papierkontingent und konnten den Bedarf nie decken.

Hannes Hegen, 1925 - 2014
Hannes Hegen, 1925 - 2014

© Promo

Wegen des Erfolgs war es Hannes Hegen möglich, nicht nur als alleiniger Autor zu erscheinen, sondern über die längste Zeit eher unpolitische Klamaukgeschichten zu erzählen. Nur im Jahr 1958 erschienen ein paar Hefte, deren Geschichten sich nicht in der Vergangenheit und in der weiten Welt abspielten, sondern in den zukünftigen Weiten des Weltraums. Da hatten sich die Verwalter sozialistischer Dichtkunst durchgesetzt und ließen auch im „Mosaik“ die Überlegenheit des „fortschrittlichen Lagers“ im All feiern.

1975 kam es dann zum Bruch. Es ging um inhaltliche Dinge und auch ums Geld. Zu den bisherigen Bedingungen war Hegen nicht mehr bereit, das „Mosaik“ weiter erscheinen zu lassen.

Es erschien aber weiter, wenn auch nicht mehr „von Hannes Hegen“ und auch nicht mehr mit den „Digedags“. Ab jetzt hießen die Helden „Abrafaxe“. Der „Mosaik“-Erfinder klagte gegen die Kopierwerker, doch ohne Erfolg. Die Auflagen des neuen „Mosaiks“ stiegen – aber das lag, DDR-typisch, weder an der Qualität der Geschichten noch an der Nachfrage, sondern an den Entscheidungen von oben. Kenner sind sich einig: So gut wie unter Hegen, ob er nun selbst schrieb und zeichnete oder nicht, war das „Mosaik“ nie wieder.

Hannes Hegen, der eigentlich Johannes Hegenbarth hieß, zog sich zurück und niemand weiß, was er seitdem getan hat. Jetzt ist er gestorben, 89 Jahre ist er alt geworden.

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