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Immer wieder Donald: Eine Originalzeichnung Ulrich Schröders.

© galerie-gabriele-mueller.de/Disney

Disney-Comics: „Eine gute Geschichte ist wie ein eigenes Universum“

Disney-Zeichner Ulrich Schröder tritt diese Woche in Berlin auf. Ein Interview über seine Karriere, Tipps für den Nachwuchs und das, was gute Comics ausmacht.

Herr Schröder, Sie haben das geschafft, wovon viele junge Comiczeichner träumen: Als einer der wenigen deutschsprachigen Disney-Künstler bringen Sie für den Konzern seit Jahrzehnten Comicfiguren zu Papier und gestalten diverse Produkte mit. Kein ganz gewöhnlicher Job, oder?
Ja, in der Tat. In meinen Augen ist das ein echter Traumjob. Ich hätte früher selbst nie gedacht, dass das mal klappen würde. Zumal es ja generell ein riesiges Privileg ist, beruflich das machen zu können, was man liebt. In meinem Fall ist es das Zeichnen – das war er schon immer und ist es nach wie vor. Und wenn man damit sogar noch Leute glücklich machen kann, etwa bei Signierstunden oder mit für sie persönlich angefertigten Zeichnungen, ergibt sich gleich noch ein positiver Nebeneffekt.

Wie kamen Sie zu Ihrem Traumjob?
Wie bei vielen anderen Zeichenkünstlern konnte ich mich schon früh für Comics und Illustrationen begeistern. Meine ersten Micky-Mäuse zeichnete ich mit ein paar Jahren ab und als Neunjähriger wollte ich dann Comiczeichner werden. Mit 15 fing ich an, für das Zentralorgan der Donaldisten, „Der Hamburger Donaldist“, einige Motive mit den Ducks anzufertigen. Anfang der 1980-er Jahre bewarb ich mich dann mit einem von mir für den Heye-Verlag gestalteten Kalender bei der damaligen Disney-Zentral in Frankfurt. Ich wurde eingeladen und zu meiner Überraschung tatsächlich eingestellt. Später arbeitete ich auch in der Werbung für verschiedene andere Unternehmen und ging anschließend für fast 20 Jahre als Artdirector zu Disney nach Paris. Aktuell arbeite ich wieder freiberuflich, aber dabei immer noch mit vielen Aufträgen aus dem Hause Disney.

Niemand weiß genau, wer Donald Duck erfunden hat, denn er war in Walt Disneys Welt anfangs nur eine Nebenfigur. Doch es war der Zeichner Carl Barks, der zahlreiche weitere Charaktere wie etwa Onkel Dagobert, Daniel Düsentrieb und die Panzerknacker oder auch die fiktive Stadt Entenhausen kreierte. Heutzutage sind die Disney-Comics in ihrem Ursprungsland USA allerdings längst nicht so beliebt und präsent wie etwa in Europa. Warum ist das so?
Dass Disney-Comics kaum eine Rolle auf dem amerikanischen Markt gespielt haben, liegt an mehreren Dingen: Als erstes ist dabei ein teils enormer Qualitätsverlust seit Barks‘ Ausscheiden zu nennen. Denn als Carl Barks Ende der 1960-er Jahre aufgehört hatte, Geschichten zu schreiben und zu zeichnen, wurden viele Geschichten von ihrer Erzählweise und den Zeichnungen her sehr viel schlechter. Der Verkauf der Hefte an den Zeitungsständen sank und auch der Versuch der Herausgeber, die Hefte in Plastiktüten eingeschweißt im Supermarkt anzubieten, erbrachte keine neuen Gewinne. Zusätzlich kam noch das Fernsehen als konkurrierendes Unterhaltungsangebot auf. Den Todesstoß für die Comics gab es schließlich durch die Vermarktung der Disney-Charaktere als Baby-Figuren auf diversen Merchandise-Produkten. Denn damit brach den Herausgebern der Comics ihre Zielgruppe der älteren Kinder und Jugendlichen weg, da bei diesen die Denke „Die Figuren sind Babykram, also uncool“ aufkam.

Gefragter Strich: Ulrich Schröder bei der Arbeit.
Gefragter Strich: Ulrich Schröder bei der Arbeit.

© CC-BY-SA 4.0/Wikipedia

In anderen Ländern erschienen die Charakteren hingegen in einem anderen Licht?
Genau, vor allem in Europa sind die Figuren ernster genommen worden. Man schaue sich zum Beispiel einmal genauer die Texte von Erika Fuchs an, die lange Jahre Chefredakteurin des Micky-Maus-Magazins war und insbesondere mit ihren Übersetzungen der Geschichten von Carl Barks die Sprache in Comics bis heute geprägt hat – das sind keine an eine kindliche Sprache angepassten Übersetzungen, die sind interessant für alle. Ebenso eignen sich die Geschichten an sich, das heißt von ihrem Aufbau bis hin zu einer tieferen Aussage, nicht nur für Kinder. Denn wenn man eine richtig gute Geschichte schreibt und grafisch umsetzt, dann ist sie auf mehreren Ebenen lesbar. Micky, Donald und Dagobert erleben also nicht nur Abenteuer für kleine Kinder, sie sind vielmehr für alle Generationen da.

In der Comic-Szene kennt man Sie vor allem für Ihre Cover von verschiedenen Disney-Publikationen. Zeichnen Sie Umschlagbilder lieber als ganze Geschichten?
In der Tat gibt es nur einige wenige Comic-Geschichten von mir. Das liegt in erster Linie daran, dass ich beim Zeichnen sehr langsam bin und selten mit dem Ergebnis zufrieden bin (lacht). Ich nenne Ihnen ein Beispiel: An dem 14-seitigen Micky-Maus-Comic mit dem Titel „Wavy Gravy“ (auf Deutsch unter dem Titel „Ei in Gefahr“ in den Micky-Maus-Magazinen Nr. 30 und 31 von 2013 erschienen, Anmerkung der Redaktion) habe ich 13 Jahre lang gesessen. Dafür habe ich dann vom europäischen Comic-Herausgeber Egmont einen Preis bekommen für die „am längsten erwartete Geschichte“, also quasi für den langsamsten Zeichner, den sie je hatten. Ich würde unheimlich gern noch viel mehr zeichnen, aber ich halte mich selbst für zu perfektionistisch. Und durch die Erfahrung als Artdirector sehe ich ganz genau, wo etwas nicht gut genug gezeichnet ist – natürlich auch bei meinen eigenen Sachen.

Klassiker: Eines von Ulrich Schröders Disney-Titelbildern, das er zusammen mit Daan Jippes angefertigt hat.
Klassiker: Eines von Ulrich Schröders Disney-Titelbildern, das er zusammen mit Daan Jippes angefertigt hat.

© Egmont Ehapa

Sie erwähnen erneut ihre Tätigkeit als Artdirector bei Disney. Wie kann man sich einen Arbeitstag in dieser Position vorstellen?
Nun, als Artdirector überblickt man verschiedene gestalterische Bereiche, in meinem Fall hatte das vor allem mit der Produktion von Merchandise-Artikeln und Comics zu tun. Ich beurteilte dabei etwa die Qualität von eingereichten Zeichnungen für verschiedene Projekte. Oder ich beriet den Herausgeber, welchen Zeichner er für welche bestimmte Comic- oder Buchpublikation am besten einsetzen könnte. Dem Illustratoren wiederum teilte ich dann mit, welche gestalterischen und stilistischen Kriterien es für die jeweilige Arbeit einzuhalten galt. Manchmal musste ich aber auch selbst zum Zeichenstift greifen, um etwa Skizzen für einen Auftrag anzufertigen. Das Dasein als Artdirector habe ich somit als eine vielseitige Tätigkeit erlebt, über die sich übrigens der komplette Lebensunterhalt bestreiten lässt. Das heißt, ich musste nicht „nur“ von Comics leben. Insofern war ich „leider“ auch nie gezwungen, einen Comic-Auftrag unter Zeitdruck zu Ende zu bringen.

Da Sie gerade die Lukrativität des Comicmarktes ansprachen: Lassen Sie uns über die beruflichen Aussichten für angehende Künstler reden. Zwar sind Comics mittlerweile auch in den meisten Teilen Deutschlands salonfähig geworden und in vielen gesellschaftlichen Bereichen als eigene Kunstform akzeptiert. Aber trotzdem ist es für die meisten Zeichner noch immer nicht leicht, allein von ihrer Kunst zu leben. Haben Sie eine Prognose oder einen Rat für angehende Comic-Künstler?
Eine Prognose zur Situation in Deutschland kann ich ehrlich gesagt nicht abgeben, weil ich vor 30 Jahren nach Paris gezogen bin. Allerdings bemerke ich hin und wieder auch einige deutsche Alben auf dem französischen Markt von Leuten, die anscheinend davon leben können. Aber: Es ist definitiv nach wie vor schwer, einen Job zu finden, bei dem man vom reinen Zeichnen genug Geld verdient. Gleichzeitig und trotzdem ist die Comic-Produktion in den vergangenen Jahren stark angestiegen, wodurch sich sogar auch für erfahrene Profis der Konkurrenzdruck erhöht. Von daher kann ich auch professionellen Zeichnern nur empfehlen, sich immer noch ein zweites Standbein zu errichten – idealerweise eine Arbeit, die mit Kunst zu tun, aber sie kann auch ein anderes Gebiet umfassen.

Klassisch: Eine weitere Original-Zeichnung von Ulrich Schröder.
Klassisch: Eine weitere Original-Zeichnung von Ulrich Schröder.

© Disney

Wie viele andere Bereiche geht die Kunst immer auch mit der Zeit. Finden Sie, dass man auch Comicfiguren der jeweiligen Zeit anpassen sollte? Zum Beispiel, dass sie ständig nach der neuesten Mode gekleidet sein sollten?
Nein, das denke ich nicht, denn dazu fällt mir eine schöne Anekdote ein: Ich habe Carl Barks einmal persönlich getroffen, das war 1996. Damals waren gerade Walkmans in Mode, diese tragbaren CD-Player, so eine Art Vorläufer des kleineren MP3-Players. In dem Gespräch mit Barks habe ich ihn unter anderem gefragt, ob er, wenn er heute noch Geschichten schreiben würde, neumodische Dinge wie Walkmans oder Skateboards mit in die Geschichte einbauen würde, um modern zu bleiben. Er meinte daraufhin, dass er das nicht tun würde – höchstens, wenn er sich darüber lustig oder daraus eine interessante Geschichte machen wollen würde. Aber sicher nicht, um sich dem Leser anzubiedern. Denn eine wirklich gute Geschichte basiere auf den interessanten Figuren mit ihrem jeweiligen Charakter.

So bleiben also die Charaktere der eigentliche Schlüssel zu einer guten Comic-Story.
Ja, das kann man so sagen. Denn wenn die Charaktere stimmen, dann ist man übrigens auch mit seiner Erzählstruktur flexibel. Barks beispielsweise hat Geschichten geschrieben auf eine Weise, die oft alles offen lässt. Dagobert kann etwa am Ende einer Geschichte all sein Geld verlieren, beim nächsten Mal hat er es wieder. Somit kann eine einzelne Geschichte jedes Mal für sich alleine stehen und als ein kleines Kunstwerk für sich gelten. Liest man sie später erneut, entdeckt man womöglich einige Details, die einem beim ersten Lesen nicht aufgefallen sind – eine gute Geschichte ist dann im Endeffekt wie ein eigenes kleines Universum mit lauter Sternen. Carl Barks beherrschte diese Kunst wie kein Zweiter. Deshalb freue ich mich auch immer wieder besonders darüber, dass ich meine Zeichnungen in seiner Tradition anfertigen kann: Wie er zeichne ich alles per Hand und benutze dabei mit der „Esterbrook 356“ dasselbe Modell der Zeichenfeder, mit der schon Barks gearbeitet hat.

Teamwork: Eines der Disney-Cover, die Ulrich Schröder zusammen mit seinem höllandischen Kollegen Daan Jippes angefertigt hat.
Teamwork: Eines der Disney-Cover, die Ulrich Schröder zusammen mit seinem höllandischen Kollegen Daan Jippes angefertigt hat.

© Egmont Ehapa

Zur Person: Ulrich Schröder (Jahrgang 1964) ist neben Volker Reiche, Jan Gulbransson und Fabian Erlinghäuser einer der wenigen Disney-Comiczeichner aus Deutschland. Der gebürtige Aachener lebt in Paris und Barcelona und hat zahlreiche Merchandise-Artikel gestaltet sowie hunderte Covermotive für internationale Disney-Publikationen gezeichnet. Daneben entstanden in Zusammenarbeit mit seinem niederländischen Kollegen Daan Jippes auch viele Kurz-Comics. Schröder ist ein gefragter Gast auf internationalen Messen und stand dem Tagesspiegel auf der zweiten Berliner Comic-Con spontan für ein Gespräch zur Verfügung, während er Zeichnungen auf persönlichen Wunsch zahlreicher Fans anfertigte.

Veranstaltungshinweis: Ab Donnerstag, dem 14. Dezember, ist Ulrich Schröder drei Tage hintereinander im LTB-Pop-Up-Store in Berlin zu Gast und zeichnet live: Donnerstag und Freitag von 15-18 Uhr und Samstag von 14-18 Uhr.

Leonard Hillmann

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