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Pfiffiger Reporter: Mit den "Tim-Büchern" begann vor 50 Jahren Carlsen Comic-Ära.

© Promo

50 Jahre Carlsen Comics: Tim und Struppi als Türöffner

Carlsen hat die deutsche Comiclandschaft geprägt. Vor 50 Jahren stieg der Verlag ins Comicgeschäft ein – ein Rück- und Ausblick.

So etwas hatten die deutschen Leser noch nicht gesehen: Comics im Albenformat, die auf gutem Papier gedruckt waren, einen hochwertigen Umschlag hatten und im Buchhandel angeboten wurden. Das war etwas Neues, damals, in der Bundesrepublik des Jahres 1967. Comics kannte man hierzulande ausschließlich als billige Hefte oder Taschenbücher, die an Kiosken verkauft wurden. Als „Tim-Bücher“ wurden die ersten Ausgaben der vom Belgier Georges Remi alias Hergé gezeichneten Reihe im Handel beworben. „Tim, der pfiffige Reporter“ lautete ihr Titel damals, in „Tim und Struppi“ wurde die Reihe erst später umgetauft.

50 Jahre ist das in diesem Jahr her – 50 Jahre, in denen der Hamburger Carlsen-Verlag die deutsche Comiclandschaft geprägt hat wie wohl kein anderes Unternehmen. Comics hatte der Verlag eigentlich schon früher verlegt, nur verzichteten diese auf Sprechblasen und gingen so als Kinderbücher durch: die „Petzi“-Bücher von Carla und Vilhelm Hansen. Mit diesen Bildgeschichten und den Pixi-Büchern startete der bereits in Dänemark erfolgreiche Verleger Per Carlsen (1912–94) im Jahr 1953 das Programm seines gerade in Hamburg gegründeten Verlags, der zunächst das Lizenzmaterial seines dänischen Illustrationforlaget übernahm.

Von den „Peanuts“ über die „Die Schlümpfe“ zu „Spirou und Fantasio“

Die „Tim“-Reihe bot der Verleger schon früh deutschen Zeitungen an, sodass der junge Reporter mit der blonden Tolle sich 1952 im „Hamburger Abendblatt“ erstmals deutschen Lesern vorstellte. Doch erst nachdem der belgische Verlag Casterman in den 50ern mit einer zu teuren und schlecht ins Deutsche übersetzten Ausgabe gescheitert war, bekam Per Carlsen alle Rechte und bot die Reihe 1967 dem anfangs misstrauischen Buchhandel an. Der hatte noch keine Erfahrungen mit der unter Schundverdacht stehenden Kunstform Comic. Dieser Begriff wurde deshalb vermieden. Per Carlsens Konzept ging auf: Die Qualität von „Tim und Struppi“ wurde schnell erkannt, und bis heute ist die Reihe ein Longseller des deutschen Buchhandels.

Zeitgleich mit den ersten sechs „Tim-Büchern“ publizierte Carlsen die ersten „Peanuts“-Comics von Charles M. Schulz in Taschenbuchform. In den 70ern erweitere Carlsen sein Angebot um weitere frankobelgische Serien in der bewährten Ausstattung, so „Die Vier“, „Alix“, „Roland, Ritter Ungestüm“, „Blake und Mortimer“, „Die Schlümpfe“, „Spirou und Fantasio“, „Gaston“. Das verschaffte vielen vor allem jüngeren Lesern im damaligen Comic-Entwicklungsland Deutschland prägende Erfahrungen.

Mutige verlegerische Schritte

1980 verkaufte Per Carlsen den Verlag an den schwedischen Bonnier Medienkonzern, dem Carlsen bis heute angehört. Durch die stetig wachsende Anerkennung der Kunstform nahm der dänische Programmleiter Jens Peder Agger Anfang der 80er Jahre auch erstmals Comics ins Programm, die sich an ein erwachsenes Publikum richteten. Darunter so anspruchsvolle Reihen wie „The Spirit“ von Will Eisner, „Corto Maltese“ von Hugo Pratt, „Adele“ von Jacques Tardi, „Reisende im Wind“ von Francois Bourgeon und viele mehr, die in ihren Herkunftsländern allesamt Bestseller waren.

Moderner Klassiker: Auch Will Eisners "Spirit" kam einst via Carlsen nach Deutschland.
Moderner Klassiker: Auch Will Eisners "Spirit" kam einst via Carlsen nach Deutschland.

© Carlsen

Mit solch mutigen verlegerischen Schritten erwies sich Carlsen für den deutschen Markt wiederholt als Pionier, der einer jungen Generation zeigte, was im internationalen Comic schon alles möglich war.

Ab Mitte der 80er Jahre gestalteten deutsche Redakteure und Programmleiter wie Andreas C. Knigge eigenständig und mit kreativem Impetus das Verlagsprogramm. In den 90ern lieferte sich Carlsen einen Konkurrenzkampf mit dem ebenfalls in den Buchhandel drängenden Ehapa Verlag um zahlreiche frankobelgische Serien. So entstand eine jahrelange Überproduktion an Alben, die sich finanziell nicht mehr rechneten. Das Comicprogramm musste abgespeckt werden. Viele bedeutende Künstler und Titel wurden nicht neu aufgelegt, waren jahrelang nicht mehr erhältlich oder fanden in anderen Verlagen eine neue Heimat.

Die Mangas als Rettung

In dieser Krisenzeit entdeckte Carlsen als erster deutscher Verlag das Potenzial der Mangas, deren stetig wachsende Verkaufszahlen die der klassischen Comics überholten. 1991 machte „Akira“ den Anfang, Höhepunkt des Erfolgs war ab 1997 die Serie „Dragonball“.

Mittlerweile hat sich die Situation wieder eingependelt. Neben einem starken Anteil an Mangaserien kam 2007 das neue Label Graphic Novel dazu. Und auch frankobelgische Klassiker werden seit einigen Jahren – seit 2014 ist Klaus Schikowski für das Programm verantwortlich – wieder gepflegt. So wurde zum Beispiel „Spirou und Fantasio“ aus der Feder von André Franquin in einer adäquaten Gesamtausgabe herausgebracht.

Eigenproduktion. Mit Flix und anderen deutschen Zeichnern hat Carlsen inzwischen auch die heimische Szene im Programm.
Eigenproduktion. Mit Flix und anderen deutschen Zeichnern hat Carlsen inzwischen auch die heimische Szene im Programm.

© Carlsen

Seit den 80er Jahren ist es Carlsen auch ein Anliegen, deutsche Zeichner zu fördern – mit wachsendem Erfolg. Flix, Reinhard Kleist und Isabel Kreitz sind einige der heimischen Autoren, die inzwischen weit über die deutsche Comicszene hinaus bekannt sind. Gerade sind Werke von Uli Oesterle („Kopfsachen“) und Reinhard Kleist („Nick Cave“) erschienen, neue Strips von Flix („Glückskind“ im Dezember), Graphic Novels von Jens Harder („Gilgamesch“ im Januar ) und Olivia Vieweg („Endzeit“ im März) sind in Vorbereitung.

„Es gibt eine neue Generation, die immer mehr an Bedeutung gewinnt“, sagt Programmleiter Schikowski im Interview mit dem „Buchreport“. Klassiker wie „Tim und Struppi“ seien allerdings nach wie vor das „Fundament“ des Verlages – und das dürfte wohl auch so bleiben: „Eltern sagen, das hat mir als Kind gefallen, das können auch meine Kinder lesen – ich glaube, dass der Generationswechsel gelingt.“

Klassiker-Sonderausgaben zum Jubiläum

Carlsen bringt zum Jubiläum zahlreiche Sonderausgaben heraus, die vor allem Klassiker neu präsentieren. Hier eine Auswahl der wichtigsten Neuausgaben:

Tim & Struppi-Gesamtausgabe: Endlich sind alle 24 Tim-Abenteuer in einer der Originalausgabe entsprechenden Hardcoverausgabe erhältlich (1616 S. in einer Box, bis 31.12. 199 €, danach 249 €). Manko: die Bände sind nicht einzeln erhältlich.

E. P. Jacobs, Blake & Mortimer: Sämtliche Abenteuer, die Jacobs selbst gezeichnet hat und das von Bob de Moor fertiggestellte letzte Abenteuer „Mortimer gegen Mortimer“ in einem Band (HC, 752 S., 79,99€). Das Format ist kleiner als das der Alben, das Bonusmaterial fällt bescheiden aus.

José-Louis Bocquet, Eric Verhoest: Franquin, Meister des Humors- Eine Werkschau (384 S., 79,99 €): lange nach dem Band „Das große Franquin-Buch“ (1989) von Numa Sadoul endlich wieder ein Sekundärband über den „Gaston“- und „Marsipulami“-Erfinder.

Charles M. Schulz, Peanuts-Sonntagsseiten-Snoopy der Star (544 S., 29,99 €): als Ergänzung zu den schwarzweißen Tagesstrips nun eine Ausgabe mit längeren, farbigen Sonntagsstrips (von 1961-70).

Juan Diaz Canales, Juanjo Guarnido: Blacksad – gesammelte Fälle (HC, 304 S., 49,99 €): Ein moderner Comic Noir. Die Gesamtausgabe vereint alle 5 Bände.

Greg, Hermann: Andy Morgan – Gesamtausgabe Band 1: ein beliebter Abenteuer-Klassiker seit den 60ern, Beginn der Karriere des Zeichners Hermann (192 S., 29,99 €).

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