zum Hauptinhalt
Fein gemacht: Für viele Comic-Con-Besucher gehört die Verkleidung dazu, wie hier im Dezember 2015 in Dortmund.

© Roland Weihrauch / dpa

German Comic Con: Berlin bekommt seine erste Comic Con

Mitte Oktober findet zum ersten Mal eine Comic Con nach US-Vorbild in Berlin statt. Wer steckt dahinter – und was haben Comicfans zu erwarten?

Es begann mit lebenden Leichen. Vor einigen Jahren begleitete Marcus Borchert seine Frau Daniela auf das jährliche Grusel-Spektakel „Weekend of Horrors“ im Ruhrgebiet. Die Marketing-Expertin bewarb dort die Fernsehserie „The Walking Dead“. Marcus Borchert ist ein Fan dieser und anderer US-Serien. „Darüber bin ich auf Conventions aufmerksam geworden“, erzählt der 34-jährige Hamburger, der einst als Postzusteller gearbeitet hat, dann Jura studierte und parallel zum Staatsexamen seine eigene Firma German Comic Con aufgebaut hat. In Nordamerika sind derartige Fan-Spektakel ein seit langem eingeführtes Geschäftsmodell – und am 15. und 16. Oktober findet jetzt die erste Berliner Comic Con in den Messehallen unter Funkturm statt.

Rund 25 000 Besucher erwartet Veranstalter Borchert, angelockt von Hollywood-Stars wie Christopher Lloyd („Zurück in die Zukunft“), Famke Janssen („X-Men“) und Chad L. Coleman („The Walking Dead“) – aber auch von Comic-Gästen wie Disney-Zeichner Don Rosa, Manga-Zeichnerin Nana Yaa und mehreren Zeichnern der Science-Fiction Serie „Waisen“ aus Italien, Partnerland der Veranstaltung.

Die Macher: Marcus Borchert ist Geschäftsführer der Comic Con Europe GmbH, seine Frau Daniela ist fürs Marketing zuständig.
Die Macher: Marcus Borchert ist Geschäftsführer der Comic Con Europe GmbH, seine Frau Daniela ist fürs Marketing zuständig.

© Lars von Törne

Im Kern geht es darum, dass Fans vor allem von Fernsehserien oder Kinofilmen ihre Stars live erleben können – und gegen Geld persönliche Begegnungen, Autogramme und gemeinsame Fotos mit ihren Idolen bekommen. Daneben gibt es Panel-Präsentationen, Platz für Cosplayer, Merchandising und ein Unterhaltungsprogramm. Da die Conventions oft aus Comicfestivals hervorgegangen sind und etliche der hier präsentierten Filme – wie eben auch „The Walking Dead“ – auf Comic-Serien basieren, tragen diese Veranstaltungen oft den Titel „Comic Con“. Auch wenn Zeichner und Verlage heutzutage meist gar nicht mehr im Zentrum der Veranstaltung stehen – es sei denn, es handelt sich um Spider-Man-Miterfinder Stan Lee (93), der kürzlich bei einer derartigen Veranstaltung in Toronto einen vielbeachteten Auftritt hatte – und von Fans Hunderte Dollar pro Foto kassierte.

Kommendes Jahr sollen Frankfurt und weitere Städte folgen

Vor einem Jahr hat Borchert in Dortmund die erste Comic Con auf deutschem Boden veranstaltet. 30.000 verkaufte Tickets motivierten ihn, das Projekt fortzusetzen. Nahezu zeitgleich hatten auch andere Veranstalter ähnliche Ideen und organisierten vergleichbare Veranstaltungen in Hannover und Stuttgart. Bislang scheint der Markt aber groß genug für mehrere Anbieter zu sein. Und Borchert setzt auf Expansion: Nach Berlin geht’s in Dortmund weiter, kommendes Jahr sollen Frankfurt und weitere deutsche Städte folgen.

Dass er selbst mit Comics im engeren Sinne nicht viel am Hut hat, daraus macht Markus Borchert keinen Hehl. Dafür hat er sich mit Filipe Tavares zusammengetan, der unter anderem als Pressesprecher von Verlagen wie Cross Cult und Schreiber & Leser in der Szene gut vernetzt ist und bei den Veranstaltungen der German Comic Con für das Comicprogramm zuständig ist.

Unikat: Zeichnungen wie diese wird man auch auf der Berliner Comic Con viele sehen.
Unikat: Zeichnungen wie diese wird man auch auf der Berliner Comic Con viele sehen.

© Roland Weihrauch / dpa

Für Organisator Borchert sind die Präsentationen der Verlage und einzelner Zeichner Teil eines Gesamtpakets, mit dem er möglichst viele Menschen ansprechen will: „Das Publikum soll zwei Tage ein volles, breites Programm geboten bekommen.“ Und dazu gehören neben Fotosessions mit den Filmstars auch Panels mit Zeichnern und Originalzeichnungen, für die die Besucher – anders als bisher bei Comicveranstaltungen im deutschsprachigen Raum üblich - in der Regel nochmal extra in die Tasche greifen müssen: So kostet eine Skizze der italienischen Comic-Gäste bei der Berliner Comic Con zwischen 30 und 70 Euro. „Damit wird der Zeichnerbereich finanziert“, sagt Markus Borchert. Das Grundprinzip ist: Jeder Besucher bekommt das, was er vorher bucht. Andere Zeichner dürften ihren Fans aber wie üblich auch gratis etwas in ihre Bücher zeichnen.

Einige Verlage sind noch skeptisch

Das Interesse an diesem für Deutschland neuen Veranstaltungsformat ist in der Comicszene groß – aber auch die Skepsis. 500 Bewerbungen habe es im vergangenen Jahr von Zeichnerinnen und Zeichnern für die Comic Con Dortmund gegeben, sagt Markus Borchert – bei gerade mal 56 Plätzen im Zeichnerbereich. In Berlin sind es laut Programm fast 100 Zeichner, die sich und ihre Veröffentlichungen präsentieren.

Das ist im Vergleich zum Internationalen Comic-Salon Erlangen, bei dem alle zwei Jahre rund 400 Zeichner zu erleben sind, noch recht überschaubar – im Verhältnis zu bisher in Berlin veranstalteten Szene-Treffen wie Comicinvasion und Comic-Messe ist das jedoch ein ordentlicher Zuwachs. Der Reiz für viele Comicschaffende an derartigen Formaten ist vor allem auf die Hoffnung zurückzuführen, neue Leser- und Käuferschichten zu erschließen, die wegen der Filmstars kommen, aber dann neben ihren Fotos und Autogrammen auch noch ein paar Comics mit nach Hause nehmen.

Helden wie sie: Zwei Besucherinnen der Comic Con Dortmund arbeiten an ihren Kostümen.
Helden wie sie: Zwei Besucherinnen der Comic Con Dortmund arbeiten an ihren Kostümen.

© Roland Weihrauch / dpa

„Wir haben mit dem Comic Cons in Wien und Dortmund im letzten Jahr ganz hervorragende Erfahrungen gemacht und werden unser Engagement bei solchen Veranstaltungen sicher weiter ausbauen“, sagt Jo Kaps, Verlagsleiter bei Tokyopop. Daher ist sein auf Manga spezialisierter Verlag auch in Berlin mit Zeichnern vertreten und bringt in Dortmund mit dem „The Legend of Zelda“-Duo Akira Himekawa erstmals auch japanische Gäste mit. „Diese Veranstaltungen sind nicht besser oder schlechter als der Comic Salon in Erlangen, den wir natürlich nach wie vor trotzdem lieben, sie sind einfach anders“, sagt Kaps. „Die Stars aus Hollywood ziehen ein ganz anderes Publikum mit an, das sich dann aber durchaus auch sehr neugierig und offen Comics gegenüber zeigt.“ Dadurch biete sich „eine großartige Möglichkeit, unser Programm bei ganz neue Leserschichten bekannt zu machen“.

Skeptischer ist man da bei Carlsen, dem Hamburger Verlag, der neben frankobelgischen Klassikern wie „Tim und Struppi“ auch die Arbeiten deutscher Comicstars wie Flix und Reinhard Kleist veröffentlicht. „Wir waren bei der Comic Con 2015 in Dortmund dabei – und haben danach entschieden, dass wir uns die Entwicklung erst mal weiter anschauen und uns auf die großen Branchentreffen wie den Comic-Salon Erlangen oder das Münchener Comicfestival konzentrieren, die die ganze Bandbreite der Comic-Kultur abdecken“, sagt Klaus Schikowski, Programmleiter Comic und Graphic Novels bei Carlsen. Das Programm der deutschen Comic Cons sei zwar bislang in Sachen Comic „ganz anständig“ gewesen, „aber es steht eben doch der Film im Vordergrund“. Der Comic werde daher auf derartigen Veranstaltungen nur als „ein Teil der Popkultur-Verwertungskette“ präsentiert. Und wenn die Fans teilweise hunderte Euro für Fotos mit prominenten Schauspielern ausgeben, sei am Ende dann eben oft kaum noch etwas für Comics übrig.

Alles nur Spaß. Zwei Besucher der Comic Con Dortmund im Dezember 2015.
Alles nur Spaß. Zwei Besucher der Comic Con Dortmund im Dezember 2015.

© Roland Weihrauch / dpa

Aus Sicht mancher Zeichner sind allerdings die Comic Cons die bessere Alternative – auch, weil sie dort für ihre Präsenz und ihre Skizzen vor Ort bezahlt werden. Bei klassischen Comicfestivals kriegen die Zeichner in der Regel dagegen kein Gehalt fürs Signieren, ihr Auftritt wird von den Verlagen oft eher als Teil der ohne Zusatzgehalt zu erbringenden Werbemaßnahmen für ihre Bücher angesehen.

„Auf Conventions ist das Publikum von den Interessen und auch von den Altersgruppen her gemischter als auf Veranstaltungen wie dem Comicsalon Erlangen oder München“, sagt Comiczeichner Ingo Römling („Malcolm Max“), der sich in den vergangenen Jahren durch seine Arbeit an der Serie „Star Wars Rebels“ auch international einen Namen gemacht hat. „Da ich Star-Wars-Zeichner bin, bin ich auch öfter auf solchen themenbezogenen Veranstaltungen, und Star Wars ist mittlerweile ein generationenübergreifendes Fan-Thema“, sagt Römling. „Da stehen schon mal Mama und Papa mit dem kleinen Töchterchen vor mir, alle drei als Stormtrooper verkleidet - grandios.“

Der Trend zu deutschen Comic Cons ist aus Römlings Sicht ein Gewinn für die Szene. „Meiner Meinung nach kochte die deutsche Comic-Community früher ziemlich im eigenen Saft, alles war irgendwie verkopfter, ernster, eine verschworene Gemeinde, ein bisschen wie ein Club“, sagt er. In den vergangenen Jahren hab sich das geändert. „Durch die sozialen Medien, die Manga-, Rollenspiel- und Cosplayer-Communities und die Vermischung und Verknüpfung von alldem untereinander kommen eine Menge neue Impulse rein.“ Vor allem jüngeres Publikum, neue Künstler, neue Stile, jüngere Zeichner und vor allem auch Zeichnerinnen, sagt Römling: „Das ist großartig.“

German Comic Con Berlin, Messe Berlin 15./16.10., Tagestickets 20 Euro, Wochenende 35 Euro, www.germancomiccon.com

Zur Startseite